Marcellus Williams wurde im August 2001 wegen des Mordes an der 42-jährigen Felicia Gayle zum Tode verurteilt. Felicia Gayle war am 11. August 1998 bei sich zuhause in University City im St. Louis County im US-Bundesstaat Missouri erstochen aufgefunden worden. Marcellus Williams war Schwarz, Felicia Gayle war weiss. Während des Auswahlverfahrens für die Geschworenen der Gerichtsverhandlung im Juni 2001 wurden sechs von sieben afroamerikanischen Geschworenenkandidat*innen von der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Die Jury bestand letztlich aus elf weissen Personen und einer Schwarzen Person.
Am 21. September 2024 schrieb eine von drei Richter*innen des zuständigen Bundesberufungsgerichts (Eighth Circuit Court of Appeals), dass sie zwar «widerwillig» den beiden anderen Richter*innen zustimme, dass es verfahrensrechtlich nicht möglich sei, das Todesurteil von Marcellus Williams zu kippen, dass sie jedoch grosse Vorbehalte gegenüber zahlreichen Aspekten des bisherigen Verfahrens habe. Unter anderem hob sie hervor, dass es Nachweise für rassistische Voreingenommenheit während seines Verfahrens gegeben habe, und dass die «Beweislage in diesem Fall heute anders aussieht als noch zum Verfahrenszeitpunkt». So seien neue Beweise ans Licht gekommen, die die Verlässlichkeit der einzigen beiden Zeug*innen untergraben, deren Angaben zufolge der Angeklagte am Tatort gewesen sei. Darüber hinaus lägen neue DNA-Testergebnisse vor. Die Richterin kam zu dem Schluss, dass «unser heutiges Urteil in keiner Weise andere Rechtsbehelfe für Marcellus Williams ausschliesst».
Letztlich schritten jedoch weder die Gerichte noch der Gouverneur ein, um die Hinrichtung von Marcellus Williams zu verhindern. Am 23. September entschied der Oberste Gerichtshof von Missouri, dass «es keine glaubwürdigen Beweise für die tatsächliche Unschuld oder Hinweise auf verfassungsrechtliche Mängel gibt, die das Vertrauen in das ursprüngliche Urteil untergraben würden». Noch am selben Tag verkündete der Gouverneur von Missouri, Mike Parson, dass er sich nicht für eine Begnadigung aussprechen werde. Der Gouverneur, ein ehemaliger bundesstaatlicher Parlamentarier und County Sheriff, hat in seiner Amtszeit noch keine einzige Begnadigung ausgesprochen. Dies war die zwölfte Hinrichtung in Missouri, seit Mike Parson am 1. Juni 2018 als Gouverneur vereidigt wurde. In einer Erklärung, in der er die Hinrichtung von Marcellus Williams ankündigte, sagte Gouverneur Parson: «Todesstrafenfälle gehören zu den schwierigsten Themen, mit denen wir uns im Büro des Gouverneurs befassen müssen, doch letztlich folge ich dem Gesetz und vertraue auf die Integrität unseres Justizsystems». Am 25. September wurde jedoch deutlich, dass mindestens ein Drittel der Richter*innen des Obersten Gerichtshofs der USA ernsthafte Bedenken in Bezug auf den Fall hatte und mit der Entscheidung des Obersten Gerichts-hofs von Missouri, die Hinrichtung nicht zu stoppen, nicht einverstanden waren. Die drei Richterinnen – Sonia Sotomayor, Elena Kagan und Ketanji Brown Jackson – erklärten, dass sie sich für einen Hinrichtungsaufschub ausgesprochen hätten.
In einer Erklärung vor der Hinrichtung von Marcellus Williams sagten seine Rechtsbeistände: «Die Familie des Opfers ist gegen seine Hinrichtung. Die Geschworenen, die ihn ursprünglich zum Tode verurteilt hatten, lehnen seine Hinrichtung mittlerweile ab. Die Staatsanwaltschaft, die ihn damals zum Tode verurteilt hatte, hat ihren Fehler eingeräumt und sich mit grosser Anstrengung dafür eingesetzt, das Urteil aufzuheben und das Leben von Herrn Williams zu retten. Mehr als eine Million besorgte Bürger*innen und religiöse Sprecher*innen haben Gouverneur Parson bekniet, Marcellus' Todesurteil umzuwandeln. Und trotzdem wird Missouri ihn töten. Gerechtigkeit sieht anders aus. Und wir alle müssen jedes System infragestellen, das so etwas zulässt... Heute Abend werden wir alle Zeugen der grotesken Machtaus-übung des Staates Missouri ab».
Bisher sind im Jahr 2024 in den USA 15 Menschen hingerichtet worden. Die Gesamtzahl der Hinrichtungen in den USA seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen im Jahr 1976 steigt damit auf 1.598. Missouri vollstreckte nach 1976 das erste Todesurteil im Jahr 1989. Marcellus Williams ist seither die 100. Person, die in dem Bundesstaat hingerichtet wurde. 2024 wurden in Missouri bisher drei Hinrichtungen vollzogen. Seit 1976 gibt es nur vier Bundesstaaten, in denen mehr Menschen hingerichtet wurden als in Missouri: Texas (590), Oklahoma (125), Virginia (113 – mittlerweile todesstrafenfrei) und Florida (106). Amnesty International wendet sich in allen Fällen und ausnahmslos gegen die Todesstrafe.
Vielen Dank allen, die versucht haben, die Hinrichtung zu verhindern. Weitere Aktionen sind nicht erforderlich.