© Brigitte Lampert/ Katharina Hofer/ Anne Gabriel-Jürgens
© Brigitte Lampert/ Katharina Hofer/ Anne Gabriel-Jürgens

Amnesty-Ausstellung «Meine Sexualität hat sich nach der Vergewaltigung geändert»

Aufgezeichnet von Alea Rentmeister. Ausstellung «Uns reichts!», März 2022.
Cindy, vergewaltigt im Sommer 2015.

Nach der Tat habe ich mich recht früh gefragt: Wie möchte ich mich ab jetzt auf Männer einlassen? Ich habe schnell wieder geflirtet, weil ich mir das nicht nehmen lassen wollte. Doch meine Sexualität hat sich nach der Vergewaltigung geändert. Am Anfang hat es mich angeekelt, nur an einen Penis zu denken. Ich hatte Respekt davor, wieder intim mit jemandem zu werden. Ein Duft, eine Berührung reicht und mein Körper erinnert sich schlagartig an die Tat, erstarrt. Das geschieht einfach, ich kann es nicht steuern.

Am Anfang hat es mich angeekelt, nur an einen Penis zu denken.Cindy, von sexualisierter Gewalt Betroffene

Heute passiert mir das nur noch selten, ich brauche nur noch 30 Sekunden, um mich zu erholen. Aber es gab Momente, wo gefühlt eine Stunde lang Bilder der Vergewaltigung wieder hochkamen. Dann konnte ich mich kaum bewegen – auch wenn ich zuhause neben einem Mann lag, den ich mochte. Mein Ex-Freund hat mir mal gesagt: «Wenn wir Sex haben, ist es oft so, als ob wir einen Dreier hätten – als wäre in deinem Kopf plötzlich noch eine weitere Person. Und ein Dreier sollte eigentlich etwas Schönes sein.»

Wenn ich jemanden gedatet habe, bin ich sehr offen mit dem Thema umgegangen. Denn ich habe danach die Erfahrung gemacht, dass Typen zu mir gesagt haben «Ey, du Bitch, du hast mich heiss gemacht und jetzt sagst du nein?». Dann habe ich geantwortet: «Hier sind deine Schuhe, du darfst gehen.» Irgendwann habe ich entschieden: Ich bin von Anfang an ehrlich, dann weiss das Gegenüber, warum mein so Körper reagiert und kann anders darauf reagieren. Es gab Momente, in denen ich sagen musste: Nein, das möchte ich noch nicht, das ekelt mich. Ich habe mich mehrmals gefragt: «Werde ich das Thema je wieder los? Ist etwas falsch mit mir, weil ich so reagiere?» Ich wollte einfach wieder normal sein und sagte mir: «Es ist doch bloss Sex, tu doch nicht so».

Es war nicht immer einfach, Akzeptanz und Geduld mit mir selbst zu haben. Mir hat es geholfen, mich mit anderen Betroffenen auszutauschen und Zeit heilt die Wunden, aber sie können immer mal wieder aufgerissen werden. Denn da habe ich gemerkt, ich bin nicht falsch, ich bin nicht verkehrt: Es ist vollkommen in Ordnung, wie mein Körper reagiert und welche Gedanken ich habe. Es gibt starke gesellschaftliche Erwartungen, wie eine betroffene Person reagieren soll – vor, während und nach der Tat. In der Realität ist es oft ganz anders und das muss die Gesellschaft verstehen. Ich engagiere mich aktiv dafür. Aber Aktivistin zu sein ist anstrengend. Es ist nervenaufreibend, immer dieselben Argumente und gewisse beleidigende Kommentare hören zu müssen. Aber ich denke dann: Ich muss noch lauter werden, irgendwie habe ich die Leute da draussen noch nicht genug erreicht.