Es besteht grosse Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen des Lyrikers Artyom Kamardin, der wegen konstruierter Anklagen im Zusammenhang mit der öffentlichen Lesung eines seiner Gedichte zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Während seiner Untersuchungshaft in Moskau wurde Artyom Kamardin schikaniert und misshandelt. Nach Informationen, die seiner Familie zugegangen sind, drohten die Strafvollzugsbehörden damit, ihn während seiner bevorstehenden Überstellung in eine Strafkolonie und nach seiner dortigen Ankunft weiter zu foltern und zu misshandeln.
Am 25. November wurde bekannt, dass Artyom Kamardin von einem Untersuchungsgefängnis in Moskau in ein anderes Untersuchungsgefängnis (SIZO-1) in Vladimir verlegt wurde. Seine Familie wurde weder über diese Verlegung noch über den Namen der Strafkolonie informiert, in die er zur Verbüssung seiner Haftstrafe überstellt werden soll. Dies verstösst gegen russisches Recht. Darüber hinaus wurde ihm vor der Verlegung nach Vladimir und bei seiner Ankunft dort keine Möglichkeit gegeben, Kontakt mit seiner Familie aufzunehmen. Auch sein Rechtsbeistand konnte ihn bisher nicht kontaktieren. Es ist zu befürchten, dass er während der Überstellung und in der Strafkolonie gefoltert oder anderweitig misshandelt wird. Auch die möglichen Folgen der unmenschlichen Überstellungsbedingungen auf Artyom Kamardins Gesundheit geben grossen Anlass zur Sorge. Er leidet seit Monaten unter starken Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Tinnitus, ohne dass er während seiner Untersuchungshaft eine angemessene medizinische Untersuchung oder Behandlung erhalten hätte. Artyom Kamardin muss dringend ärztlich untersucht und medizinisch versorgt werden.
Am 22. September 2022 nahm der Lyriker und Aktivist Artyom Kamardin an einer öffentlichen Lyriklesung auf dem Moskauer Triumfalnaya-Platz teil. Diese sogenannten «Majakowski-Lesungen» wurden in der Nähe des Denkmals des Dichters Wladimir Majakowski abgehalten und knüpften an die Tradition sowjetischer Dissident*innen an. Die Lesungen im September 2022 fanden aus Protest gegen die am Vortag ausgerufene Mobilmachung statt, mit der Soldat*innen für die russische Armee im Angriffskrieg gegen die Ukraine rekrutiert werden sollten.
Am 26. September 2022 verschafften sich bewaffnete Sicherheitskräfte Zutritt zu der Wohnung von Artyom Kamardin und seiner Lebensgefährtin Aleksandra Popova. Der Rechtsbeistand von Artyom Kamardin durfte bei der Durchsuchung nicht anwesend sein. Nach Informationen von Aleksandra Popova wurde Artyom Kamardin von den Ordnungskräften gefoltert. Sie unterzogen ihn sexualisierter Gewalt, filmten dies und zwangen sie, sich die Aufnahmen anzusehen. Daraufhin wurde Artyom Kamardin gezwungen, sich hinzuknien und sich vor laufender Kamera für das Aufsagen eines kriegskritischen Gedichts zu «entschuldigen».
Aleksandra Popova wurde ebenfalls von den Polizist*innen gefoltert. Diese klebten ihr Aufkleber ins Gesicht, die sie mit Sekundenkleber befestigten, rissen ihr Haare aus und schlugen sie, was nach Angaben von Aleksandra Popova zu einer Gehirnerschütterung und einer Kopfverletzung führte. Ausserdem wurde sie beschimpft und mit Gruppenvergewaltigung bedroht.
Bei Artyom Kamardin stellte man laut seinem Rechtsbeistand eine Gehirnerschütterung sowie mehrere Prellungen und andere Verletzungen fest. Die Behörden weigerten sich, ihn ins Krankenhaus zu bringen.
Gegen Artyom Kamardin und zwei weitere Männer, Yegor Shtovba und Nilkolay Daineko, die ebenfalls bei den Majakowski-Lesungen anwesend waren, wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Sie wurden wegen «Aufstachelung zu Hass und Feindschaft» (Paragraf 282, Absatz 2 des russischen Strafgesetzbuchs) und wegen des «öffentlichen Aufrufs zu Handlungen, die sich gegen die Staatssicherheit richten» (Paragraf 280.4, Absatz 3 des Strafgesetzbuchs) angeklagt. Nikolay Daineko bekannte sich schuldig und wurde im Mai 2023 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Am 28. Dezember 2023 verurteilte das Bezirksgericht Tverskoy in Moskau Artyom Kamardin zu sieben Jahren Gefängnis. Yegor Shtovba wurde zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Artyom Kamardin litt bereits vor seiner Festnahme an Rückenproblemen. Diese haben sich in der Haft verschlimmert. Seit April 2024 leidet er unter schweren Rückenschmerzen. Darüber hinaus berichtete er über eine beträchtliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands, die sich unter anderem durch Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und einen Tinnitus äussert. Auch seine psychische Verfassung ist beeinträchtigt, und er leidet unter Schlafstörungen und anderen Problemen.
Mehrere Monate hat die Familie von Artyom Kamardin vergeblich versucht, ihm eine ärztliche Untersuchung zu verschaffen. Am 21. Oktober 2024 wurde er schliesslich auf die Krankenstation eines anderen Untersuchungsgefängnisses gebracht. Da es an der nötigen Ausstattung fehlte, wurde jedoch keine angemessene medizinische Untersuchung durchgeführt. Die einzige Behandlung, die Artyom Kamardin erhielt, waren Schmerzmittel und Vitaminspritzen. Er wurde ins Untersuchungsgefängnis zurückgebracht, ohne dass sich sein Zustand gebessert hätte. Es ist zu befürchten, dass sich sein Gesundheitszustand während seiner Überstellung in eine Strafkolonie weiter verschlechtern wird.
Aus dem Umfeld von Artyom Kamardin erfuhr Amnesty International, dass er während seiner Untersuchungshaft schikaniert und misshandelt wurde. Seine Familie erhielt ausserdem Informationen, nach denen Artyom Kamardin weitere Folter und Misshandlungen während der Überstellung in eine Strafkolonie und nach seiner Ankunft dort angedroht wurden.
In Russland sind Folter und andere Misshandlungen in Gewahrsam nach wie vor weit verbreitet. Die Verantwortlichen gehen meist straffrei aus.
• Werden Sie aktiv
Setzen Sie sich für Artyom Kamardin ein: Senden Sie einen Appellbrief – per Post und posten Sie in den sozialen Medien – an die unter ADRESSEN und SOCIAL MEDIA GUIDE angegebene(n) Zielperson(en).
→ Frist zum Mitmachen: 20. Januar 2025.
→ Schreiben Sie in Russisch, Englisch oder in Ihrer eigenen Sprache.
Sehr geehrter Herr Gostev
Dem Lyriker Artyom Kamardin, der 2023 wegen der öffentlichen Lesung eines kriegskritischen Gedichts zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, drohen bei seiner Überstellung in eine Strafkolonie und während seines dortigen Aufenthalts Folter und andere Misshandlungen. Artyom Kamardin muss ausserdem dringend ärztlich untersucht und versorgt werden.
Sorgen sie bitte dafür, dass Artyom Kamardin während seiner bevorstehenden Überstellung in die Strafkolonie und während seiner Haftzeit dort nicht schikaniert, gefoltert oder anderweitig misshandelt wird. Gewährleisten Sie ausserdem, dass er bei der Überstellung die nötige medizinische Versorgung erhält und bei seiner Ankunft in ein ziviles Krankenhaus gebracht wird, um eine angemessene medizinische Untersuchung und Behandlung zu erhalten.
Abschliessend fordere ich Sie auf, dafür zu sorgen, dass seine Familie unverzüglich darüber informiert wird, wo er seine Strafe verbüssen wird, und dass er während seiner Überstellung und in der Strafkolonie Kontakt mit seiner Familie halten kann.
Hochachtungsvoll,
Dear Mr. Gostev
I am writing to you to express my deep concern about the health and well-being of poet Artyom Kamardin, sentenced to seven years imprisonment on trumped-up charges for a public reading of one of his poems. Artyom was subjected to harassment and ill-treatment while in pre-trial detention in Moscow. According to information received by his family, the penal authorities threatened that he would be further tortured and ill-treated during his upcoming transfer to, and after his arrival, at a penal colony.
On 25 November, it was revealed that Artyom Kamardin had been transferred from a Moscow pre-trial detention center to another pre-trial detention centre (SIZO-1) in Vladimir. His family was not informed of this transfer, nor of the name of the penal colony to which he will be transferred to serve his sentence, which is a violation of Russian law. He was also denied the chance to contact his family before the transfer and upon arrival in Vladimir, and his lawyer has also been unable to contact him. There are concerns he may face torture or other ill-treatment during the transfer and at the penal colony. I am also deeply concerned about the impact of the inhumane transfer conditions on Artyom Kamardin's health. For months, he has suffered from severe back pain, headaches, nausea, dizziness, and tinnitus, yet he has received no proper medical examination or treatment during his pre-trial detention. Artyom urgently requires a medical examination and appropriate care.
I urge you to ensure that Artyom Kamardin is not subjected to harassment, torture, or other ill-treatment during his future transfer to, and while serving his sentence at, the penal colony. Additionally, I call on you to guarantee he receives the necessary healthcare he requires during transit and is transferred to a civilian hospital for a proper medical examination and treatment upon arrival. Lastly, I request that his family is promptly informed of the location where he will serve his sentence and that he is allowed to maintain contact with them during the transfer and at the colony.
Yours sincerely,
Please tag:
the Russian embassy
Facebook: /RusEmbSwiss
Twitter/X: /RusEmbSwiss
the MFA
Twitter/X: https://x.com/MFA_Russia
You can support active hashtags:
#Kamardin #СвободуАртемуКамардину (Free Artyom Kamardin) #FreeKamardin
Proposed messages:
Russian activist and poet Artyom Kamardin is at risk of torture and other ill-treatment while being transferred to and while he is imprisoned at a penal colony. Ensure #Kamardin’s safety #freeKamardin
Poet Artyom #Kamardin recited his anti-war poem. He was brutally tortured and sentenced to 7 years in prison. He was threatened with further torture and ill-treatment and his health has deteriorated. Ensure Artyom #Kamardin is safe and given medical care #FreeKamardin
Leiter des Strafvollzugsdienstes:
Head of the Federal Penitentiary Service
Gostev Arkadii Aleksandrovich
ul. Zhitnaya 14
Moscow, 119049
Russian Federation
KOPIEN AN
Commissioner for Human Rights in Russia
Moskalkova Tatyana Nikolaevna
Smolensky Boulevard, 19, building 2
Moscow, 119121
Russian Federation
-
Botschaft der Russischen Föderation
Brunnadernrain 37
3006 Bern
Fax: 031 352 55 95
E-Mail: [email protected]
Facebook: /RusEmbSwiss
Twitter/X: /RusEmbSwiss
• AkTuelle Dokumente
DRUCKFERTIGE MODELLBRIEFE:
• MODELLBRIEF DEUTSCH 102/24 (WORD)
• MODEL LETTER ENGLISH 102/24 (WORD)
DIESE URGENT ACTION – KOMPLETT ALS WORD-DATEI:
(Seite 1 Hintergrundinformationen, Seite 2 Modellbrief)
• UA 102/24 – DEUTSCH
• UA 102/24 – ENGLISH
→ Versandmöglichkeiten und Zielperson(en) siehe: ADRESSEN und SOCIAL MEDIA GUIDE
→ Verwenden Sie unsere Briefvorschläge oder schreiben Sie in Ihren Worten.
→ Portokosten für Briefversand: Europa = CHF 1.90 / alle übrigen Länder = CHF 2.50
→ Weitere Informationen zum Mitmachen bei den Urgent Actions finden Sie hier
English version (click on title to open):
Poet Artyom Kamardin, sentenced to seven years imprisonment for public reading of his anti-war poem, is at risk of torture and other ill-treatment while being transferred to a penal colony and during his imprisonment there. He also requires an urgent medical examination and care. He is being prosecuted for exercising his right to freedom of expression and must be immediately released. His case must be overturned.
On 22 September 2022, activist and poet Artyom Kamardin participated in a public poetry reading in Moscow Triumfalnaya Square. These readings, called the «Maykovsky Readings», have been held near the monument to the poet Vladimir Mayakovsky and continue the tradition of Soviet dissidents. The readings in September 2022 were held in protest against the mobilization declared the day before to replenish Russian troops fighting the war of aggression against Ukraine.
On 26 September 2022, armed police broke into the home of Artyom Kamardin and his partner Aleksandra Popova. The police did not let Artyom’s lawyer be present during the search. Based on information provided by Aleksandra Popova, the law enforcement officers tortured Artyom Kamardin, subjecting him to sexualised violence, filming it and making her watch the video. Then, they forced Artyom Kamardin on to his knees and made him record an «apology» video for his anti-war poem.
Aleksandra Popova was also tortured by the police officers, who attached stickers to her face with superglue, pulled out her hair and beat her, which, according to Aleksandra Popova, resulted in concussion and a head injury. She was also verbally abused and threatened with gang rape.
Artyom Kamardin was diagnosed with concussion, multiple bruises and other injuries, according to his lawyer. The authorities refused to hospitalize him.
A criminal case was opened against Artyom Kamardin and two other men, Yegor Shtovba and Nilkolay Daineko, who were also present at the Maykovsky Readings. They were charged with «incitement of hatred and enmity» (Article 282 (2) of the Criminal Code) and «public calls for actions directed against state security» (Article 280.4(3) of the Criminal Code). Nikolay Daineko entered a guilty plea and was sentenced to four years imprisonment in May 2023. On 28 December 2023, the Moscow Tverskoy District Court sentenced Artyom Kamardin to seven years imprisonment. Yegor Shtovba was sentenced to five and a half years imprisonment. Artyom Kamardin had some pre-existing back conditions prior to his arrest and sentencing which have deteriorated during his imprisonment. Since April 2024 he has been suffering from severe back pain. He also reported additional significant deterioration in his health, including headaches, nausea, dizziness, and tinnitus. His psychological state has been also affected and he has had disturbed sleep and other issues.
For several months, Artyom’s family tried unsuccessfully to get him medically examined. On 21 October 2024, Artyom was finally transferred to the hospital ward of another pretrial detention centre. However, no adequate medical examination was conducted due to the absence of the necessary equipment. The only treatment that Artyom Kamardin received was painkillers and vitamin injections. Artyom Kamardin was returned to the pretrial detention centre, but his condition did not improve. There are concerns that his health may further deteriorate during his transfer to a penal colony.
Sources close to Artyom Kamardin told Amnesty International that he had been subjected to harassment and ill-treatment during his pre-trial detention. His family also received information that Artyom Kamar-din had been threatened with further torture and ill-treatment during transfer to and after the arrival at a penal colony.
In Russia, torture and other ill-treatment in custody remains endemic. The perpetrators enjoy near total impunity.
Take action
Write an appeal in your own words or use the model letter below. You find a ready-to-print model letter under
→ AKTUELLE DOKUMENTE
→ Addresses see above in ADRESSEN
Please also take action on Social Media (guide see above).
→ SOCIAL MEDIA GUIDE
→ Please take action before 20 January 2025.
→ Preferred language: Russian, English. You can also write in your own language.