In den Medien wird täglich von Syrien berichtet – aber nur ganz selten hören wir direkt von den betroffenen Menschen. Fünf Jahre nach Beginn der gestohlenen Revolution in Syrien und rund um den Internationalen Frauentag vom 8. März organisierte Amnesty International eine Veranstaltungsreihe mit zwei syrischen Frauenflüchtlingen. Die beiden waren aufgrund ihres Engagements für die Menschenrechte inhaftiert worden und mussten später ihr Land verlassen.
Friedliche Aktivistinnen im Gefängnis
Das Interesse war gross – es kamen über 1350 Leute an die neun Veranstaltungen. Aufmerksam hörten sie den Schilderungen der zwei Aktivistinnen zu. Raneem Ma’touq, eine junge Kunststudentin, hat zu Beginn der Revolution geholfen, friedliche Demonstrationen in Syrien zu organisieren. Sie führte verschiedene Projekte mit Kindern durch, um ihnen einen Alltag abseits der Schrecken des bewaffneten Konfliktes zu ermöglichen. Dafür musste sie von Februar bis Juni 2014 ins Gefängnis. Dort traf sie auf 800 weitere Frauen im Alter von 13 bis 86 Jahren, welche alle aufgrund ihres friedlichen Engagements oder aufgrund von Aktivitäten ihrer Familienmitglieder inhaftiert worden waren. Nach ihrer Entlassung wurde sie von den Sicherheitskräften so stark unter Druck gesetzt, dass sie nach Libanon floh – mit dem Risiko, an der Grenze erneut inhaftiert zu werden. Nach vier Monaten im Libanon konnte sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Deutschland fliegen, wo sie seit etwas mehr als einem Jahr als Flüchtling lebt. Ihr Vater, ein berühmter Menschenrechtsanwalt, wurde vor über drei Jahren zwangsverschleppt. Seither fehlt jede Spur von ihm.
Drei Familienmitglieder in drei verschiedenen Ländern
Amal Nasr, eine Frauenrechtsaktivistin, engagierte sich seit den 90er Jahren in Syrien in verschiedenen Organisationen für die Rechte der Frauen. Später führte sie diverse Projekte mit Frauen durch, um den Frieden in Syrien zu fördern. Auch sie wurde aufgrund ihres Engagements für mehrere Monate ins Gefängnis gesteckt, wo sie unter schrecklichen Bedingungen ausharren musste. Auch ihr Mann war im Gefängnis. Nachdem beide frei gekommen waren, beschlossen sie, Syrien zu verlassen, um ihre einzige Tochter vor einer Inhaftierung zu schützen. Amal Nasr kam in die Schweiz, ihrem Mann gelang die Flucht in die Tschechische Republik. Nach über einem Jahr der Trennung durfte er in die Schweiz zu ihr kommen. Ihrer 20-jährigen Tochter hingegen wir die Ausreise aus Syrien verweigert.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Die beiden Frauen möchten den Menschen in Europa aufzeigen, warum so viele Syrerinnen und Syrer gezwungen sind, ihr Land zu verlassen. Raneem Ma’touq sagt: «Wir sind stolz, euch einen Teil unserer Geschichte weitergeben zu können. Es ist sehr schwer zu ertragen, aber wenn ich euch hier sehe – so viele Menschen, die uns hören, die uns zuhören – geht es mir besser».
Sie fordern das Publikum dazu auf, Druck auf Regierungen auszuüben, um die Friedensverhandlungen voranzutreiben. Beide wünschen sich nichts sehnlicher, als in ein paar Jahren wieder nach Syrien zurückkehren zu können. Amal sagt dazu an einer Veranstaltung an der Uni: «Ich wünsche mir, dass ich in ein paar Jahren in Syrien vor vielen syrischen Studentinnen sitze und zu ihnen spreche, so wie wir es hier tun». Auch wenn das Erlebte schwer zu ertragen ist und viele Berichte von Verwandten und Bekannten nicht positiv stimmen, so haben beide Frauen die Hoffnung auf eine friedliche Lösung in Syrien nicht aufgegeben: «Wenn ich sehe, wie seit dem fragilen Waffenstillstand die syrische Bevölkerung wieder wie 2011 auf die Strasse geht und friedlich mit den Fahnen der Revolution demonstriert, dann gibt mir das Hoffnung», sagt Amal Nasr, deren Namen nichts anderes als «der Sieg der Hoffnung» bedeutet.