Die Bekanntgabe der Ergebnisse fällt zeitlich mit dem Uno-Klimagipfel in Spanien zusammen. Amnesty International richtet in diesem Zusammenhang einen Appell an Staats- und Regierungschef weltweit: Ihr Versagen, die Klimakrise anzugehen, entfremdet sie der jungen Generation.
Julie Verhaar, Generalsekretärin ad interim von Amnesty International, ist über das Umfrageergebnis nicht verwundert: «In einem Jahr, in dem sich junge Leute in enorm grosser Zahl für das Klima engagieren, ist es nicht überraschend, dass viele der Befragten darin eines der wichtigsten globalen Probleme sehen.»
Im Auftrag von Amnesty International befragte das Meinungsforschungsinstitut Ipsos MORI mehr als 10'000 Personen der sogenannten Generation Z – Altersgruppe der 18-25-Jährigen. Für die 22 Länder umfassende «Future of humanity»-Umfrage wurden, mit einer Ausnahme, jeweils etwa 500 Personen eines Landes interviewt (so auch in der Schweiz).
Die Umfrageteilnehmenden wurden dazu aufgefordert, fünf Themen aus einer Liste von 23 wichtigen globalen Problemen auszuwählen. Klimawandel wurde von 41% aller Teilnehmenden ausgewählt und belegte damit den Spitzenplatz der globalen Rangliste, gefolgt von Umweltverschmutzung (36%) und Terrorismus (31%).
Die globale Erwärmung wurde von 57% der Teilnehmenden als wichtigstes globales Umweltthema identifiziert.
Die globale Erwärmung wurde von 57% der Teilnehmenden als wichtigstes globales Umweltthema identifiziert. Zur Auswahl standen 10 Umweltaspekte, darunter Verschmutzung der Ozeane, Luftverschmutzung und Waldzerstörung.
Julie Verhaar rief dazu auf, die Feiern zum Menschenrechtstag auch dazu zu nutzen, um anzuerkennen, dass die Klimakrise zum wohl entscheidenden Thema für die jüngeren Generationen werden wird. Denn das Recht auf eine gesunde Umwelt, einschliesslich eines sicheren Klimas, ist eine wesentliche Voraussetzung, um an vielen anderen Rechten teilhaben zu können. Wörtlich erklärte sie: «Junge Leute sehen sich heute dazu gezwungen, die Führungsrolle bei der Einforderung dieses Rechts zu übernehmen.»
Eine Mehrheit der UmfrageteilnehmerInnen aus der Schweiz (58%) ist der Ansicht, dass der Klimawandel eines der wichtigsten Themen ist, denen die Welt sich heute gegenübersieht.
Auch in der Schweiz war eine Mehrheit der UmfrageteilnehmerInnen (58%) der Ansicht, dass der Klimawandel eines der wichtigsten Themen ist, denen die Welt sich heute gegenübersieht. Auf den weiteren Plätzen folgten Umweltverschmutzung (49%) und sicherer Zugang zu Wasser (37%). Sorgen machen junge Leute sich auch über den Terrorismus (33%), den Verlust von natürlichen Ressourcen (30%) und die Gewalt gegen Frauen (24%).
Die Generation Z «lebt in einem gescheiterten System«
Die Umfrageergebnisse werfen jedoch nicht nur ein Licht darauf, wie die Klimakrise wahrgenommen wird, sondern darüber hinaus auf den tagtäglichen Kampf und die Sorgen der Generation Z in ihren jeweiligen Ländern.
In allen 22 Umfrageländern wird Korruption als ein sehr ernstes nationales Problem wahrgenommen (36%). Weitere wichtige nationale Aspekte waren wirtschaftliche Stabilität (26%), Umweltverschmutzung (26%), Ungleichheit bei der Einkommensverteilung (25%), Klimawandel (22%) und Gewalt gegen Frauen (21%).
Für die Schweiz wurde die folgende Rangliste der Sorgenpunkte ermittelt: Ungleichheit in der Einkommensverteilung (45%), Klimawandel (39%), Umweltverschmutzung (31%), Migration (28%) und Ungleichbehandlung der Geschlechter (27%).
Die Bekanntmachung der Umfrageergebnisse fällt in eine Zeit globaler Unruhen mit Massenprotesten in Algerien, Chile, Hong Kong, im Iran, im Libanon und im Sudan. Viele dieser Bewegungen werden zum grossen Teil von jungen Leuten und Studierenden angeführt, die lautstark ihrem Ärger über Korruption, Ungleichheit und Machtmissbrauch Luft machen und sich damit gewalttätiger Repression aussetzen.
Aufruf zur Systemänderung auf der Grundlage der Menschenrechte
Neben der Bedeutung des Klimawandels für die Generation Z zeigt die Umfrage «Future of humanity», dass eine deutliche Mehrheit junger Leute die Menschenrechte im Allgemeinen als ein wichtiges Gut einschätzt und verlangt, dass die Regierung die führende Verantwortung für ihren Schutz übernimmt.
Die Mehrheit der Teilnehmenden stimmte den folgenden Aussagen zu:
- Der Schutz der Menschenrechte ist wesentlich für die Zukunft des Landes (stimme zu: 73%, stimme nicht zu: 11%)
- Regierungen sollten das Wohlergehen ihrer Bürger ernster nehmen als das Wirtschaftswachstum (stimme zu: 63%, stimme nicht zu: 13%)
- Menschenrechte müssen auch dann geschützt werden, wenn dies negative Auswirkungen auf die Wirtschaft hat (stimme zu: 60%, stimme nicht zu: 15%)
Die Ergebnisse zeigen unzweideutig, dass in allen befragten Ländern viele junge Leute der Ansicht sind, dass die Regierung die Hauptverantwortung bei der Aufrechterhaltung der Menschenrechte trägt. Die Zuweisung der Verantwortung fällt eindeutig aus: Regierung (73%), Privatpersonen (15%), Wirtschaft (6%), gemeinnützige Organisationen (4%).
Die Ereignisse des Jahres 2019 zeigen uns, dass die jüngeren Generationen einen Platz am Verhandlungstisch verdient haben. Die Diskussion darüber, wie wir die Herausforderungen, denen sich die Menschheit gegenübersieht, behandeln wollen, muss die Stimmen derer einschliessen, die sich an vorderster Front dafür einsetzen. Wenn wir dies nicht tun, dann werden sich die gegenwärtigen Krisen in aller Welt nur noch verschärfen.
Hintergrundinformationen
Im September 2019 hat Amnesty International das Meinungsforschungsinstitut Ipsos MORI damit beauftragt, in 22 Ländern eine Online-Umfrage unter jungen Leuten in der Altersgruppe der 18-25-Jährigen durchzuführen. Sie sollten befragt werden zu ihren Ansichten zu Menschenrechten und die gegenwärtige globale Lage. Die Datenerhebung erfolgte vom 6. September bis zum 2. Oktober 2019.
Die Länder – Argentinien, Australien, Brasilien, Deutschland, Grossbritannien, Indien, Kanada, Kenia, Mexiko, Nigeria, Österreich, Pakistan, Schweden, die Schweiz, Spanien, Südafrika, Südkorea, Taiwan, Tunesien, die Ukraine, Ungarn und die USA – vertreten alle sechs bewohnten Kontinente.
Die Interviews wurden online geführt. Zur Befragung wurden Personenpools (Panel) von Iposo MORI und anderen Dienstleistern eingesetzt. In den meisten Ländern wurden etwa 500 Personen interviewt. Die Ausnahme bildete Tunesien mit 395 Teilnehmenden. Es wurden Quoten für Geschlechts- und Altersgruppen sowie – sofern die Panelgrösse dies zuliess – die Region beachtet, um so einen guten Querschnitt zu erhalten. Im Falle Tunesiens wurden keine Quoten angewandt. Die Daten wurden nachträglich nach Massgabe bekannter Offline-Proportionen nach Alter, Geschlecht und Region gewichtet. Für Nigeria wurde auf eine Regionsgewichtung verzichtet. Online-Populationen in Argentinien, Brasilien, Indien, Kenia, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Südafrika, Tunesien und der Ukraine sind urbaner, besser gebildet und/oder wohlhabender als die Durchschnittsbevölkerung. Die Ergebnisse in diesen Ländern sollten deshalb als die Meinung einer besser «verbundenen» Bevölkerungsgruppe interpretiert werden. Prozentangaben wurden auf die nächstliegende ganzzahlige Prozentzahl gerundet.