Flüchtlinge EU-Pläne zur Migrationskontrolle sind inakzeptabel

27. Juni 2016
Mehr als 100 NGOs haben am 27. Juni vor einem dunklen Kapitel in der Geschichte der Europäischen Union gewarnt, sollte die EU die neuen Pläne der Europäischen Kommission zur Migrationskontrolle nicht zurückweisen.

Mit einer Aussenpolitik, die zunehmend auf eine Eindämmung der Migration abzielt, laufen die EU und ihre Mitgliedstaaten Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit und Autorität bei der Verteidigung der Menschenrechte noch weiter zu unterlaufen, so die Organisationen. Sie appellieren an die europäische Führung, den neuen Vorschlag der EU-Kommission abzulehnen, der genau diesen Ansatz zementiert und die Abschreckung und Rückführung von Personen in den Mittelpunkt der EU-Beziehungen mit Drittländern stellt.

Im Rahmen der neuen Pläne sollen Finanzmittel, die für Entwicklungszusammenarbeit, Handel und andere Zwecke zur Verfügung stehen, Drittländer dazu bringen, Migrantinnen und Migranten an der Weiterreise nach Europa zu hindern. Die Pläne wurden Anfang Juni von der EU-Kommission vorgelegt und sollen diese Woche auf dem EU-Gipfel in Brüssel besprochen werden. Sie sind an das EU-Türkei-Abkommen angelehnt, im Zuge dessen nun Tausende Menschen unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen in Griechenland festsitzen. Besonders stark betroffen sind Kinder: Hunderte unbegleitete Minderjährige werden derzeit unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten oder sind gezwungen, in Polizeizellen zu übernachten.

Unterzeichner der Erklärung sind 104 Organisationen aus den Bereichen Menschenrechte, humanitäre Hilfe, Medizin, Migration und Entwicklungszusammenarbeit. Sie zeigen sich äusserst besorgt darüber, dass Europa mit den neuen Plänen riskiert, seine Aussenpolitik im Bereich der Menschenrechte zu torpedieren und auf internationaler Ebene das Recht, Asyl zu suchen, untergraben. Derzeit sind für Abkommen mit Ländern, die von der EU als strategisch hilfreich erachtet werden, um Migration nach Europa zu stoppen, keine Schutzmechanismen vorgesehen, um sicherzustellen, dass in diesem Zusammenhang menschenrechtliche und rechtsstaatliche Standards eingehalten und angemessene Schutzmassnahmen ergriffen werden. Damit ergibt sich ein hohes Risiko von Verstössen gegen das Völkerrecht, welches Zurückweisungen (Pushbacks) von Personen in Länder, in denen ihnen Menschenrechtsverletzungen drohen, verbietet. In der Erklärung heisst es: «Verantwortung und Haftung für Menschenrechtsverletzungen enden nicht an den europäischen Aussengrenzen.»

Darüber hinaus lässt der Vorschlag der EU-Kommission alle Belege dafür ausser Acht, dass Strategien zur Migrationsabschreckung wirkungslos sind. Mit dem gegenwärtigen Ansatz der EU wird es auch nicht gelingen, das «Geschäftsmodell der Schlepper zu zerschlagen». Vielmehr wird die Lage für viele schutzsuchende Menschen dadurch noch verschärft, weil sie sich auf gefährlichere Routen begeben müssen, um nach Europa zu gelangen.

Der NGO-Zusammenschluss befürchtet, dass die EU-Pläne zu einer Neuausrichtung der europäischen Entwicklungszusammenarbeit hin zur Migrationseindämmung führen. «Dies ist ein inakzeptabler Widerspruch zu dem Bekenntnis der EU, die Entwicklungszusammenarbeit zur Beseitigung der Armut einzusetzen», so die Organisationen in ihrer gemeinsamen Erklärung.

Die Organisationen warnen davor, dass Abkommen zum «Migrationsmanagement» mit Ländern, in denen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden, langfristig kontraproduktiv sein werden. Solche Abmachungen führen laut Angaben der NGOs dazu, dass «die Menschenrechte weltweit untergraben werden und der Kreislauf von Menschenrechtsverstössen und Unterdrückung, der Menschen zur Flucht zwingt, nur noch weiter befeuert wird».

Die NGOs fordern die europäische Führung daher auf, den Vorschlag der EU-Kommission für neue Pläne zur Migrationskontrolle abzulehnen. Stattdessen sollten die europäischen Länder eine nachhaltige und langfristige Strategie ausarbeiten, wie mit Migrationsbewegungen umgegangen werden kann. «Die EU ist ein Projekt, das aus den Trümmern eines verheerenden Krieges entstanden ist. Jetzt steht sie kurz davor, ein dunkles Kapitel in ihrer eigenen Geschichte zu schreiben», so die Organisationen in ihrer gemeinsamen Erklärung.

Die gemeinsame Erklärung der 110 NGOs an die Europäische Führung  (in englischer Sprache)