Roma-Familie in Belgrad © Amnesty International
Roma-Familie in Belgrad © Amnesty International

Diskriminierung Roma: seit Jahrhunderten ausgeschlossen

13. Oktober 2010
Die Roma, eine der grössten und ältesten Minderheiten Europas, sind die Gruppe, die am häufigsten unter systematischer Diskriminierung und Ausgrenzung leidet. Die einzelnen Regierungen schützen ihre Rechte nur unzulänglich, ermöglichen ihnen häufig keine gute Bildung oder setzen sie Zwangsräumungen aus.

In den Ländern des Europarats wird die Zahl der Roma auf 10 bis 12 Millionen geschätzt. Die europäischen Regierungen schützen nur unzureichend die bürgerlichen und politischen, wie auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Roma und machen sich so mitverantwortlich für die weitverbreitete und mehrheitlich gebilligte Diskriminierung. Die von den Roma erfahrene Verletzung ihrer Rechte ist notorisch und betrifft fundamentale Bereiche wie Bildung, adäquate Wohnbedingungen, Gesundheit und Arbeit. Die Konsequenz dieser jahrhunderte währenden Diskriminierung ist ein tief verankerter sozialer Ausschluss von Millionen Roma in Europa und ihre Gefangenschaft in einem Teufelskreis aus Armut und Marginalisierung.

Obwohl die EU, der Europarat und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einige Anstrengungen gemacht haben, ist es ihnen nicht gelungen, eine adäquate politische Antwort auf die durch die Mitgliedstaaten begangene schweren Menschenrechtsverletzungen an den Roma zu liefern.

«Wir werden ein Leben lang diskriminiert: vom Zeitpunkt unserer Geburt in separaten Geburtsstationen bis zu unserem Tod, wo wir begraben werden in gesonderten Friedhöfen.»
Romaaktivist aus Trebisov, Serbien

Amnesty International setzt sich seit Jahren für die Menschenrechte der Roma ein. Auf der Grundlage von Untersuchungen betreffend dem Zugang zu Bildung, Wohnverhältnissen, Arbeit, doppelter Diskriminierung von Frauen werden im Rahmen einer europäischen Kampagne gegen Diskriminierung Aktionen durchgeführt. Ziel ist, die Öffentlichkeit auf die Menschenrechtsverletzungen an den Roma aufmerksam zu machen und die Regierungen unter Druck zu setzen, damit sie endlich den Roma einen gleichberechtigten Zugang zu ihren Rechten garantieren und diese auch umfassend schützen.

Recht auf Bildung

Romakindern wird das Recht auf Bildung frei von Diskriminierung und Ausgrenzung verweigert. Ohne dieses Recht wird ihnen der Zugang zu anderen Menschenrechten verweigert, wie zum Beispiel das Recht auf Gesundheit und Arbeit, Meinungsäusserungsfreiheit oder auf politische Teilnahme. Aufgrund von Rassismus, Diskriminierung und dem Unvermögen der europäischen Regierungen, allen einen gleichberechtigten Zugang zu Schulbildung zu garantieren, bleiben sie gefangen in einem Teufelskreis aus Armut und Marginalisierung. Mehr zu diskriminierenden Einschulungspraktiken.

Ein Etappenerfolg konnte im September 2014 erreicht werden, als die Europäische Kommission entschied, wegen der diskriminierenden Einschulungspraxis von Romakindern gegen Tschechien ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Mehr zum Verfahren gegen Tschechien.

Zwangsräumungen

In Europa sind die Roma regelmässig Ziel von Zwangsräumungen. In den letzten Jahren hat Amnesty International die Fälle von Zwangsräumungen in Bulgarien, Griechenland, Italien (Rom und Milan), Rumänien und Serbien dokumentiert.

Zwangsräumungen sind brutal, erniedrigend und völkerrechtswidrig. In Europa sind die Roma überdurchschnittlich oft betroffen, denn sie sind arm, sozial ausgegrenzt und dem Unmut der Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt. Mehrere Regierungen vertreiben sie ohne Berücksichtigung ihrer Menschenrechte.

Die Auswirkungen von Zwangsräumungen sind katastrophal. Sie führen oft zum Verlust der persönlichen Habe, des sozialen Netzwerks, des Zugangs zu Arbeit und Dienstleistungen wie Schulen und Gesundheitsversorgung. Die Betroffenen werden in vielen Fällen obdachlos und müssen eine Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen hinnehmen.

Den Roma wird oft der gleichberechtigte Zugang zu angemessenem Wohnraum, Wasser und sanitären Einrichtungen verwehrt. Zudem erschwert ihnen die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt die Miete einer Unterkunft. Da sie de facto von Sozialwohnungs-Programmen ausgeschlossen sind, suchen sie sich oft behelfsmässige Unterkünfte – oft in informellen Siedlungen. Diese Umstände machen sie leicht zu Opfern von Zwangsräumungen.

Das Völkerrecht sieht vor, dass Zwangsräumungen nur als letztes Mittel eingesetzt werden dürfen, und nur dann, wenn zuvor in ernst gemeinten Konsultationen mit den betroffenen Gemeinden alle möglichen Alternativen ausgeschöpft wurden. Amnesty International fordert die europäischen Länder auf, diese verbindlichen Richtlinien zu respektieren. Gibt es keine Alternative zur Räumung, muss ein nachhaltiger Plan zur Umsiedlung und Entschädigung der Betroffenen erarbeitet werden. Die Rechte der Betroffenen müssen in jedem Fall respektiert werden.