Der ursprüngliche Vorschlag, der von über 100 Ländern getragen war, wurde verwässert und ausgehöhlt. Die nun abgesegnete Regelung lockert zwar den Patentschutz für Impfungen gegen Covid-19. Medikamente und Tests bleibt jedoch weitgehend in der Hand der Pharmaindustrie und der reichen Länder. Von einem gleichberechtigten Zugang für die Länder des Südens kann keine Rede sein. Amnesty und diverse NGO hatten dringend dazu aufgerufen, den Resolutionstext abzulehnen. Leider wurden die Bedenken nicht gehört. Der Prozess war insgesamt intransparent.
Daniela Enzler, Zuständige für Soziale Rechte und Diskriminierungsschutz bei Amnesty Schweiz, ist enttäuscht vom Ergebnis. «Die WTO-Minister*innen haben sich in Genf auf einen zahnlosen Kompromiss geeinigt. Mit dieser Resolution wird Menschen im Globalen Süden weiterhin der gleichberechtigte Zugang zu lebensrettenden Medikamenten und Impfstoffen gegen Covid-19 verwehrt. Auch die Schweiz hat eine unrühmliche Rolle gespielt und sich zusammen mit anderen westlichen Staaten von Beginn weg in erster Linie für die Interessen der Pharmaindustrie stark gemacht. Erneut wurde Profit vor Gesundheit und Menschenrechte gestellt.»
Milliardengewinne hier – Menschenleben da
Die Pandemie hat in Ländern des Südens schwere Verheerungen und Millionen von Toten gefordert. Bis Juni 2022 wurden 72 Prozent der Menschen in reichen Staaten geimpft, in Niedriglohnländern nur knapp 18 Prozent. Solange das Virus dort weiter grassiert ist, sind auch die Menschen in Europa und auch in der Schweiz vor Covid-19 und neuen Mutationen des Virus nicht sicher. Derweil hat die Pharmaindustrie in der Pandemie Milliardengewinne erzielt. Die rasche Entwicklung der Impfstoffe und Mittel gegen Covid-19 wären aber ohne öffentliche Mittel und Abnahmegarantien gar nie möglich gewesen.
«Die Staaten müssen die Konzerne verpflichten, ihr Know-how zu teilen», sagt Daniela Enzler. «Die Lockerung des Patentschutzes ist zwar begrüssenswert. Aber auch Medikamente gegen Covid-19 und Tests müssten für alle zugänglich sein. Von einem fairen Zugang für die Länder des Südens kann heute keine Rede sein.» Zudem werden weitere Hindernisse für Staaten geschaffen, die Ausnahmelizenzen erteilen möchten. Ein rasches Hochfahren der Produktion und Versorgung in Ländern Südens wird so nicht möglich sein.
Auch die Bestimmungen zu Impfstoffpatenten reichen nicht aus, um einen diskriminierungsfreien Zugang zu Covid-19-Impfstoffen zu gewährleisten. Der vorliegende Kompromiss gewährt lediglich wenige punktuelle Erleichterungen bei ohnehin schon bestehenden Möglichkeiten zur Patentaussetzung und schränkt ausserdem die Zahl der Länder, die davon profitieren können, ein.
«Mit dieser Lösung wird die weltweite Ungleichheit und Ungerechtigkeit in der Pandemie gefestigt. Das ist alles andere als solidarisch», so Daniela Enzler.