Lange Zeit war mir nicht klar, dass mein Ex-Mann mich misshandelte. Ich fand viele Ausreden für sein Verhalten: «Er ist depressiv, er wird damit aufhören, wenn es ihm besser geht. Ich muss ihm helfen, sich besser zu fühlen.» Ich dachte, dass ich ihn liebe, dass ich ohne ihn nicht leben könnte. Wenn ich jetzt zurückblicke, weiss ich, dass es keine Liebe war, sondern Abhängigkeit. Ich akzeptierte seine Misshandlungen, weil ich dachte, ich hätte sie verdient. Erst als er meinen Sohn verletzte, erkannte ich, wie falsch sein Verhalten war. Aber ich war nicht bereit, ihn zu verlieren, lieber wollte ich sterben. Ich zog es vor, nichts zu sagen. Ich hatte Angst, mein Ex-Mann könnte herausfinden, wenn ich mit jemandem darüber sprach, und alles würde noch schlimmer werden.
Ich blieb 10 Jahre lang. Erst als ich merkte, dass ich wirklich sterben könnte, beschloss ich, ihn zu verlassen. Als ich es ihm sagte, wurde er gewalttätig. Doch die wiederholten Vergewaltigungen und die körperliche Gewalt bestätigten meinen Entschluss. Ich konnte mich endlich befreien.
Es ist die Angst, etwas zu verlieren, die uns zum Bleiben veranlasst. Sonia, von sexualisierter Gewalt Betroffene
Die meisten Frauen, mit denen ich mich austauschte, mussten den Tod fürchten, um gehen zu können. Es ist die Angst, etwas zu verlieren, die uns zum Bleiben veranlasst. Das kann der Verlust unserer Gesundheit, unseres Hauses, unserer Kinder, unseres Arbeitsplatzes oder der Verlust des Mannes sein, den wir lieben. Wenn wir keine Angst mehr vor Verlust haben, sind wir frei.
Mein ganzes Leben lang habe ich mich an die Welt angepasst. Jetzt passe ich die Welt an mich an. Ich schaffe mir ein Umfeld, in dem ich mich wohl fühle, anstatt mich zu verändern, um den Menschen um mich herum genehm zu sein. Ich fühle mich nicht mehr als Opfer. Ich will niemanden retten. Ich will die Menschen dazu inspirieren, sich selbst zu retten.