«Ich bin Morena Diaz, 29 Jahre alt und Mutter einer 9 Monaten alten Tochter. Ich bin aber auch Betroffene sexualisierter Gewalt wie wohl die meisten von uns, die heute hier sind. Denn in der Schweiz ist es jede fünfte Frau. Wenn ihr mich fragt? Jede Betroffene ist eine zu viel.
Auch wenn es allen klar ist, weswegen wir heute hier sind, möchte ich dennoch eine Triggerwarnung aussprechen. Vor mehr als drei Jahren wurde ich 3 Tage vor Heiligabend vergewaltigt. Wenn es nach der aktuellen Gesetzesgebung hier in der Schweiz geht, dann war es aber „nur“ eine sexuelle Nötigung. In anderen Ländern zählt das, was mir widerfahren ist, schon längst als Vergewaltigung. Ist nicht jegliches Eindringen ohne Zustimmung automatisch als eine Vergewaltigung zu verstehen? Scheinbar nicht.
Sowohl bei meinen beiden Einvernahmen, die jeweils gut 5-6h dauerten, als auch vor Gericht wurde mir immer wieder die Frage gestellt, wie ich mich gewehrt hatte. Wie lange, wie denn genau und vor allem wie stark? Frau Diaz: Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie stark haben Sie sich gewehrt? Ich wurde gefragt, wann denn genau mein Körper aufgehört hat, Widerstand zu leisten und obwohl ich unendlich oft NEIN gesagt habe, hätte er es denn merken sollen, dass ich es nicht wollte?
Ich bin hässig. Vor Gericht wurde ich von einem Richter gefragt, ob ich die Szene, in der ich ihm darum gebeten habe aufzuhören, nachmachen könnte und ich frage mich und alle, die uns Betroffene nicht ernst genug nehmen: Wie viel Demütigung, wie viel Schuldzuweisung müssen wir Betroffene noch ertragen? Reicht es nicht aus, dass uns unsere sexuelle Selbstbestimmung geraubt wurde? Dass wir mir mit den Folgen leben müssen? Dass Täter oftmals einfach davon kommen und für ihre Taten nicht gerade stehen müssen?
Seit ich selbst Mutter einer weiblich gelesenen Person bin, bin ich noch hässiger. Die Sorgen, die sich meine Mutter um mich gemacht hat, die möchte ich mir nicht auch machen müssen. Ich möchte nicht, dass das weiterhin selbstverständlich bleibt, dass unsere Töchter ständiger Gefahr ausgesetzt sind und alle möglichen Techniken lernen müssen, um später nicht das gleiche Schicksal erleben zu müssen wie ich und viele andere.
Vor ein paar Jahren hätte ich gewisse Sorgen und Argumentationen gewisser Politiker*innen verstehen können. Heute definitiv nicht mehr. Wir sind seit Jahren laut und wir werden kontinuierlich lauter und es kostet uns verdammt viel Kraft und Mut. Auch wir Betroffene müssen immer wieder alte Wunden aufreissen, um hoffentlich die einen oder anderen Augen öffnen zu können und es reicht langsam. Heute kann niemand mehr sagen: Oh, ich wusste einfach zu wenig darüber. Nein. Einfach nein. Sie alle hatten genug Zeit uns zuzuhören.
Wir schreiben das Jahr 2022 und was in der Gesellschaft schon LÄNGST angekommen ist, sollte auch in unserer Gesetzgebung verankert werden: Sexuelle Handlungen werden nur vorgenommen, wenn alle Beteiligten einwilligen. Wenn alle Beteiligten es möchten und ich glaube, es gibt Schwierigeres, als auf das Gegenüber einzugehen und zu kommunizieren. Denn ein schüchternes, unsicherer Nein ist kein Ja. Ein sich wegdrehen ist kein Ja. Ein Vielleicht ist kein ja. Ein ich weiss nicht ist kein Ja. Alkohol und / oder Drogen sind kein Ja. Dass ich zu ihm nachhause bin und ein Film geschaut habe ist kein Ja. Ich hätte nackt neben ihm liegen können, es wäre kein Ja gewesen. NUR JA HEISST JA!!!!!
Wenn das im Gesetz ankommt, bin ich mir sicher, wird das in den nächsten Jahren auch positive Folgen in allen Bereichen wie z.B. bei Einvernahmen haben. Dann liegt der Fokus nicht mehr auf die Opfer und wie sie sich verhalten, haben. Wie sie angezogen waren. Ob sie getrunken haben. Ob sie sich gewehrt haben. Wie fest sie sich gewehrt haben. Ich möchte eine Gesetzesgebung, die potenziellen Tätern Angst macht. Eine Gesetzesgebung, die signalisiert, dass alles, was nicht ohne Konsens erfolgt ist, nicht nur nicht okay ist sondern strafbar.
Ihr seid heute zahlreich erschienen, was mich persönlich unendlich freut. Wir müssen ihnen zeigen, dass wir uns nicht zufrieden geben. Am 30. Mai findet eine Aktion auf dem Waisenhausplatz in Bern statt. Wir möchten wie auch hier heute zeigen, dass das private politisch ist und die Schweiz ein kondensbasiertes Sexualstrafrecht fordert und der Ständerat dies nun so umsetzen muss!»