Die Zahl der Asylsuchenden in der Schweiz hat im Oktober nochmals leicht zugenommen (um 4750 Menschen, 206 mehr als im September). Nachdem immer mehr europäische Länder sich mit Grenzzäunen gegen Flüchtlinge abschotten, ist auch nicht zu erwarten, dass die Zahl der Menschen, die in der Schweiz Schutz suchen, geringer wird. Deswegen den Notstand auszurufen, wie das manche gerne tun, ist dennoch verfehlt: Noch beträgt der Anteil der Menschen im Asylwesen hierzulande gerade mal 1% der Bevölkerung, während etwa im Libanon jeder Vierte ein Flüchtling ist.
Trotzdem wird derzeit heftig über Notfallkonzepte und die Einsetzung des seit 2011 für ausserordentliche Situationen im Asyl- und Migrationsbereich vorgesehenen Sonderstabs diskutiert. Das ist nicht völlig falsch: Die Schweiz muss und soll sich vorbereiten auf grössere Zahlen von Flüchtlingen, die hier Schutz suchen werden und von ihrem Menschenrecht auf Asyl Gebrauch machen. Hierzu müssen Bund, Kantone, NGOs und die Zivilbevölkerung zusammenarbeiten. Doch im Zentrum der gegenwärtigen flüchtlingspolitischen Konzepte müssen auch in der Schweiz die rasche unkomplizierte Bereitstellung von Aufnahmekapazitäten, die Gewährleistung effizienter, aber fairer Verfahren sowie Massnahmen zur langfristigen Unterbringung und Integration stehen.
Namentlich fordert Amnesty International
- Die Ermöglichung sicherer und legaler Fluchtwege unter anderem durch die grosszügige Gewährung von Botschaftsasyl, humanitären Visa und erleichtertem Familiennachzug mit erweitertem Familienbegriff, sowie die Beteiligung an Resettlement-Programmen des UNHCR.
- Die Bereitstellung von deutlich mehr Aufnahmekapazitäten, etwa durch proaktive Akquisition von leerstehenden Gebäuden oder die Öffnung staatlicher Einrichtungen.
- Die Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen bei Privaten ohne unnötige bürokratische Hürden.
- Die finanzielle und logistische Unterstützung beim Ausbau von Aufnahmekapazitäten und dem Aufbau eines fairen Asylsystems in den europäischen Grenzländern und die Beteiligung an der Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen auf den Fluchtrouten.
- Die Sistierung von Rückschaffungen nach Griechenland, Italien und Ungarn gemäss dem Dublin-System.