Die Gefangenen von Guantánamo Bay

Auch Anfang 2008 befinden sich immer noch fast 300 Häftlinge aus rund 30 verschiedenen Ländern in Guantánamo. Die folgenden Porträts ausgewählter Häftlinge geben einen vertieften Einblick in das «System Guantánamo».


«High value detainee»: Majid Khan, Pakistan
Majid Khan © Privat

In der Nacht des 5. März 2003 wurde Majid Khan, ein pakistanischer Staatsbürger, der zwischen 1998 und 2002 in den USA gelebt hatte, in einer Operation pakistanischer Sicherheitsdienste zusammen mit seinem Bruder, seiner Schwiegertochter und deren Baby in Karachi verhaftet. Während seine Schwiegertochter nach einer Woche und sein Bruder nach einem Monat entlassen wurden, wurde Majid Khan in geheimer Haft an unbekannten Orten weiter festgehalten. Ehefrau und Kind wurden über seinen Verbleib vollständig im Dunkeln gelassen. 

Erst mehr als drei Jahre später teilte US-Präsident Bush mit, dass 14 so genannte «high value detainees» (Gefangene, denen die CIA einen hohen «Informationswert» zuschreibt) aus geheimen CIA-Haftzentren nach Guantánamo transferiert worden seien. Einer von ihnen war Majid Khan. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese «high value detainees» besonders harschen Verhörmethoden, die Folter gleichkommen, ausgesetzt waren bzw. sind. Über die Haftbedingungen Majid Khans in Guantánamo ist nur wenig bekannt. Lediglich ein scharf zensurierter Brief an seine Frau gibt wenige Anhaltspunkte. Ausser einem kurzen Besuch des IKRK kurz nach dem Transfer wurde er und die anderen «high value detainees» in vollständiger Isolation gehalten. Auch der Beizug einer anwaltlichen Vertretung wird ihm bis heute verwehrt. Bis heute ist keiner der « high value detainees» vor einem ordentlichen US-Gericht angeklagt oder gar verurteilt worden.

Der Fall Majid Khans und der 13 anderen «high value detainees» zeigt, dass Guantánamo weiterhin ein Teil des Geheimgefängnis-Netzes ist, welche ausserhalb jeglicher rechtsstaatlicher Kontrolle von der CIA geführt werden. Mehr zu den CIA-Flügen »

Kindersoldaten in Guantánamo: Omar Khadr, Kanada und Yousef al Shehri, Saudi-Arabien
Omar Khadr © Privat

Der Kanadier Omar Khadr wurde 2002 von der US-Armee bei einem Gefecht in der Nähe von Khost (Afghanistan) gefangen genommen, weil er beschuldigt wird, einen US-Soldaten getötet zu haben. Er war damals 15 Jahre alt. Während der Gefangennahme erlitt er drei Schusswunden. Er soll dabei so schwer verletzt worden sein, dass er auf einem Auge nahezu blind ist. Im Oktober 2002 wurde er nach Guantánamo gebracht. Dort soll er geschlagen, in Isolationshaft gehalten und häufigen Verhören ausgesetzt gewesen sein. Darüber hinaus gibt Omar Khadr an, man habe ihm angedroht, ihn in ein anderes Land zu überstellen, um ihn dort foltern zu lassen.

Omar Khadr ist einer der wenigen, gegen die ein Verfahren vor den Militärkommissionen - nicht aber einem unabhängigen Gericht - im Gange ist. Dieses kommt allerdings auch nicht voran. Bei den Verhandlung vor dem Militärrichter machte Omar Khadr auf die Beobachter einen erschreckenden Eindruck: Viel älter als seine 20 Jahre und emotional völlig abgestorben. Die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb, dass sich Omar Khadr kaum dazu eigne, der amerikanischen Öffentlichkeit zu zeigen, dass auf Guantánamo gefährliche «Super-Terroristen» festgehalten würden. Viel eher handelte es sich bei Omar Khadr um einen Kindersoldaten. Kanada hat sich bislang nach Einschätzung von Amnesty kaum für seinen Staatsbürger Omar Khadr einsetzt.

Europäische Komplizenschaft mit dem System Guantánamo: Mustafa Ait Idir, Bosnien
©  DoD

Mustafa Ait Idir stammt ursprünglich aus Algerien, lebt jedoch seit 1992 in Bosnien, wo er sich die Staatsbürgerschaft erwarb. Er wurde zusammen mit fünf weiteren algerischstämmigen Männern, im Oktober 2001 in Bosnien-Herzegowina von Polizisten festgenommen. Dies, weil ihn die USA verdächtigte, in Pläne für Anschläge auf US-Botschaften verwickelt gewesen zu sein. Die USA  unterliessen es jedoch in der Folge, die Vorwürfe zu konkretisieren und brachten keinerlei Beweise vor. Mustafa Ait Idir und seine Kollegen wurden deshalb vor Gericht freigesprochen.

Kurz darauf nahm sie die lokale bosnische Polizei jedoch wieder fest und übergab sie am 18. Januar 2002 an US-Behördenvertreter. Ende Januar 2002 wurde bestätigt, dass sich die Männer nun in Guantánamo befänden und damit in einem rechtsfreien Raum anstatt vor einem ordentlichen Gericht.

Die bosnische Regierung hat es bis heute unterlassen, gerichtlichen Anordnungen Folge zu leisten und sich auf diplomatischer Ebene bei den USA für eine Rückführung einzusetzen. Die Berichte über die Haftbedingungen und den Gesundheitszustand von Mustafa Ait Idir sind besorgniserregend: In einer im April 2005 bei einem US-Bundesgericht eingereichten Klage heisst es unter anderem, Wachleute hätten Mustafa Ait Idirs Gesicht in eine Toilette gedrückt und mehrfach die Spülung betätigt. Er hat ausserdem angegeben, dass er sich auf den Boden legen musste und ihm Männer auf den Rücken gesprungen seien.

Der Fall von Mustafa Ait Idir und seinen Kollegen zeigt, dass mit Bosnien auch europäische Regierungen aktiv an der Verschleppung von «Terrorismusverdächtigen» nach Guantánamo beteiligt waren. Mehr dazu »

«Cleared for release», aber immer noch in Haft: Arkina Amahmud und Bahtiyar Mahnut, China

Arkina Amahmud und Bahtiyar Mahnut sind Uiguren aus China, die in Afghanistan und Pakistan Zuflucht vor der chinesischen Repression gesucht hatten. Sie wurden von afghanischen und pakistanischen Sicherheitskräften gegen Kopfgeldzahlungen an die USA «verkauft». Wie mindestens 12 ihrer Landsleute, die weiterhin in Guantánamo festgehalten werden, sind sie eigentlich seit Jahren für die Freilassung vorgesehen.

Nach China können sie jedoch nicht zurückgeführt werden, da ihnen dort weitere Folter und Verfolgung droht (sie wurden selbst in Guantánamo von chinesischen Sicherheitsbeamten verhört und unter Druck gesetzt!). Selbst jahrelange ungerechtfertigte Haft lässt die USA offenbar eine Aufnahme im eigenen Land nicht in Betracht ziehen. Drittländer – darunter auch die Schweiz – lehnten amerikanische Aufnahmegesuche bisher allesamt ab – mit Ausnahme von Albanien. Dieses nahm im May 2006 5 Guantánamo-Uiguren auf – gegen welche Gegenleistung ist unbekannt.

Neben den Uiguren sind viele weitere Häftlinge, die eigentlich freigelassen werden sollten, in Guantánamo blockiert, weil ihnen im Heimatland (weitere) Folter und Verfolgung droht und sie weder die USA noch ein Drittland aufnehmen wollen. Dies illustriert die Sackgasse, in die sich die USA mit dem «System Guantánamo» und seinen im rechtsfreien Raum operierenden Haftzentren manövriert hat.

Weitere Informationen zu diesen Fällen und anderen Gefangenen aus Guantánamo finden Sie auf Englisch unter: http://web.amnesty.org