Noch immer sind 166 Männer von den ursprünglich 779 Gefangenen in Guantánamo inhaftiert, die meisten von ihnen werden seit Jahren ohne Anklage oder Urteil festgehalten. Nur sieben Gefangene sind in den vergangenen elf Jahren von Militärgerichten verurteilt worden. Fünf von ihnen hatten sich schuldig bekannt, um so die Möglichkeit zu erhalten, in ihre Heimatländer zurückzukehren.
Sechs Gefangenen droht die Todesstrafe nach Militärgerichts-Verfahren, die den internationalen Anforderungen für faire Prozesse nicht entsprechen. Diese sechs Gefangenen sind Opfer von Misshandlungen: sie waren vom amerikanischen Geheimdienst an einen geheimen Ort verschleppt und verhört worden, bevor sie nach Guantánamo gebracht wurden. Zwei von ihnen wurden mit der Folter-Technik «Waterboarding» misshandelt, bei dem das Ertrinken simuliert wird.
«Der Anspruch der USA, eine Verteidigerin der Menschenrechte zu sein, ist blanker Hohn angesichts der fortwährenden Haft in Guantánamo, den Militärgerichts-Verfahren und dem völligen Scheitern, Folter und andere Verbrechen aufzuklären und die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen», erklärt Rob Freer, USA-Spezialist von Amnesty International.
Bei seinem Amtsantritt im Januar 2009 hatte Präsident Obama versprochen, das Gefangenenlager in Guantánamo innerhalb eines Jahres zu schliessen. Gleichzeitig hatte er das Ende der «speziellen» Verhörtechniken und die Schliessung der CIA-Geheimgefängnisse angeordnet.
Doch dann übernahm Präsident Obama die US-eigene zweifelhafte Doktrin des «globalen Krieges gegen den Terror» und akzeptierte in diesem Rahmen die unbegrenzte Inhaftierung von Verdächtigen. Im Jahr 2010 gab die Obama-Administration bekannt, dass rund 50 Guantánamo-Gefangene weder verurteilt noch freigelassen werden könnten, das bedeutet, dass sie auch weiterhin ohne Anklage oder Urteil in unbegrenzter Militärhaft bleiben.
Die Obama-Administration macht den Kongress dafür verantwortlich, dass die USA ihren Menschenrechtsverpflichtungen in Guantánamo bislang nicht nachkommen konnten und das Haftlager noch immer nicht geschlossen ist. «Es ist völlig inakzeptabel, wenn eine Regierungsgewalt der anderen die Schuld an Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land gibt», kritisiert Rob Freer. «Das internationale Recht verlangt Lösungen, keine Entschuldigungen.»
Ohne eine klare Änderung der Politik des «globalen Krieges» gegen den Terror wird es auch kein Ende der illegalen Haft ohne Anklage oder Urteil geben – selbst wenn Guantánamo geschlossen würde.
Die Vorstellung eines «globalen Krieges», die von der gesamten US-Regierung geteilt wird, der Schutz der Beamten durch Immunität sowie die andauernde Geheimhaltung verhindern weiterhin, dass die Missbräuche in Guantánamo und im geheimen CIA-Programm aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
«Was endlich passieren muss, ist die Anerkennung und die Anwendung der international gültigen Prinzipien der Menschenrechte durch die US-Behörden», erklärt Rob Freer. «Militärgerichte müssen aufgegeben werden zugunsten von fairen Prozessen vor zivilen Gerichten. Gefangene, die nicht verurteilt werden können, müssen freigelassen werden. Und es braucht eine umfassende Aufklärung der Missbräuche und eine Entschädigung für Menschenrechtsverletzungen.»
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Medienmitteilung veröffentlicht: London/Bern, 08.01.2013
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