Amnesty International ruft zu einer globalen gemeinschaftlichen Aktion auf, um das Leben und die Gesundheit von Geflüchteten, Migrantinnen und Migranten zu schützen.
«Es ist unmöglich, dieses Virus konsequent einzudämmen, wenn weltweit so viele Menschen in überfüllten, unhygienischen Lagern und Haftanstalten leben», sagt Iain Byrne, Leiter des Teams für Rechte von Geflüchteten und MigrantInnen von Amnesty International. «In Zeiten wie diesen müssen wir mehr denn je zusammenhalten und Solidarität zeigen. Stattdessen wurden lebensnotwendige Lieferungen von Nahrungsmitteln und Wasser blockiert, Menschen willkürlich eingesperrt und sogar zurück in die Gefahr geschickt, wo ihnen Tod oder Verfolgung drohen.
«In vielen Flüchtlingslagern ist der Hungertod Berichten zufolge mittlerweile eine grössere Bedrohung als das Virus selbst.» Iain Byrne, Leiter des Teams für Rechte von Geflüchteten und MigrantInnen von Amnesty International
«In vielen Flüchtlingslagern ist der Hungertod Berichten zufolge mittlerweile eine grössere Bedrohung als das Virus selbst. Geflüchtete und MigrantInnen werden im Stich gelassen, anstatt sie zu schützen – dabei haben sich Staaten auf der ganzen Welt dazu verpflichtet. Wir müssen jetzt gemeinsam unverzüglich Massnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass dies zu einer menschenrechtlichen Katastrophe wird.»
Amnesty International fordert, dass
- Menschen in Lagern, Haftanstalten und Quarantäne ausreichend mit Lebensmitteln, Wasser, Hygiene-Produkte sowie Medizin versorgt werden;
- Regierungen eine vorübergehende Legalisierung des Aufenthaltsstatus aller Menschen unabhängigen von ihrem rechtlichen Status erwägen;
- Asylsuchende und Geflüchtete uneingeschränkten Zugang zu Sozialleistungen haben;
- Resettlement-Programme ausgebaut werden;
- Menschen in Lagern, Haftanstalten und informellen Siedlungen in Sicherheit gebracht werden, sollten diese überfüllt sein oder hygienische Bedingungen nicht erfüllen;
- Unterkünfte mit Zugang zu Gesundheitsversorgung, Lebensmitteln und Wasser zur Verfügung gestellt werden;
- Menschen in Haft freigelassen werden, wenn ihre Gesundheit und ihr Leben in der Haft nicht geschützt werden können;
- das Recht auf Asyl und der Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement-Verbot) respektiert und aufrechterhalten werden.
Lage spitzt sich weltweit zu
Die Ausgangsbeschränkungen haben die Situation von Menschen verschlimmert, die bereits vor der Krise unter katastrophalen und unmenschlichen Bedingungen leben mussten. Millionen von Menschen sind nun einem erhöhten Risiko von Hunger und Krankheit ausgesetzt. Hinzu kommt, dass diverse Regierungen diskriminierende und fremdenfeindliche Massnahmen ergriffen haben, die die Gesundheit und das Leben von Tausenden Geflüchteten und MigrantInnen bedrohen.
Diverse Regierungen haben diskriminierende und fremdenfeindliche Massnahmen ergriffen , die die Gesundheit und das Leben von MigrantInnen bedrohen.
So wurde zum Beispiel die Wasserversorgung im bosnischen Lager Vucjuk von den örtlichen Behörden absichtlich unterbrochen, um die Umsiedlung der BewohnerInnen im Lager zu erzwingen.
Im jordanischen Lager Zaatari hindern die Ausgangssperren die Menschen daran, überhaupt zu arbeiten, d. h. es gibt keine Nahrung und keinen Zugang zu Einkommen, um auch nur das Nötigste zu bezahlen.
Im April hatten die BewohnerInnen der temporären Lager in den französischen Siedlungen von Calais aufgrund der Abriegelungen keinen Zugang zu Lebensmitteln und Wasser. Aufgrund der Ausgangssperren konnten sie nicht selbst einzukaufen, selbst wenn sie Geld dafür hatten.
Auch die Lagern auf den griechischen Inseln sind nach wie vor überfüllt – auch wenn die Regierung in Griechenland angekündigt hat, ein paar Hundert Menschen aus den Lagern aufs Festland zu bringen.
Regierungen auf der ganzen Welt haben im Zuge der Ausbreitung von Covid-19 weiterhin Menschen, die Asyl suchen, unnötig inhaftiert. Dadurch sind diese Menschen dem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich mit dem Virus zu infizieren. Es gibt nicht genügend Tests und Schutzausrüstungen für Personal und für die Inhaftierten. Dadurch könnten die Situation in Lagern und Haftanstalten eskalieren, die Krankheit könnte sich weiter ausbreiten.
Menschen, die in Australien in Haftanstalten für MigrantInnen gehalten werden, betteln um ihre Freilassung, weil sie Angst haben, dass Personal, dem keine Persönliche Schutzausrüstung (PSA) ausgestellt wurde, unwissentlich das Virus einschleppen könnte.
Andere Regierungen verstossen gegen das Völkerrecht, indem sie Menschen unter dem Vorwand, Covid-19 einzudämmen, in die Gefahr zurückgedrängt haben: Die USA haben beispielsweise zwischen dem 20. März und dem 8. April innerhalb von zwei Stunden nach ihrer Ankunft auf US-Boden 10'000 Menschen zurückgeschickt.
Malaysia verwehrte einem Boot mit geflüchteten Rohingya die Einreise. Die Behörden in Bangladesch liessen es schliesslich landen, Berichten zufolge sind jedoch mindestens 30 Menschen gestorben, während das Boot zwei Monate lang auf hoher See herumtrieb.
Hintergrund
Menschen in Länder zurückzuschicken, in denen ihnen Verfolgung, Folter oder eine andere grausame oder erniedrigende Behandlung drohen, verstösst nach dem Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Verbot). Dieser Grundsatz gilt ausnahmslos. Staaten auf der ganzen Welt haben sich zu diesem Grundsatz verpflichtet.