Frauen, die in Kolumbien nach Opfern des Verschwindenlassens suchen, werden immer wieder bedroht und angegriffen. Zuletzt waren insbesondere die Mitglieder der Fundación Nydia Erika Bautista (FNEB) sowie die von ihnen unter-stützten Frauen Einschüchterungsversuchen und Hackerangriffen ausgesetzt. Am 24. Oktober wurde in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá erstmals der Día de Mujeres Buscadoras de Desaparecidos begangen, ein Tag zu Ehren der Frauen, die sich für die Aufklärung von Fällen des Verschwindenlassens einsetzen. Bei einer in diesem Rahmen stattfindenden geschlossenen Veranstaltung bemerkten FNEB-Mitglieder die Anwesenheit von Personen, die sowohl ihnen als auch den übrigen eingeladenen Gästen unbekannt waren. Als die Unbekannten aufgefordert wurden, sich entweder auszuweisen oder die Veranstaltung zu verlassen, gaben sie unbefriedigende Erklärungen ab und weigerten sich zu gehen. Am selben Tag erhielt die Leiterin der FNEB, Yanette Bautista, zwei E-Mails, die vorgeblich vom «FNEB Support-Team» kamen und in denen behauptet wurde, dass sie ihr Passwort ändern müsse. Das IT-Team der Organisation stellte daraufhin fest, dass es sich dabei um Hackerangriffe handelte.
Amnesty International hat die Gefahren dokumentiert, denen Menschenrechtler*innen in Kolumbien seit 2020 ausgesetzt sind, und fordert die Regierungen der Länder des amerikanischen Kontinents seit Jahren auf, ihren internationalen Verpflichtungen zum Schutz von Frauen, die sich für die Aufklärung von Fällen des Verschwindenlassens einsetzen, nachzukommen. Zudem macht die Menschenrechtsorganisation seit geraumer Zeit auf die gefährliche Lage dieser Frauen in der Region und die Art der ihnen drohenden Menschenrechtsverletzungen aufmerksam. Mitglieder der FNEB sind bereits in der Vergangenheit bedroht und angegriffen worden, und Amnesty ist besorgt über die offensichtlich unzureichende Reaktion der Generalstaatsanwaltschaft, da bisher noch niemand für diese Taten zur Rechenschaft gezogen wurde.
Die jüngsten Einschüchterungsversuche und Hackerangriffe auf FNEB-Mitglieder geschahen vor dem Hintergrund mutmasslicher neuer Informationen über das Verschwindenlassen von Nydia Erika Bautista im August 1987, die kürzlich der Generalstaatsanwaltschaft und der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden vorgelegt wurden.
Yanette Bautista ist die Schwester von Nydia Erika Bautista, die am 30. August 1987 von Angehörigen der 3. Militärbrigade entführt wurde und dem Verschwindenlassen zum Opfer fiel. Yanette Bautista gründete mit weiteren Familienmitgliedern die Stiftung Fundación Nydia Erika Bautista (FNEB), nachdem sie jahrelang gegen Straflosigkeit angekämpft und nach ihrer Schwester, ihrer Tante und anderen Opfern des Verschwindenlassens in Kolumbien gesucht hatte.
Yanette Bautista und ihre Familie mussten sieben Jahre im Exil verbringen, da sie wegen ihres Einsatzes für Gerechtigkeit für die Opfer des Verschwindenlassens und für jene, die nach Vermissten suchten, bedroht und angegriffen wurden. Im Jahr 1999 kamen im Rahmen ihrer Menschenrechtsarbeit mit den Vereinten Nationen zahlreiche Menschenrechtsverteidiger*innen aus Deutschland, der Schweiz, Kolumbien und Mexiko in Genf zusammen und beschlossen, zu Ehren von Nydia Erika Bautista eine Organisation zu gründen. Im Laufe der Jahre beschloss die Familie Bautista, nach Kolumbien zurückzukehren, und gründete 2007 offiziell die FNEB als eine Organisation, in der Opfer von Verschwindenlassen und sexualisierter Gewalt andere Betroffene in der gleichen Situation begleiten. FNEB hat zwei bezeichnende Eigenschaften: Die Organisation ist geprägt von dem Einsatz für Wahrheit und Gerechtigkeit für Nydia Erika Bautista und versteht sich daher als eine Organisation, die Angehörige von Opfern des Verschwindenlassens repräsentiert. Und die meisten ihrer Mitglieder sind Frauen, die für ihre Rechte auf Gleichberechtigung und ein gewaltfreies Leben kämpfen, weshalb sich FNEB auch als Frauenrechtsorganisation versteht. Heute unterstützt FNEB in 519 Fällen Betroffene aus verschiedenen Landesteilen und tritt dafür ein, dass sowohl die Opfer des Verschwindenlassens als auch jene, die nach Verschwundenen suchen, Gerechtigkeit erhalten. Dank des Engagements der Organisation und ihrer jahrelangen Bemühungen, die Erfahrungen der Betroffenen zu dokumentieren, wurde in Kolumbien das Gesetz 2364/2024 erlassen, welches die Rechte der Frauen, die nach Vermissten suchen, schützen soll.
Amnesty International befasst sich seit Jahren mit dem Verschwindenlassen von Nydia Erika Bautista und der Lage der FNEB und verfügt über ausgiebige Informationen zu den Gefahren, Bedrohungen und Angriffen, denen die Mitglieder der Organisation ausgesetzt sind. FNEB ist bereits in der Vergangenheit auf ähnliche Weise bedroht worden, und Amnesty International ist besorgt, dass die jüngsten Angriffe möglicherweise Vorboten weiterer Gewalt gegen FNEB-Mitglieder und andere Frauen sind, die nach Opfern des Verschwindenlassens suchen. Der kolumbianische Kongress hat im Juli 2024 ein Gesetz zum Schutz der Rechte dieser Frauen verabschiedet. Die in diesem Gesetz enthaltenen Zusagen müssen in die Tat umgesetzt werden, und zwar in Form von Massnahmen, die das Leben der Betroffenen verbessern. Hierzu zählt auch die Untersuchung der Drohungen und Angriffe gegen sie.
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