Als ich im vierten Monat schwanger war, habe ich ein glückliches Bild mit meinem Bauch gepostet. Darunter hat jemand aus der Familie des Täters kommentiert: «Dir ist etwas Schlimmes passiert. Jemand, der das erfahren hat, was du erfahren hast, sollte nicht so glücklich aussehen.» Andere Leute haben ähnliche Kommentare geschrieben. Viele Menschen denken, wer eine Vergewaltigung erlebt hat, darf nicht mehr tanzen gehen, kann unmöglich eine neue Liebe finden, unmöglich schwanger werden und ein süsses Baby kriegen. Das Bild, dass die Gesellschaft von einer betroffenen Person hat, ist sehr einseitig: Es gibt diese Vorstellung, eine Betroffene sässe jeden Tag weinend im Bett, ziehe nur noch weite Kleidung an und mache nichts mehr ausser Trübsal blasen, aber so ist es nicht. Dieses Stigma will ich auch auf Social Media aufbrechen, denn viele Menschen, die mir folgen, haben selbst sexualisierte Gewalt erlebt. Ich will ihnen Mut machen, ihnen sagen: Ihr dürft glücklich sein, auch wenn euch so etwas passiert ist.
Geholfen hat mir schlussendlich der positive Schwangerschaftstest. Der war für mich ausschlaggebend, um weiterzukämpfen und wieder glücklich sein zu wollen. Morena, von sexualisierter Gewalt Betroffene
Mich nach der Tat auf einen neuen Partner einzulassen, war eine schwierige Mission. Mein Partner ist von Anfang an sehr respektvoll und feinfühlig mit mir umgegangen. Er hat mir gesagt, dass uns Schicksalsschläge auch stärker machen können, sofern wird das zulassen. Geholfen hat mir schlussendlich der positive Schwangerschaftstest. Der war für mich ausschlaggebend, um weiterzukämpfen und wieder glücklich sein zu wollen. Meine Schwangerschaft war für mich ein Zeichen von Heilung, denn ich konnte jahrelang nicht schwanger werden. Ich wollte nicht, dass das Baby meine Stresshormone spürt, deshalb habe ich entschieden, alles nicht mehr so nah an mich heranzulassen. Vor der Gerichtsverhandlung war ich nervös, aber ich habe mich auch stark und mutig gefühlt. Meine Tochter hat mir unbewusst viel Kraft gegeben, denn ich wusste, ich mache das auch für sie.
Vor der Geburt habe ich versucht, mögliche Trigger aus dem Weg zu schaffen: Ich habe auf die Geburtswunschliste geschrieben, dass ich sexualisierte Gewalt erfahren habe und deshalb möchte, dass sie mich vor jeder vaginalen Untersuchung fragen und mir genau erklären, weshalb sie mich untersuchen. Ausserdem habe ich mich in der Therapie darauf vorbereitet, wie ich mich wieder beruhigen kann, falls ich durch vaginale Eingriffe getriggert werde. Ich hatte keine einfache Geburt, es war intensiv und anstrengend, aber die Hebammen waren empathisch und haben mir Vertrauen vermittelt, so dass ich im Einklang mit allem war.
Ich will meiner Tochter eine starke, glückliche und mutige Mama sein. Ich will, dass sie und andere Mädchen es später schöner haben und nicht wie wir Angst haben müssen. Das treibt mich an, weiterzukämpfen – gegen die Mythen, die Tabuisierung und die Stigmatisierung, die mit dem Thema sexualisierte Gewalt einhergehen und für ein konsensbasiertes Sexualstrafrecht, dass allen klar macht: nur ein Ja ist ein Ja!
* Die Tat gilt gemäss dem heutigen Schweizer Sexualstrafrecht nicht als Vergewaltigung, sondern als sexuelle Nötigung.