Guantánamo muss geschlossen werden – nicht nur, weil Menschenrechte dort massiv verletzt werden, sondern auch, weil es als Symbol für die Missachtung des Völkerrechts durch die USA im Zuge ihres «Kriegs gegen den Terror» steht. Es ist die sichtbare – wenn auch längst nicht durchsichtige – Spitze des Eisbergs unbefristeter und geheimer Inhaftierungen, rechtswidriger Überstellungen von Gefangenen, Folter und anderer Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.
Geheimhaltung in Guantánamo
Am 26. Juni 2003 erklärte Präsident Bush wie jedes Jahr, dass die USA dem weltweiten Kampf gegen die Folter verpflichtet sei. Er versprach, dass die USA im Gegensatz zu «notorischen Menschenrechtsverletzern», die «seit langem versuchen, ihre Verstösse vor den Augen der Welt zu verstecken, indem sie internationalen Menschenrechtsbeobachtern den Zugang verweigern», mit gutem Beispiel vorangehen würden.
Zu diesem Zeitpunkt hatten Amnesty International und internationale Menschenrechtsbeobachter bereits Zugang zu den Gefangenen beantragt, die im Rahmen des «Kriegs gegen den Terror» von US-Behörden inhaftiert worden waren. Dieser Zugang wurde ihnen jedoch verweigert.
Geheimhaltung gefährdet Gefangene
Die Geheimhaltung einer Inhaftierung setzt den Gefangenen grosser Gefahr aus, stürzt seine Verwandten in Sorge und untergräbt die Prinzipien des Rechtsstaats. Das US-Verteidigungsministerium hat die Identität der Gefangenen in Guantánamo lange geheim gehalten. Erst mehr als vier Jahre nach den ersten Überstellungen gab es aufgrund einer Gerichtsentscheidung eine Namensliste heraus. Das Pentagon gab jedoch lediglich die ungefähre Anzahl der Gefangenen bekannt. Das verschaffte den US-Streitkräften die Möglichkeit, Gefangene von und nach Guantánamo bzw. zu unterschiedlichen US-Behörden zu verbringen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfuhr.
Es ist bekannt, dass der US-Geheimdienst CIA eine eigene Einrichtung in dem Lager betrieben hat. Berichten zufolge hat die CIA dort «besonders wichtige» Gefangene festgehalten und an Verhören teilgenommen. Allerdings sind die genauen Aktivitäten der CIA in dem Lager nach wie vor unbekannt. Geheimhaltung leistet Menschenrechtsverletzungen Vorschub. Sie begünstigt Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Durch Geheimhaltung bleibt das volle Ausmass der Menschenrechtsverletzungen verborgen.
Drehscheibe für Verschleppungen
Guantanamo Bay spielt im weltweiten Netz der Verschleppung von Gefangenen eine zentrale Rolle. Für ihr Programm der illegalen «Überstellungen» («renditions») hat die CIA Flugzeuge eingesetzt, die entweder von Tarnfirmen angemietet oder von Fluggesellschaften betrieben wurden, um Verdächtige heimlich in andere Staaten zu bringen – darunter Ägypten, Jordanien und Syrien. Diese Staaten sind bekannt dafür, dass sie bei Verhören Folter einsetzen. Viele der mutmasslich an diesen Orten gefolterten Personen wurden später nach Guantánamo gebracht. Eines der von der CIA eingesetzten Flugzeuge vom Typ Gulfstream V flog unter verschiedenen Nummern (N379P, N8068V und N44982) mehr als 50 Mal nach Guantánamo, was ihm den Beinamen «Guantánamo Bay Express» eingebracht hat.
Aus Geheimgefängnissen nach Guantánamo Im Rahmen des illegalen »renditions«-Programms wurden Personen auch in von der CIA geführte Geheimgefängnisse, so genannte «black sites», gebracht. Diese geheimen Hafteinrichtungen sollen sich in Afghanistan, dem Eiland Diego Garcia im Indischen Ozean, Jordanien, Pakistan, Thailand und in osteuropäischen Ländern befinden oder befunden haben.
Fragwürdige Befragungstechniken
US-Präsident Bush hat die Existenz des Geheimprogramms im September 2006 bestätigt. Er gab jedoch weder an, wo sich die Hafteinrichtungen befinden, noch, was die «alternativen» Befragungstechniken der CIA im Rahmen des Programms beinhalten. Zahlreichen Berichten zufolge sind aber Techniken darunter, die klar gegen das Völkerrecht verstossen. Dazu gehören das so genannte «Waterboarding», bei dem der Gefangene das Gefühl bekommt, zu ertrinken; erzwungenes Stehen über mehr als 40 Stunden, während die Gefangenen an den Boden gekettet sind, und die «Kaltzelle» (wobei der Gefangene nackt in einer kalten Zelle stehen muss, während er immer wieder mit kaltem Wasser übergossen wird).
Als er das CIA-Programm am 6. September 2006 bestätigte, verkündete Präsident Bush gleichzeitig, dass 14 «besonders wichtige» Gefangene gerade aus geheimer Haft nach Guantánamo überführt worden seien. Sie waren bis zu viereinhalb Jahre ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten worden. Bush wollte damit den amerikanischen Kongress überzeugen, eine neue rechtliche Grundlage für die Militärkommissionen zu schaffen, die der Oberste US-Gerichtshof drei Monate zuvor für rechtswidrig erklärt hatte.
Seine Absicht war ausserdem, den Gefangenen erneut das Recht auf Haftprüfung vor regulären Gerichten zu nehmen und gleichzeitig das Geheimprogramm der CIA sowie aller daran Beteiligten rechtlich abzusichern. Bush erreichte sein Ziel, als der Kongress das Gesetz über Militärkommissionen («Military Commissions Act») verabschiedete.
Die US-Regierung bemüht sich aber weiterhin, zu verhindern, dass die 14 Gefangenen ihr Wissen über das CIA-Programm weitergeben. Sie macht geltend, dass die Veröffentlichung derartiger Informationen einen «aussergewöhnlich schweren Schaden» für die nationale Sicherheit bedeuten könnte. Die Geheimhaltung wird benutzt, um Menschenrechtsverletzungen zu vertuschen und zu verhindern, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
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