Der 23. März markierte das Ende der «Moratoriumsrente» . Nach offiziellen Angaben der argentinischen Sozialversicherungs-behörde entfielen im Jahr 2024 nur etwa 30% der Rentenleistungen auf Personen, die nicht die Moratoriumsrente in Anspruch nahmen. Ohne die «Moratoriumsrente» können 69% der Frauen und 50% der Männer nicht mehr im Alter von 60 bzw. 65 Jahren in den Ruhestand gehen. Stattdessen würden sie sich um alternative Einkommensquellen bemühen müssen – die in der Regel allerdings nicht den Grundbedarf abdecken.
Ältere Menschen protestieren nun wöchentlich für bessere Lebensbedingungen und riskieren dabei Repressionen durch die Polizei. Die Behörden müssen sich mit den Ursachen der Forderungen älterer Menschen befassen. Die Regierung muss verhindern, dass Menschen im Rentenalter in noch stärkere wirtschaftliche Not geraten, insbesondere jene, die im informellen Sektor beschäftigt sind, zumeist Frauen. Diese Menschen konnten in ihrem Erwerbsleben weder Sozialbeiträge leisten noch hat ihr Arbeitgeber für sie eingezahlt.
Auch in Zeiten wirtschaftlicher Krisen müssen Staaten gemäss internationalen Standards zeigen, dass jede Anstrengung unternommen wurde, um alle ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen dazu einzusetzen, ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Darüber hinaus müssen die Staaten gezielte Massnahmen ergreifen, um die Rechte von Menschen zu schützen, die unter Diskriminierung und Ausgrenzung leiden, wie z. B. ältere Menschen.
Im März 2023 verabschiedete der Nationalkongress das Gesetz 27705, mit dem für zwei Jahre eine sogenannte «Moratoriumsrente» (moratoria previsional) eingeführt wurde. Das System der Moratoriumsrente gewährt Personen, die nicht die gesetzlich vorgeschriebenen 30 Beitragsjahre zur Rente erfüllt haben, den Zugang zur vollen Rente, wobei der Betrag, den sie dem Rentensystem dafür schulden, anteilig von der monatlichen Rentenzahlung abgezogen wird. Ziel war es, gegen soziale Ungleichheit vorzugehen, da in Argentinien die informelle Beschäftigungsrate sehr hoch ist und mehr als 47% der Erwerbstätigen nicht für Sozialabgaben registriert sind und keine Beiträge leisten. Das Moratorium, das am 23. März 2025 auslief, ermöglichte einer Person, die während ihres Berufslebens keine Beiträge leisten konnte, den Zugang zur Rente, während sie gleichzeitig Beiträge zur Deckung der Beitragslücke einzahlte.
Die Regierung hatte angekündigt, dass sie im Rahmen eines Haushaltsanpassungsplans, der sich insbesondere auf die Renten älterer Menschen auswirkt, keine Verlängerung dieser Frist anstreben werde.
Sollte das System der «Moratoriumsrente» nicht durch eine angemessene Alternative ersetzt werden, werden je-ne, die keine reguläre Rente in Anspruch nehmen können, lediglich unter der «Universalrente» (Pensión Universal para el Adulto Mayor ‒ PUAM) aufgefangen, die nur 80% der Mindestrente beträgt. Im Februar 2025 wurde die Höhe der Universalrente auf 218'000 Argentinische Peso (etwa 190 Euro) und die Mindestrente auf 273'000 Argentinische Peso (etwa 230 Euro) festgelegt. Laut dem Nationalen Statistikamt INDEC ist jedoch ein Einkommen von 334'000 Peso (etwa 285 Euro) nötig, um Armut zu vermeiden. Wer also die Mindestrente bezieht, liegt bereits weit unter der Armutsgrenze. Wenn die gesetzlich vorgesehene Frist für die Moratoriumsrente nicht verlängert wird, müssen zukünftige Rentner*innen mit noch weniger auskommen.
Auch wenn dies Auswirkungen auf all diejenigen haben wird, die im informellen Sektor gearbeitet haben und/oder aufgrund persönlicher Lebensläufe nicht ausreichend Beiträge in das Rentensystem gezahlt haben, wird es sich unverhältnismässig stark auf Frauen auswirken, da sie häufiger im informellen Sektor arbeiten als Männer.
In Argentinien herrscht seit einigen Jahren eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise. Das Land hat beim Internationalen Währungsfonds (IWF) das grösste Darlehen aufgenommen, das jemals von der internationalen Finanzinstitution gewährt wurde. Eine der Bedingungen des Darlehens war es, dass Argentinien sein Staatsdefizit auf null reduziert. Die aktuelle Regierung arbeitet seit ihrem Amtsantritt auf dieses Ziel hin und hat hierzu erhebliche Haushaltsanpassungs- und Sparmassnahmen verabschiedet. Im jüngsten IWF-Bericht zu Argentinien wurde auf die zusätzlichen Kosten der Moratoriumsrente hingewiesen, gleichzeitig aber auch der Schutz der Schwächsten in der Gesellschaft gefordert.
Die Kürzung der Renten war eine der Hauptmassnahmen der von der Regierung eingeleiteten Haushalts-anpassung. Nach Angaben des argentinischen Instituts für Finanzanalyse (IAAF) war der Gesamtrückgang der Primärausgaben der öffentlichen Verwaltung in den ersten beiden Monaten des Jahres 2024 (3'869'000 Mio. Argentinische Pesos) zu 43% (1'682'000 Mio. Argentinische Pesos) auf die Senkung der Ausgaben für Renten und Pensionen zurückzuführen.
Jeden Mittwoch protestieren ältere Menschen mit sogenannten Rentner*innenmärschen gegen die niedrigen Renten. Häufig werden diese Demonstrationen unterdrückt – die letzten vier Veranstaltungen durften nicht stattfinden. Amnesty International hat dokumentiert, wie ältere Menschen von Sicherheitskräften mit Schlagstöcken geschlagen und mit Tränengas attackiert wurden.
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