Ramadan Veliù © AI
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Asyl Ein Albtraum, verursacht durch Gleichgültigkeit

Rede von Ramadan Veliù anlässlich der Pressekonferenz von Amnesty International gegen das neue Ausländer- und Asylgesetz, 7.September 2006.
«Ich habe einen Albtraum durchlebt, verursacht durch eine Mischung aus Gleichgültigkeit, Verantwortungslosigkeit und Fremdenfeindlichkeit durch die Schweizer Behörden», erklärte Ramadan Veliù anlässlich einer Pressekonferenz von Amnesty International, wo er folgende Rede hielt . Sein Asylgesuch war von der Schweiz abgelehnt worden. Nach seiner Rückschaffung wurde er misshandelt und von einem serbischen Gericht zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, ehe er in der Schweiz doch noch als Flüchtling anerkannt worden ist.

«Im Oktober 1982 bin ich im Flughafen Zürich angekommen. Es war Sonntag. Wegen des Wochenendes musste ich in der Transitzone bleiben. Am Dienstag wurde ich nach Wien zurückgeschickt, weil ich bei der Anreise in dieser Stadt zwischengelandet war. Ich musste drei Tage in Wien bleiben. Am Freitag wurde ich wieder nach Zürich geflogen, wo mir mündlich mitgeteilt wurde, dass mein Asylgesuch von den Behörden in Bern abgelehnt worden sei und das ich am nächsten Tag nach Belgrad zurückkehren müsse.

«Sie werden in kein Land ausser Jugoslawien zurückkehren»

Ich habe keinen Rekurs gegen den negativen Entscheid eingereicht, weil ich aus der Transitzone keinen Rechtsvertreter kontaktieren konnte. Mein Onkel, der damals in Zürich gearbeitet hat, versuchte den Behörden meine Situation zu erklären, aber ohne Erfolg. Als ich versuchte, den Behörden meine Situation klar zu machen und sagte, dass ich nicht nach Belgrad zurückkehren könne, wurde mir geantwortet, die Schweiz sei ein kleines Land und könne nicht so viele Asylsuchende aufnehmen.

Ich habe darum gebeten, dass sie mich in ein Drittland ausreisen lassen. Die Kosten wollte ich selbst übernehmen. Aber sie reagierten sehr entschieden: «Sie werden in kein anderes Land als nach Jugoslawien zurückkehren.» Ich konnte nur wählen, ob ich in Handschellen oder frei zurückkehren wollte.

Als ich sah, dass ich keine Wahl hatte, schlug ich vor, mich mit einem Flug via Zagreb nach Belgrad zurückzuschaffen. Die Behörden zeigten sich einverstanden und ich kaufte zwei Flugtickets, eines nach Zagreb und ein zweites von Zagreb nach Belgrad. Dafür bezahlte ich über 600 Franken. Für die Übernachtung in der Transitzone des Flughafens musste ich 30 Franken bezahlen. Es war die dramatischste Nacht meines Lebens, ich habe kaum ein Auge zugetan.

Mit Gleichgültigkeit ein Leben zerstört

Ich konnte die Gleichgültigkeit der Schweizer Behörden nicht verstehen, mit der sie mein Leben zerstörten, meine Zukunft, meine Träume. Ich hatte das Gefühl, ich müsse schreien, aber was hätte es gebracht? Als ich meine Füsse auf Schweizer Boden gesetzt hatte, hatte ich gedacht, dass jetzt alles vorüber sei, dass ich ein neues Leben anfangen könne und dass ich eine helle Zukunft vor mir hätte.

Ich war begeistert von den Naturwissenschaften und ich hoffte, mein Physikstudium an der ETH fortsetzen zu können, wo auch mein Vorbild Albert Einstein studiert hatte. Mein Onkel hatte mir versprochen, mein Studium zu finanzieren, wenn ich in die Schweiz käme. Ich hatte sechs Monate Gefängnis und 18 Monate Leben im Untergrund hinter mir gelassen.

Ich war der festen Überzeugung, dass die Schweiz als demokratisches Land Menschen Schutz gewähren werde, die von diktatorischen Regimes verfolgt werden. Aber ich habe mich schwer getäuscht. Ich denke immer noch, dass meine Rückschaffung einen düstern Hintergrund hat.

Mit Faustschlägen und Fusstritten in Empfang genommen

Am nächsten Tag stieg ich, begleitet von Schweizer Polizisten, in ein Flugzeug. Ich wartete vergeblich auf die Landung in Zagreb. Die Schweizer Polizei hatte mir eine letzte Überraschung bereitet. Alles war nur ein Spiel gewesen, sie hatten mich auf einen Direktflug nach Belgrad gebracht, trotz unserer Abmachung vom Vortag.

Noch schlimmer, die serbischen Behörden waren über meine Rückkehr ins Bild gesetzt worden. Das erkannte ich an den erhöhten Sicherheitsvorkehrungen im Belgrader Flughafen. Mehrere Polizisten erwarteten mich. Als sie mich erblickten, stürzten sich sieben Polizisten auf mich.

Ich wurde mit Faustschlägen und Fusstritten gegen meinen Kopf, mein Gesicht und meinen Körper eingedeckt. Danach brachten sie mich in ein Büro, wo ich verhört wurde. Sie fuhren fort mich zu prügeln. Ein Polizist steckte mir seine Pistole in den Mund und sagte im Ernst, er werde mir alle neun Kugeln in den Mund jagen.

Misshandelt und zu acht Jahren Gefängnis verurteilt

Per Walky-Talky riefen sie weitere Kollegen herbei, «um einen Kosovo-Albaner zu vermöbeln». Später am Abend brachten sie mich auf einen Polizeiposten in der Stadt. Dort wurde mir ein besonders «feierlicher» Empfang bereitet. Der Kommandant dankte den Polizisten, die mich hingebracht hatten, für das «teure und seltsame Geschenk». Die ganze Nacht hindurch wurde ich verhört und geschlagen, geschlagen und verhört. Sie haben mir auch meine letzten 500 Franken gestohlen.

Die Phase der Strafuntersuchung dauert normalerweise drei bis sechs Monate. Bei mir dauerte diese Phase 14 Monate, eine Ewigkeit, während der ich der grässlichen Behandlung durch serbische Sicherheitsoffiziere ausgesetzt gewesen bin. Nach 14 Monaten fand ein gerichtliches Schnellverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ich durfte mich während zehn Minuten «verteidigen» und wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Die unmenschliche Behandlung ging also für lange Zeit weiter.

«Blocher verneint eine grausame Wirklichkeit»

Herr Blocher spricht von einem einzigen Fehlentscheid. Er lügt, das ist klar, weil ich der zweite Fall bin. Und sicher gibt es noch weitere. Aber es ist mir wichtig zu sagen: Ich bin nicht nur eine Zahl für die eine oder für die andere Seite im Abstimmungskampf. Ich habe einen Albtraum durchlebt, verursacht durch eine Mischung aus Gleichgültigkeit, Verantwortungslosigkeit und Fremdenfeindlichkeit durch die Schweizer Behörden.

Ich beklage mich nicht über die Schweizer Bevölkerung, aber über die Behörden von damals und diejenigen von heute, die das Gleiche tun würden oder tun könnten. Durch seine Unwahrheiten und sein bewusstes Verschweigen von Fällen, in denen Fehlentscheide gefällt wurden und seine Reden über den Missbrauch verneint Herr Blocher meine grausame Wirklichkeit.

Die politischen Ziele, die auf diesem Weg erreicht werden sollen, sind für mich ethisch fragwürdig. Er will so eine gesetzliche Grundlage schaffen, um Fälle wie den meinen systematisch behandeln zu können.

Noch heute spüre ich die Nachwirkungen meiner Wegweisung. Physisch fühle ich mich vollkommen kaputt, ich bin ständig müde und habe chronische Schmerzen im Körper ohne klare Ursache. Psychische Symptome sind chronische Schlaflosigkeit, Konzentrationsmängel, unklares Denken, chronische starke Kopfschmerzen und Albträume.»