Der grösste Teil der Flüchtlinge in Nigeria sind intern Vertriebene, wie hier in Yola. Diese Frauen flohen vor den Boko Haram. © Sunday Alamba
Der grösste Teil der Flüchtlinge in Nigeria sind intern Vertriebene, wie hier in Yola. Diese Frauen flohen vor den Boko Haram. © Sunday Alamba

Zahlen, Fakten und Hintergründe Flüchtlinge aus Nigeria in der Schweiz

27. November 2017
Die Anzahl der Binnenvertriebenen ist in Nigeria immens hoch – rund 2'219'272 NigerianerInnen suchten Schutz in ihrem eigenen Land. 54'931 Menschen aus Nigeria sind im Jahr 2016 geflohen und haben einen Asylantrag in anderen Ländern gestellt. Die häufigsten Aufnahmeländer waren Italien, Deutschland und Südafrika. In der Schweiz befanden sich Ende 2016 2444 Personen aus Nigeria.

Anzahl Asylsuchende 2016: 1106 Personen (+14% gegenüber 2015);
Anerkennungsquote, d. h. als Flüchtlinge anerkannt: 3 Personen (0,3 %);
Vorläufige Aufnahmen, da eine Wegweisung illegal/unzumutbar ist: 6 Personen (0,6 %).

Im ersten Halbjahr 2017: 354 Personen (-45.9% gegenüber Vorjahr);
Anerkennungsquote, d.h. als Flüchtlinge anerkannt: 1 Person (0,4%);
Vorläufige Aufnahmen, da eine Wegweisung illegal/unzumutbar ist: 10 Personen (3,5%).

 

Diverse Konflikte erschüttern Nigeria. Boko Haram kämpft seit Jahren für die Errichtung eines islamischen Gottesstaats im mehrheitlich muslimischen Nordosten Nigerias. Der seit 2011 anhaltende Konflikt zwischen dem nigerianischen Militär und der bewaffneten Gruppe Boko Haram hat bereits mindestens 20'000 Menschen Opfer gefordert. 2,6 Millionen Menschen wurden durch die Gewalt in die Flucht getrieben. Die bewaffnete Gruppe Boko Haram begeht zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Neben brutalen Gewaltakten gegenüber der lokalen nigerianischen Bevölkerung, steht die Gruppe auch unter starkem Verdacht, in Menschenhandel und Sexsklaverei involviert zu sein. Als Reaktion auf die Angriffe von Boko Haram geht das Militär mit willkürlichen Festnahmen, Inhaftierungen, Misshandlungen und außergerichtlichen Hinrichtungen gegen mutmassliche Boko-Haram-Kämpfer vor.

Der Konflikt führte in Nordnigeria zu einer der schwersten humanitären Krise des Kontinents. Durch die Unruhen wurde die Region destabilisiert, so dass die Landwirtschaft und jegliche wirtschaftliche Aktivität zusammengebrochen sind. Die Uno geht davon aus, dass von den 14 Millionen Einwohnern der vom Konflikt betroffenen Gegenden Nigerias die Hälfte akut vom Hunger bedroht ist. 62,6 Prozent der knapp 170 Millionen NigerianerInnen leben nach Angaben des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) unter der Armutsgrenze.

Tiefe Anerkennungsquote in der Schweiz

Bei Asylgesuchen von NigerianerInnen kommt das sogenannte Fast-Track-Verfahren des Staatssekretariats für Migration (SEM) zur Anwendung. Da NigerianerInnen – trotz der prekären Lage in ihrem Heimatland – in der Schweiz kaum Chance auf Asyl haben, werden die Gesuche in einem Schnellverfahren abgehandelt. Fast alle werden kurze Zeit nach ihrer Ankunft in der Schweiz wieder weggewiesen.

Die Zahlen zeigen jedoch, dass eine Rückkehr für die meisten keine Option ist und sie nach dem negativen Entscheid untertauchen. Ein Grossteil der Untergetauchten verlässt die Schweiz jedoch wieder und versucht in einem anderen Land ihr Glück. Andere leben fortan in Nothilfezentren in der Schweiz in ständiger Angst vor Polizeikontrollen und Ausschaffungshaft.

 

Zur Menschenrechtslage in Nigeria

Die in Nigeria vorherrschende Gewalt und die Straffreiheit der Gewaltakteure führen zu einer schlechten Menschenrechtslage. Sicherheitskräfte, Milizen und bewaffnete Gruppen sind in Menschenrechtverletzungen involviert.

Die Rede-, Bewegungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit wie auch die Religionsfreiheit sind stark eingeschränkt. Die Regierung lässt JournalistInnen und BloggerInnen festnehmen und inhaftieren. Einige von ihnen befinden sich ohne Verfahren in Haft. Friedliche Proteste und Versammlungen werden gewaltsam aufgelöst, in einigen Fällen unter Anwendung exzessiver Gewalt.

Gewalt zwischen ethnischen und religiösen Gruppen stellt zudem ein dringendes Problem dar. In zahlreichen Landesteilen kommt es regelmässig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen. In vielen Fällen spielten Konflikte um Land- und Weiderechte zwischen nomadischen ViehhirtInnen und sesshaften Bauern und Bäuerinnen eine Rolle.

Die Situation von LGBTI-Personen ist in Nigeria sehr problematisch. Das Gesetz zum Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen sieht hohe Strafen vor. Die Polizei nimmt regelmäßig Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle fest. Männer, die für homosexuell gehalten werden, laufen der Gefahr, Opfer von Angriffen aufgebrachter Menschenmengen und von Erpressungen zu werden.

Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen sind weit verbreitet. Nigerianische Frauen erleiden unterschiedliche Formen von Gewalt aufgrund der patriarchalen Struktur der nigerianischen Gesellschaft. Ein grosses Problem in Nigeria stellt zudem Menschenhandel dar. Nigerianerinnen werden nach Europa, Russland, in den arabischen Raum und in andere afrikanische Länder als Zwangsarbeiterinnen, Haussklavinnen und Prostituierte gebracht. Den meisten Frauen werden falsche Versprechungen gemacht: ihnen wird Arbeit in einem luxuriösen Haushalt in Aussicht gestellt, stattdessen werden die Frauen und Mädchen in die Prostitution gezwungen. NGOs schätzen, dass sich in Europa mittlerweile über 50'000 Nigerianerinnen prostituieren. Die Frauen aus dem westafrikanischen Land führen die EU-Statistiken von aussereuropäischen Menschenhandelsopfern deutlich an.