Die türkischen Behörden planen offenbar, eritreische Staatsangehörige, die derzeit im Abschiebezentrum Aydın inhaftiert sind, baldmöglichst abzuschieben. Wie ein Mitglied der Zivilgesellschaft Amnesty International mitteilte, wurden in den vergangenen Wochen rund 180 Eritreer*innen aus der Türkei abgeschoben. Die meisten von ihnen sind aktuell in Adi Abeto inhaftiert, einem grossen Gefängniskomplex bei Asmara, der Hauptstadt von Eritrea. Weitere 100 Personen sind in den vergangenen Monaten abgeschoben worden. Eritreische Staatsangehörige, die derzeit in der Türkei inhaftiert sind, haben ihre Familienangehörigen in Anrufen und Briefen darüber informiert, dass die türkischen Behörden auch ihre Abschiebung vorbereiten und diese jederzeit erfolgen kann.
Amnesty International geht davon aus, dass die betroffenen Personen keine Gelegenheit hatten, die Abschiebe-entscheidungen vor Gericht anzufechten oder in der Türkei um internationalen Schutz zu ersuchen. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen wurden Personen aus der Gruppe der inhaftierten eritreischen Staatsangehörigen ausserdem unter unzureichenden Bedingungen festgehalten. So hatten sie keinen Zugang zu Wasser und angemessener Nahrung, die sanitären Einrichtungen waren unzureichend und der Zugang zu Rechtsbeiständen und Telefonen sehr eingeschränkt, was die Kommunikation mit Familienangehörigen und nahestehenden Personen erschwerte. Amnesty International hat bereits in der Vergangenheit dokumentiert, dass nach Eritrea abgeschobene Personen dort ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten und gefoltert wurden, weil es verboten ist, das Land ohne Genehmigung zu verlassen. Die türkischen Behörden müssen alle Abschiebungen von eritreischen Staatsangehörigen nach Eritrea unverzüglich stoppen, da diesen dort schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folter drohen.
Die Türkei ist Vertragsstaat der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und deren Zusatzprotokoll von 1967. Sie behält sich jedoch einen geografischen Vorbehalt zur Ratifizierung der Konvention vor, so dass nur Bürger*innen aus Mitgliedstaaten des Europarats den Flüchtlingsstatus beantragen können. Personen, die die Voraussetzungen für den Flüchtlingsstatus in der Türkei nicht erfüllen, können einen bedingten Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz nach dem türkischen Ausländer- und Asylgesetz von 2013 beantragen. Der bedingte Flüchtlingsstatus wurde für Menschen aus «aussereuropäischen» Staaten geschaffen und bietet eingeschränktere Rechte als die, die im Rahmen des Flüchtlingsstatus gewährt werden.
Amnesty International hat festgestellt, dass die eritreischen Behörden die Beantragung von Asyl im Ausland als Beweis für Hochverrat und als Grund für die Inhaftierung von Personen ansehen, die nach Eritrea zurückgeführt werden. Die entsetzlichen Haftbedingen in Eritrea erfüllen den Tatbestand der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) hat festgestellt, dass «eritreische Staatsangehörige, die abgeschoben werden, zahlreichen Berichten zufolge von den Behörden ohne Anklage festgenommen, inhaftiert, misshandelt und manchmal sogar gefoltert werden. Offenbar werden sie ohne Kontakt zur Aussenwelt, unter überfüllten und unhygienischen Bedingungen und ohne Zugang zu medizinischer Versorgung festgehalten, auch über längere Zeiträume hinweg». Manchmal könne «für einige Eritreer*innen die Tatsache, dass sie sich ausserhalb des Landes befinden, als Grund ausreichen, um bei ihrer Rückkehr Kontrollen, Repressalien und einer harten Behandlung ausgesetzt zu sein. Personen geraten unter Verdacht, Asyl beantragt oder an Oppositionsversammlungen in der Diaspora teilgenommen zu haben oder eine anderweitige (tatsächliche oder vermeintliche) Bedrohung für die Regierung darzustellen, insbesondere wenn sie das Land widerrechtlich verlassen haben». Darüber hinaus stellte die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats zur Menschenrechtslage in Eritrea im Jahr 2015 fest, dass «von wenigen Ausnahmen abgesehen alle, die zur Rückkehr in das Land gezwungen wurden, festgenommen und inhaftiert wurden und Misshandlungen und Folter ausgesetzt waren».
Laut einem Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2016 müssen Deserteur*innen mit langer willkürlicher Inhaftierung, unmenschlichen Haftbedingungen sowie Folter und anderen Misshandlungen rechnen. In Eritrea herrscht eine allgemeine Wehrpflicht für alle Männer und Frauen zwischen 18 und 40 Jahren. Bis zum Alter von 50 Jahren besteht zusätzlich die Pflicht zur Ableistung von Reservediensten. Für die Dauer des Wehrdienstes gibt es keine festgelegte Beschränkung. Der Wehrdienst dauert zunächst 18 Monate und besteht in der Regel aus einem sechsmonatigen Militärdienst, gefolgt von einem zwölfmonatigen Einsatz im militärischen oder staatlichen Dienst. Häufig wird der Wehrdienst aber auch auf unbestimmte Zeit verlängert. Der Wehrdienst ist häufig mit Zwangsarbeit oder unfreiwilliger Arbeit in staatlichen Projekten verbunden. Die Wehrpflichtigen verrichten Bauarbeiten in staatlichen Projekten wie dem Strassenbau, arbeiten im öffentlichen Dienst oder in Unternehmen, die dem Militär oder der Führungsschicht der Regierungspartei gehören und von diesen betrieben werden. Sie erhalten minimale Löhne, die nicht ausreichen, um die Grundbedürfnisse ihrer Familien zu decken. Ein grosser Teil der erwachsenen Bevölkerung Eritreas ist derzeit im allgemeinen Wehrdienst beschäftigt. Es gibt keine Ausnahmen vom Militärdienst für Militärdienstverweiger*innen und auch keinen Ersatzdienst. Üblicherweise wird die Verweigerung des Militärdienstes mit Haft und Folter bestraft.
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Setzen Sie sich für die eritreischen Staatsangehörigen im Abschiebezentrum ein: Senden Sie einen Appellbrief – per Post oder E-Mail, als Fax und/oder über die sozialen Medien – an die angegebene(n) Zielperson(en) sowie eine Kopie an die Botschaft.
→ Frist zum Mitmachen: 1. Dezember 2024.
→ Schreiben Sie in Türkisch, Englisch oder in Ihrer eigenen Sprache.
Bitte setzen Sie noch Ihren Namen (oder Initialen) an das Ende der Nachricht. Sie können die Nachricht auch noch anpassen oder die Forderungen hervorheben. / In den ADRESSEN finden Sie noch eine weitere Zielperson zum Anschreiben. / Wenn das Versenden nicht klappt, ersetzen Sie das Komma (,) zwischen den Mail-Adressen mit einem Semikolon (;) oder nehmen Sie nur eine einzelne Adresse pro Linie.
Sehr geehrter Herr Toros
Ich befürchte, dass die türkischen Behörden planen, eritreische Staatsangehörige, die derzeit im Abschiebezentrum Aydın inhaftiert sind, baldmöglichst abzuschieben. In den vergangenen Wochen sollen rund 180 Eritreer*innen aus der Türkei abgeschoben worden sein. Die meisten von ihnen sind aktuell in Adi Abeto inhaftiert, einem grossen Gefängniskomplex bei Asmara, der Hauptstadt von Eritrea. Weitere 100 Personen sind in den vergangenen Monaten abgeschoben worden. Eritreische Staatsangehörige, die derzeit in der Türkei inhaftiert sind, haben ihre Familienangehörigen in Anrufen und Briefen darüber informiert, dass die türkischen Behörden auch ihre Abschiebung vorbereiten und diese jederzeit erfolgen kann.
Hiermit fordere ich Sie auf, die Abschiebung von Personen nach Eritrea, wo sie der realen Gefahr von Menschenrechts-verletzungen ausgesetzt sind, zu unterlassen. Ausserdem fordere ich Sie auf, den internationalen Verpflichtungen der Türkei aus dem Abkommen von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, der UN-Konvention gegen Folter und dem Völkergewohnheitsrecht nachzukommen und den für alle Staaten verbindlichen Grundsatz der Nicht-Zurückweisung zu wahren.
Sorgen Sie bitte dafür, dass alle in der Türkei inhaftierten eritreischen Staatsangehörigen Zugang zu einem fairen und wirksamen Asylverfahren erhalten und unter Bedingungen festgehalten werden, die internationalen Standards für die Inhaftierung von Migrant*innen und Asylsuchenden entsprechen.
Hochachtungsvoll
Dear Mr Atilla Toros,
I write to express my concern about the authorities' imminent plans to forcibly return Eritrean nationals who are detained at Aydın Removal Centre. A civil society representative told Amnesty International that around 180 Eritreans were deported from Türkiye in the past weeks. Most of them are now detained at Adi Abeto prison, a major prison complex outside Asmara, the capital of Eritrea. A further 100 individuals have been deported in the previous months. Eritrean nationals currently detained in Türkiye have alerted their family members via phone calls and letters that the authorities are preparing to deport them as well and that it can happen any time now.
Amnesty International believes that these individuals have not had the opportunity to challenge their deportation decisions before a court or to apply for international protection in Türkiye. According to information obtained by Amnesty International, people in the group of detained Eritrean nationals were also held in inadequate conditions, due to a lack of access to water, adequate food, poor sanitation, and very limited access to legal assistance and phones, making it hard to communicate with family and loved ones. Amnesty International has documented in the past that people returned to Eritrea have been detained incommunicado and tortured upon return because leaving the country without authorisation is a crime. The Turkish authorities must immediately halt all deportations of Eritrean nationals to Eritrea where they would be at risk of serious human rights violations including torture.
I urge you not to forcibly return people to Eritrea, where they would face a real risk of serious human rights violations. I also urge you to respect Türkiye’s international obligations under the 1951 Convention Relating to the Status of Refugees, the UN Convention Against Torture and customary international law to uphold the principle of non-refoulement, which is binding on all states. Pending their release, ensure that Eritreans detained in Türkiye are given access to fair and effective asylum procedures, and are held in conditions meeting international standards on the detention of migrants and asylum-seekers.
Yours sincerely,
Targets:
Ministry of Interior, on X/Twitter: @tc_icisleri
Presidency of Migration Management, on X/Twitter: @Gocidaresi
Suggested Tweet:
After deporting over 300 Eritrean nationals - in breach of international law #Türkiye’s authorities are now planning the forced return of hundreds of others to Eritrea where they face serious violations of their rights. @tc_icisleri, Türkiye must stop their forced return NOW [Link to UA]
Leiter der Migrationssteuerung:
Mr Atilla Toros
Head of Migration Management
Çamlıca Mahallesi 122. Sokak No:4 Yenimahalle
Ankara
Türkiye
E-Mail (korrigiert): [email protected] (und nicht: [email protected] = ein l zu viel)
Fax: 90 (312) 920-06-09
Twitter/X: @Gocidaresi
Additional target:
Minister of Interior
Ali Yerlikaya
T.C. İçişleri Bakanlığı, Bakanlıklar
Ankara
Türkiye
E-Mail: [email protected]
X/Twitter: @tc_icisleri
KOPIEN AN
Botschaft der Republik Türkei
Lombachweg 33
Postfach 34
3000 Bern 15
Fax: 031 352 88 19
E-Mail: [email protected]
• AkTuelle Dokumente
DRUCKFERTIGE MODELLBRIEFE:
• MODELLBRIEF DEUTSCH 078/24 (WORD)
• MODEL LETTER ENGLISH 078/24 (WORD)
DIESE URGENT ACTION – KOMPLETT ALS WORD-DATEI:
(Seite 1 Hintergrundinformationen, Seite 2 Modellbrief)
• UA 078/24 – DEUTSCH
• UA 078/24 – ENGLISH
→ Versandmöglichkeiten und Zielperson(en) siehe: ADRESSEN und SOCIAL MEDIA GUIDE
→ Verwenden Sie unsere Briefvorschläge oder schreiben Sie in Ihren Worten.
→ Portokosten für Briefversand: Europa = CHF 1.90 / alle übrigen Länder = CHF 2.50
→ Weitere Informationen zum Mitmachen bei den Urgent Actions finden Sie hier
English version (click on title to open):
Hundreds of Eritrean nationals are at imminent risk of forcible return to Eritrea where they would face a real risk of torture, arbitrary detention and other serious human rights violations. Reports indicate that around 300 Eritreans recently detained in Türkiye without adequate access to communication or legal support have been deported to Eritrea. The authorities must immediately halt any plans to forcibly return Eritrean nationals from Türkiye and grant them access to asylum procedures, in line with international law.
Türkiye is party to the 1951 Refugee Convention and its 1967 Protocol. However, Türkiye retains a geo-graphic reservation to its ratification of the Convention, so that only citizens from Council of Europe member states are allowed to apply for refugee status. People who do not qualify for refugee status in Türkiye, can request conditional refugee status or subsidiary protection under the Law on Foreigners and International Protection of 2013. The conditional refugee status was created for people originating from «non-European» states and provides more restrictive rights than the ones granted to refugee status holders.
Amnesty International has found that the Eritrean authorities regard the act of applying for asylum abroad as evidence of treason, and a reason to detain anyone forcibly returned to Eritrea. Appalling detention conditions in Eritrea amount to cruel, inhuman or degrading treatment. The United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) has noted that «Eritreans who are forcibly returned may, according to several reports, face arrest without charge, detention, ill-treatment, torture sometimes death at the hands of the authorities. They are reportedly held incommunicado, in over-crowded and unhygienic conditions, with little access to medical care, sometimes for extended periods of time» and that «For some Eritreans, being outside the country may be sufficient cause on return to be subjected to scrutiny, reprisals and harsh treatment. Individuals may be suspected of having sought asylum, participating in diaspora-based opposition meetings or otherwise posing a (real or perceived) threat to the Government, particularly where they have exited the country illegally». Furthermore, in 2015, the UN Human Rights Council Commission of Inquiry on human rights in Eritrea found that «with a few exceptions, those who have been forced to return to the country have been arrested, detained and subjected to ill-treatment and torture».
According to a 2016 Amnesty International report, deserters are likely to face prolonged arbitrary detention, inhumane detention conditions and torture and other-ill treatment. National service is compulsory for all men and women between the ages of 18 and 40 in Eritrea, with additional mandatory reserve du-ties up to age 50. There is no limit on length of service. Initially 18 months long, it generally includes six months’ military service followed by 12 months’ deployment in military or government service. How-ever, this is frequently extended indefinitely. National service often involves forced or involuntary labour in state projects. Conscripts perform construction labour on government projects such as road building, work in the civil service or work for companies owned and operated by the military or ruling party elites. Conscripts are paid minimal salaries that do not meet the basic needs of their families. Much of the adult population of Eritrea is currently engaged in mandatory national service. There is no exemption from military service for conscientious objectors, and no alternative non-military service. The usual punishment for evading military service is detention and torture.
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