Gefängnisse gehören zu den am stärksten gefährdeten Einrichtungen für Covid-19-Ausbrüche. © Ichigo121212 - Pixabay
Gefängnisse gehören zu den am stärksten gefährdeten Einrichtungen für Covid-19-Ausbrüche. © Ichigo121212 - Pixabay

Covid-19 in Gefängnissen Situation für Inhaftierte spitzt sich zu

18. März 2021
Gefangene auf der ganzen Welt wurden während der Covid-19-Pandemie vergessen. Das zeigt ein neuer Bericht von Amnesty International. Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus führten zu Menschenrechtsverletzungen wie exzessiver Einzelhaft. Viele Inhaftierte können sich nicht ausreichend vor dem Virus schützen.

Während derzeit weltweit Strategien und Pläne zur Verteilung von Covid-19-Impfstoffen Gestalt annehmen, schweigen viele Regierungen über ihre Pläne, besonders gefährdete Gefangene zu impfen. Amnesty fordert daher im Zuge einer aktuellen Kampagne, dass die Millionen von Menschen, die derzeit in überfüllten Zellen leben, in nationale Impfprogramme einbezogen werden.

«Wir dürfen das Recht auf Gesundheit der Menschen in Gefängnissen nicht länger vernachlässigen!»
Netsanet Belay, Direktor für Recherche und Advocacy bei Amnesty International

«Gefängnisse gehören zu den am stärksten gefährdeten Einrichtungen für Covid-19-Ausbrüche. Wir dürfen das Recht auf Gesundheit der Menschen in Gefängnissen nicht länger vernachlässigen! Die fehlende Klarheit über Impfpläne, Richtlinien und die Behandlung von Inhaftierten ist ein dringendes, globales Problem», sagt Netsanet Belay, Direktor für Recherche und Advocacy bei Amnesty International.

Zum neuen Amnesty-Bericht «Forgotten behind Bars. Covid-19 in prison»

Weltweit sind mehr als 11 Millionen Menschen inhaftiert. Das volle Ausmass der Covid-19-Infektionen und der damit verbundenen Todesfälle in Gefängnissen ist schwer einzuschätzen, da Regierungen es versäumt haben, aktuelle und verlässliche Informationen öffentlich zur Verfügung zu stellen. Die verfügbaren Daten zeigen jedoch besorgniserregende Muster von Covid-19-Infektionen in Gefängnissen auf der ganzen Welt.

Zur Petition: Für eine solidarische Schweiz im Kampf gegen die Pandemie

Sogar Seife fehlt oft

Die Recherchen von Amnesty International belegen, dass Gefängnisse in vielen Ländern der Welt zu Brutstätten der Krankheit werden können: Viele Insass*innen haben Schwierigkeiten, Zugang zu Seife, angemessenen sanitären Einrichtungen oder persönlicher Schutzausrüstung zu bekommen. Die Einhaltung von Abstandsregeln ist nur schwer möglich und den Menschen steht oft nur begrenzte medizinische Versorgung zur Verfügung.

Kontrollmassnahmen, um das Virus einzudämmen, führten auch zu schweren Menschenrechtsverletzungen.

Während Gefängnisse weltweit mit systemischen Herausforderungen konfrontiert waren, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, führten Kontrollmassnahmen, um das Virus einzudämmen, auch zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Dazu zählt der Einsatz von exzessiver Einzelhaft, um das Social Distancing durchzusetzen, und unzureichende Massnahmen, um die negativen Auswirkungen von Isolationshaft zu reduzieren.

Überbelegung und unzureichende Schutzmassnahmen

Länder wie Kambodscha, Frankreich, Pakistan, Sri Lanka, Togo und die USA waren nicht in der Lage, angemessene Präventiv- und Schutzmassnahmen in Gefängnissen zu ergreifen, um die Verbreitung von Covid-19 einzudämmen, wie die Recherchen von Amnesty zeigen.

«Viele Länder mit einer gefährlich hohen Überbelegung in Gefängnissen, wie Bulgarien, Ägypten, die Demokratische Republik Kongo und Nepal, haben es versäumt, sich mit möglichen Covid-19-Ausbrüchen auseinanderzusetzen. In anderen Ländern, wie dem Iran und der Türkei, wurden Hunderte von willkürlich inhaftierten Gefangenen, darunter auch Menschenrechtsverteidiger*innen, von Covid-19-bedingten Freilassungen ausgeschlossen», sagt Netsanet Belay.

«Egal, wer man ist oder wo man sich befindet: Alle Menschen verdienen Zugang zu Gesichtsmasken, ausreichenden Mengen an Seife, Desinfektionsmitteln und sauberem fliessendem Wasser», sagt Netsanet Belay weiter. «Besonders in Gefängnissen muss persönliche Schutzausrüstung kostenlos zur Verfügung gestellt werden und die Regierungen müssen den Zugang zu Covid-19-Tests und -Behandlungen verbessern, um mögliche Ausbrüche zu verhindern und zu bewältigen.»

Hintergrund

Der Bericht «Forgotten behind Bars. Covid-19 in prison» erscheint im Zuge einer weltweiten Kampagne: Jeder Mensch, egal, wo auf der Welt, muss fairen Zugang zu Covid-19-Impfstoffen haben. Amnesty International fordert die Staaten auf, bei der Entwicklung von Impfstrategien und -plänen Inhaftierte nicht zu diskriminieren. Darüber hinaus müssen Staaten alle Anstrengungen unternehmen, um Gefangene in ihren nationalen Impfplänen vorrangig zu behandeln – insbesondere angesichts der Tatsache, dass die eingeschränkten räumlichen Bedingungen in Gefängnissen keine körperliche Distanz zulassen. Staaten müssen auch sicherzustellen, dass diejenigen, die ein besonders hohes Risiko für Covid-19 haben (wie z. B. ältere Gefangene und solche mit chronischen Erkrankungen), bei der Impfung gleichrangig mit Vergleichsgruppen in der Allgemeinbevölkerung behandelt werden.