Schweiz Jetzt ist Zeit für eine bessere Asylpolitik

Unter dem Motto «Jetzt ist Zeit» präsentieren Amnesty International und die Schweizerische Flüchtlingshilfe neun Vorschläge für ein faires, glaubwürdiges und effizientes Asylverfahren. Zu den wichtigsten Punkten gehören kurze Verfahren mit einem unabhängigen Rechtsschutz für Asylsuchende, eine menschenwürdige Unterbringung mit professioneller Betreuung, Rückkehrhilfen, der weitgehende Verzicht auf Zwangsausschaffungen und eine Qualitätskontrolle durch die Zivilgesellschaft.

Amnesty International und die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) sind überzeugt, dass es eine faire, effiziente und glaubwürdige Asylpolitik nur dann geben kann, wenn die Politik ausbricht aus dem Teufelskreis von Asylgesetz-Revisionen und den dagegen lancierten Referenden. Die ständigen Verschärfungen der vergangenen Jahre hätten keine Abschreckungswirkung erzielt, sondern lediglich negative Folgen für Flüchtlinge und deren Integration in der Schweiz gehabt, sagt Manon Schick, Geschäftsleiterin von Amnesty International Schweiz. Sie ist überzeugt, dass es eines Paradigmenwechsels bedarf, um eine bessere Asylpolitik zu machen, die in der Schweizer Bevölkerung auch auf Zustimmung trifft.

Diesen Paradigmenwechsel wollen die beiden Organisationen mit einem Neun-Punkte-Plan einleiten, der unter dem Motto «Jetzt ist Zeit» konkrete Vorschläge für eine faire und menschenwürdige Asylpolitik enthält. Er geht von der Prämisse aus, dass das Asylverfahren nicht der Migrationssteuerung dient, sondern dem Flüchtlingsschutz. Die Behörden dürften deshalb nicht nur aussichtslose Fälle priorisieren, Fälle mit absehbar positivem Ausgang müssen ebenfalls zügig bearbeitet werden, um die Integrationschancen der Betroffenen zu erhöhen. Das Verfahren muss dazu effizienter, fairer und transparenter werden, fordert Susanne Bolz von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Nötig sind klar geregelte Abläufe mit verbindlichen aber realistischen Fristen für alle Beteiligten. Asylsuchende sollten sich auf das Verfahren vorbereiten dürfen und die nötigen Informationen erhalten. Ausserdem müssen sie von unabhängigen und professionellen Rechtsvertretern begleitet werden. Der Rechtsschutz darf nicht länger als nötiges Übel wahrgenommen werden, sondern als zwingendes Element eines fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens, fordert die Flüchtlingshilfe. Das Verfahren müsse transparent und die Zivilgesellschaft bei allen Verfahrensschritten präsent sein. Dies verlange einen Haltungswechsel und Dialogbereitschaft  auf Seiten der Behörden.

Eine dezentrale und menschenwürdige Unterbringung von Asylsuchenden gehört zu den wichtigsten Forderungen von Denise Graf, Asylexpertin bei Amnesty Schweiz. Den spezifischen Bedürfnissen von Familien, traumatisierten und kranken Personen müsse Rechnung getragen werden. Eine professionelle Betreuung mit einer Tagesstruktur und Beschäftigungsprogrammen würden nicht nur die Integration fördern, sondern auch die Sicherheit erhöhen. Dies belegten Beispiele in Chiasso und Vallorbe. Abgewiesene Asylsuchende müssten zudem eine Rückkehrberatung und -hilfe erhalten. Auch hier gebe es laut Denise Graf bereits Erfahrungen, die die Wirksamkeit dieses Vorgehens belegten. Beim Rückkehrprojekt im Rahmen des Migrationsdialogs Schweiz-Nigeria beispielsweise hätten 90% der abgewiesenen Asylsuchenden davon profitiert und seien tatsächlich in ihr Heimatland zurückgekehrt. Damit könnten auch Kosten gesenkt werden. «Ein respektvoller, menschlicher Umgang mit den Menschen, die zu uns fliehen, muss in einem fairen und glaubwürdigen Asylverfahren Priorität haben. Dies ist der beste Beitrag zum sozialen Frieden und zur Meisterung dieser Aufgabe. Unsere Gesellschaft kann davon nur profitieren», so Denise Graf.

Weltweit gibt es heute ungefähr 15 Millionen Flüchtlinge, die ausserhalb ihres Herkunftslandes Zuflucht suchen, nur 2,3 Prozent von ihnen beantragen Asyl in Europa. Diese Zahlen führt der langjährige UNHCR-Mitarbeiter Joel-Noel Wetterwald an, um die «Flüchtlingsproblematik» in der Schweiz in Relation zu setzen. Die meisten Asylgesuche habe es im vergangenen Jahr in Südafrika gegeben (rund 100‘000) und nicht etwa in Europa (320‘000). Bereits jetzt wollten Staaten Asylverfahren einführen, die sich am Schweizer oder europäischen Modell orientieren, so Wetterwald weiter. Dabei gehe es nicht in erster Linie darum, Flüchtlingen Schutz zu bieten, sondern sie so schnell wie möglich auszuweisen, selbst wenn in den Herkunftsländern Menschenrechte nicht ausreichend respektiert werden. Sein Fazit: Eine Erosion des Asylrechtes auf globaler Ebene würde die aktuellen Probleme der Schweiz und Europas noch verschärfen. Unsere Regierung hätte daher die schwierige Verantwortung, auf nachvollziehbare Befürchtungen der Bürgerinnen und Bürger zu reagieren, ohne dabei ein Modell zu stärken, das man nicht anderswo kopiert sehen möchte.

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Neun Lösungsvorschläge für ein faires, glaubwürdiges und effizientes Asylverfahren

Manon Schick, Geschäftsleiterin Amnesty Schweiz

Susanne Bolz, Leiterin Protection, Schweizerische Flüchtlingshilfe

Denise Graf, Flüchtlingskoordinatorin, Amnesty Schweiz

Jean Noel Wetterwald, langjähriger Mitarbeiter UNHCR

Medienmitteilung veröffentlicht: 13. November 2012
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