Im neuen Bericht «Daring to Stand up for Human Rights in a Pandemic» dokumentiert Amnesty, wie Regierungen in 46 Ländern während der Covid-19-Pandemie gegen Menschenrechtsverteidiger und -verteidigerinnen vorgehen oder diesen jeglichen Schutz versagen. Im Zentrum stehen dabei Länder, in denen Journalistinnen, Menschenrechtsanwälte, Aktivistinnen und Kritiker unter teilweise desaströsen sanitären und humanitären Bedingungen im Gefängnis schutzlos der Pandemie ausgesetzt bleiben und von pandemiebedingten Amnestierungen zur Entlastung der Gefängnisse ausgeschlossen werden.
Die Pandemie als Strafe für Kritik
Im Iran und in der Türkei wurden 85'000 resp. 100'000 Personen wegen Covid-19 aus der Haft entlassen. Iranische Menschenrechtsaktivistinnen wie Narges Mohammadi blieben jedoch von einer Amnestierung ebenso ausgeschlossen wie Häftlinge, die in der Türkei aufgrund fadenscheiniger «Terrorismus»-Vorwürfe angeklagt oder verurteilt worden sind.
«dass Regierungen diese Menschen von Amnestien ausschliessen, belegt den politischen Hintergrund.» Anita Streule, Kampagnenverantwortliche für Nahost und Asien bei Amnesty Schweiz
Auch in Ägypten harren weiterhin Tausende als Gewissensgefangene in den für ihre unmenschlichen Bedingungen berüchtigten Gefängnissen in Untersuchungshaft aus, und auch Indien hat Studierende, Kritiker und Aktivistinnen, die friedlich gegen die neue, diskriminierende Bürgerrechtsgesetzgebung demonstrierten, nicht aus der Haft entlassen. «Die Tatsache, dass Regierungen diese Menschen von Amnestien ausschliessen, belegt den politischen Hintergrund», so Anita Streule, Kampagnenverantwortliche für Nahost und Asien bei Amnesty Schweiz. «Und die Regierungen legen damit indirekt offen, dass sie Kritik mehr fürchten als die Pandemie».
Covid-19 als Vorwand für weitere Restriktionen
Im Briefing dokumentiert Amnesty auch, wie Regierungen von Ungarn über Aserbaidschan, Niger und Simbabwe bis nach Thailand und in die Philippinen die Covid-19-Pandemie dazu nutzen, um den Spielraum für die freie Meinungsäusserung und die Arbeit von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern weiter einzuschränken.
Regierungen nutzen die Covid-19-Pandemie dazu, um den Spielraum für die freie Meinungsäusserung und die Arbeit von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern weiter einzuschränken.
Als Instrumente dienen dabei willkürliche Verhaftungen, der Missbrauch von Notrecht oder eine Verfolgung aufgrund des Vorwurfes, in Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung «falsche Informationen verbreitet» zu haben. In Ländern wie Mexiko, Kolumbien, Guatemala oder Honduras haben sich Übergriffe auf Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger gehäuft, dies einerseits dadurch, dass sie aufgrund von Lockdown-Massnahmen ihren Häschern schutzlos ausgeliefert waren oder indem die Polizeiorgane die Schutzmassnahmen bewusst reduziert haben.
Amnesty fordert verstärkten Schutz und Druck
Amnesty International fordert von den Regierungen verstärkte Schutzmassnahmen für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger und die Anerkennung der wichtigen Rolle, die sie gerade in Zeiten der Pandemie spielen. «Auch die Regierungen in Europa können hier eine Rolle spielen, indem sie vermehrt Druck auf Länder ausüben, welche die Pandemie zur verstärkten Unterdrückung missbrauchen», so Anita Streule.