Europa ist moralisch und rechtlich verpflichtet, Menschen zu schützen, die auf der Flucht vor Konflikten und Verfolgung sind. © Giorgos Moutafis
Europa ist moralisch und rechtlich verpflichtet, Menschen zu schützen, die auf der Flucht vor Konflikten und Verfolgung sind. © Giorgos Moutafis

Asyl Es braucht eine Lösung für die in Griechenland festsitzenden Flüchtlinge

15. Dezember 2016
Europa muss anlässlich des jüngsten Gipfels der Staats- und Regierungschefs dringend einen funktionierenden Plan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise entwickeln. Die europäischen Regierungen lassen die Flüchtlinge, die auf der Suche nach Schutz an ihren Grenzen ankommen, im Stich.

Anstatt sich der zur Verfügung stehenden Instrumente zu bedienen, um einen angemessenen Anteil der weltweit auf der Flucht befindlichen Menschen aufzunehmen, ist Europa zunehmend bemüht, über entsprechende Deals dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge in anderen Ländern stecken bleiben. Dazu gehört auch der EU-Türkei-Deal, der uns in seiner Unvollkommenheit auf schmerzhafte Weise vor Augen führt, dass das Festhalten von Flüchtlingen auf den griechischen Inseln nicht funktioniert.

Die Vereinbarung der EU mit der Türkei: Ein Angriff auf den Schutz der Flüchtlinge

Unter all den gescheiterten migrationspolitischen Massnahmen Europas sticht der EU-Türkei-Deal als besonders schwerer Angriff auf das internationale System für den Schutz von Flüchtlingen hervor.

Die Vereinbarung sieht vor, dass alle Asylsuchenden, die über die Türkei auf die griechischen Inseln gelangen, wieder in die Türkei zurückzuführen sind. Dabei wird fälschlicherweise vorausgesetzt, dass ihre Rechte als Flüchtlinge dort respektiert werden. Im Gegenzug erklärte sich Europa – zumindest in der Theorie – einverstanden, für jeden syrischen Flüchtling, der in die Türkei zurückgeschickt wird, einen syrischen Asylsuchenden aus der Türkei anzunehmen. 

Aufgrund rechtlicher Probleme wurden bisher keine Personen, die in Griechenland ein Asylgesuch stellten in die Türkei zurückgeschickt. Aber niemand weiss, wie lange das so bleibt. In der Zwischenzeit treffen jede Woche Hunderte Flüchtlinge und MigrantInnen ein, auch wenn ihre Zahl seit Inkrafttreten des Abkommens beträchtlich gesunken ist.

Seither bleiben alle Neuankömmlinge auf den griechischen Inseln, wo akute Überfüllung, entsetzliche Lebensbedingungen und absolute Hoffnungslosigkeit herrschen.

«Lasst uns hier so schnell wie möglich raus…»
B.K.D., ein 17-jähriger syrischer Kurde, Lager Souda, Chios, Griechenland.

Die menschlichen Kosten des Deals

Nur neun Monate nach ihrem Inkrafttreten sind die menschlichen Kosten dieser Vereinbarung auf den griechischen Inseln, wo Zehntausende Flüchtlinge festsitzen, hinreichend klar geworden.

Das Bemühen, Flüchtlinge willkommen zu heissen und die dazu erforderlichen Ressourcen bereitzustellen, ist zu Inhaftierung und Abschreckung verkommen und läuft auf ein beschleunigtes Erteilen negativer Asylbescheide hinaus.

«Ich hab‘ Irak verlassen, weil es dort viele Probleme gab … Sie haben meinen Bruder ohne jeden Grund getötet … Mein Vater wurde von einer Kugel in den Kopf getroffen … Wir sind nach Europa gekommen, weil wir einen sicheren Ort brauchen.»
Khadeega Shannanh, irakischer Flüchtling, 18 Jahre, Chios, Greece

Das Versagen und die menschlichen Kosten des EU-Türkei-Deals sollten als Warnung dienen vor weiteren Abkommen mit anderen Ländern, deren Regierung die Bereitschaft dazu signalisiert.

«Wir befinden uns mitten in Europa, und doch leben wir in Zelten und sind ohne Schutz.»
Majd und Manal flohen mit ihren beiden Töchtern aus Aleppo

Zeit für einen echten Deal

Die Vereinbarung der EU mit der Türkei ist als Konzept für den Umgang mit der weltweiten Flüchtlingskrise ungeeignet. Europa ist moralisch und rechtlich verpflichtet, Menschen zu schützen, die auf der Flucht vor Konflikten und Verfolgung sind. Diese Verantwortung darf nicht einfach an andere Länder ausgelagert werden. Der Preis, den Europa – und die Flüchtlinge – dafür zahlen müssen, ist zu hoch.

Es ist an der Zeit, dass die europäischen Regierungen das Richtige tun. Sie müssen dringend einen wirksamen Plan für die Unterstützung von Flüchtlingen umsetzen, der auf den Prinzipien von Schutz, gemeinsamer Verantwortung und Völkerrecht beruht.

Statt Flüchtlingen weiterhin unkontrolliert und auf gefährlichen Wegen nach Europa flüchten zu lassen, wovon vor allem kriminelle Schlepperbanden profitieren, muss eine ordentliche und vor allem sichere Ankunft von Flüchtlingen ermöglicht werden.

Auf dem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in dieser Woche müssen die Staatsoberhäupter einen Plan vereinbaren, der Folgendes leisten kann:

  • Der Katastrophe auf den griechischen Inseln ein Ende setzen und die Menschen unverzüglich aus Griechenland herausholen
  • Die Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen auf ganz Europa verteilen
  • Flüchtlinge möglichst schnell mit ihren bereits in Europa lebenden Familien zusammenführen