© Brigitte Lampert/ Katharina Hofer/ Anne Gabriel-Jürgens
© Brigitte Lampert/ Katharina Hofer/ Anne Gabriel-Jürgens

Amnesty-Ausstellung «Es braucht einen besseren Austausch zwischen Polizei und Betroffenen»

Aufgezeichnet von Alea Rentmeister. Ausstellung «Uns reichts!», März 2022.
Stephanie, vergewaltigt am 12. November 2003.

Ich habe ihnen die Stelle im Wald gezeigt, wo es geschah. Die Blätte auf dem Boden waren noch aufgewühlt, dazwischen lag ein Haargummi von mir.Stephanie, von sexualisierter Gewalt Betroffene

Als ich nach der Tat nach Hause kam, war ich verwirrt. Meine Mutter fragte mich, ob ich eine Anzeige erstatten wollte und ich stimmte zu. Zwei Polizist*innen kamen bei uns vorbei - eine Frau und ein Mann. Sie sind sorgsam mit mir umgegangen. Doch sie baten mich direkt, ihnen zu zeigen, wo die Tat passierte. Das war nicht mal zwei Stunden nach der Tat. Im Nachhinein weiss ich, dass ich mich damit überfordert habe: Ich habe ihnen die Stelle im Wald gezeigt, wo es geschah. Die Blätter auf dem Boden waren noch aufgewühlt, dazwischen lag ein Haargummi von mir. Die Situation wühlte mich auf, traumatisierte mich zusätzlich. Ich frage mich, inwieweit man einer betroffenen Person so etwas zumuten kann. Ich war nicht in der Lage, zu entscheiden, was für mich richtig war.

Die Befragung war wahnsinnig anstrengend, ich war müde und wollte einfach nur duschen. Die Polizei bemühte sich, aber sie haben auch Fragen gestellt, die mich verletzten. Sie fragten, ob ich geschrien hätte, ob ich mich gewehrt hätte. Die Fragen sind legitim, um herauszufinden, ob es vielleicht Zeugen für die Tat gibt. Aber sie implizieren auch eine Mitschuld. Die Polizei versucht, das bestmögliche Resultat zu bekommen, um schlussendlich den Täter zu fassen und damit weitere Sexualstraftaten zu vermeiden. Doch es braucht eine Abwägung: Was kann den Betroffenen zugemutet werden, um dieses Ziel zu erreichen? Wie sehr presst man Sachen auf Kosten der Psyche der betroffenen Personen heraus?

Ich verstehe gewisse Vorgehensweisen der Polizei, aber es ist wichtig, dass Menschen denen ein Unrecht angetan wurde und welche ein Trauma erlebt haben, durch die strukturellen Vorgaben der Ermittlungsarbeit nicht noch zusätzlich traumatisiert werden. Es braucht einen besseren Austausch zwischen Polizei und Betroffenen, die Polizei muss verstehen, was für Betroffene wirklich wichtig ist. Durch meinen Aktivismus für ein konsensbasiertes Sexualstrafrecht und für eine obligatorische Grundausbildung und Fortbildungen für Polizei und Justizpersonal zum Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt will ich erreichen, dass die Situation für zukünftige Betroffene weniger belastend wird.