© Shahed Staub
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Sexualisierte Gewalt Anna-Béatrice

28. Juni 2022
Die Rede von Anna-Béatrice Schmaltz vom cfd – die feministische Friedensorganisation – an der Aktion «Das Private ist politisch» vom 30. Mai 2022 in Bern, zum Start der Debatte im Ständerat über die Revision des Sexualstrafrechts.

«Liebe Mitstreiter*innen,

das Parlament revidiert das Sexualstrafrecht. Eine einmalige Chance endlich Konsens ins Gesetz zu schreiben. Alle Beteiligten an sexuellen Handlungen müssen ihr Einverständnis geben.

Am 21. Mai gingen in Zürich tausend Menschen auf die Strasse für ein konsensbasiertes Sexualstrafrecht. Amnesty International Schweiz und zahlreiche andere Organisationen, Politiker*innen und Aktivist*innen setzten sich nun schon seit Jahren für Nur Ja heisst Ja im Gesetz ein. Und auch heute sind wir wieder laut!

Ein konsensbasiertes Sexualstrafrecht ist unbedingt notwendig und zwar:

Erstens weil Sex ohne Zustimmung, ohne Einverständnis Gewalt ist. Das Übergehen von Grenzen und Selbstbestimmung ist bereits Gewalt. Das muss auch unser Gesetz beachten.

Zweitens weil wir in unserer Gesellschaft sexualisierte Gewalt verharmlosen und falsche und enge Vorstellungen von sexualisierter Gewalt weit verbreitet sind. Das zeigt sich auch in unserem Gesetz. Es reproduziert enge Vorstellungen von sexualisierter Gewalt, enge Vorstellungen vom Verhalten von Gewaltbetroffenen und zementiert Vergewaltigungsmythen. Das aktuelle Gesetz wird den Realitäten von sexualisierter Gewalt und den Betroffenen in keiner Weise gerecht. Das muss sich ändern!

Drittens weil so viele Frauen, trans, inter, agender und nicht-binäre Menschen von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Sexualisierte Gewalt geht uns alle an. Wir alle müssen Verantwortung übernehmen. Und wir brauchen ein Sexualstrafrecht, dass dabei unterstützt Verantwortung zu übernehmen. Denn sexualisierte Gewalt ist kein privates Problem!

Viertens weil nur ein Bruchteil der Taten strafrechtlich verfolgt wird. Nur 10% der Gewaltbetroffenen meldet sich überhaupt bei der Polizei, 8% machen schlussendlich eine Anzeige und diese Anzeigen enden in 3 von 4 Fällen mit einem Freispruch für die Tatperson. Das konsensbasierte Sexualstrafrecht allein wird das nicht ändern. Ist aber ein wichtiger Schritt dahin, dass mehr Tatpersonen verurteilt und Betroffene ernstgenommen werden.

Fünftens weil die Istanbul Konvention, das wichtige Übereinkommen des Europarates zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt, seit 2018 in der Schweiz in Kraft ist. Auch die Istanbul Konvention fordert, dass fehlendes Einverständnis als sexualisierte Gewalt anerkannt und bestraft werden muss. Es wird Zeit, dass die Istanbul Konvention endlich konsequent umgesetzt wird.

Konsens gehört ins Gesetz. Denn NUR JA HEISST JA.»