Eine Familie mit ausländisch klingendem Namen erhält keinen Termin für eine Wohnungsbesichtigung. Ein Hotel verweigert einer sehbehinderten Frau, angeblich aus Sicherheitsgründen, die Übernachtung. Ein Schweizer mit dunkler Hautfarbe wird ständig von der Polizei kontrolliert. Ein gleichgeschlechtliches Paar darf kein Kind adoptieren oder Fortpflanzungsmedizin nutzen. Eine Transfrau wird tätlich angegriffen, die Tat jedoch nicht als Hassverbrechen registriert. Eine jüdische Familie wird auf offener Strasse beschimpft. Eine fahrende Roma-Gemeinschaft hat Mühe, in der Schweiz einen Stellplatz zu finden. Ein Mädchen mit Kopftuch wird an einer Ladenkasse übersehen«.
Die Beispiele für Diskriminierung und Rassismus sind zahlreich. Wo steht die Schweiz, was den Schutz davor angeht? Auf dem Papier hat sie Fortschritte gemacht. Aber es gibt noch viele Lücken, auch wenn in der Bundesverfassung ein Gleichheitsgebot und ein Diskriminierungsverbot existieren. Letzteres fand mit der Verfassungsrevision von 1999 Eingang und lautet: «Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.» Die Liste ist absichtlich nicht abschliessend, damit auf Veränderungen reagiert werden kann. Ebenfalls in der Verfassung festgehalten ist die Gleichstellung von Mann und Frau. Daneben existieren auf Bundesebene die Rassismus-Strafnorm und das Bundesgesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung.
Gesetz gefordert
Was aus Sicht von Menschenrechtsorganisationen aber eindeutig fehlt, ist ein allgemeines Anti-Diskriminierungsgesetz. Denn das in der Verfassung festgehaltene Diskriminierungsverbot ist vor Gericht bis jetzt erfahrungsgemäss schwierig durchzusetzen. Ein umfassendes Gesetz würde Betroffenen von Rassismus und Diskriminierung helfen, zu ihrem Recht zu kommen. Häufig findet die Ausgrenzung ja im Alltag statt, zum Beispiel bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche. Hier greift auch die Rassismus- Strafnorm nicht, ganz abgesehen davon, dass sie Benachteiligung aufgrund anderer Merkmale, zum Beispiel der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität, nicht abdeckt. Ein neues Gesetz könnte dafür sorgen, dass auch Benachteiligung durch Private geahndet werden kann. Der Bundesrat und die Bundesversammlung lehnen ein solches Gesetzprojekt bis jetzt allerdings ab.
Problematischer Diskurs
Während wir noch auf ein umfassendes Gesetz warten, traten in den letzten Jahren diskriminierende Vorstösse in Kraft: zum Beispiel das Verhüllungsverbot im Tessin oder das Minarettverbot. Sie schreiben sich ein in einen grösseren politischen Diskurs, der sich laut der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus immer wieder an der Grenze zu rassistischer Diskriminierung bewegt, wobei diese Grenze von Zeit zu Zeit auch überschritten wird. In trauriger Erinnerung ist das «Messerstecher-Inserat» der SVP, das eine ganze Volksgruppe verunglimpfte, was auch das Bundesgericht feststellte.
Es ist geradezu paradox: Die Schweiz hat eine lange Tradition, verschiedene Minderheiten unter einen Hut zu bringen; das friedliche Zusammenleben von vier Sprachgemeinschaften wird auch im Ausland gelobt. Doch gibt es gegenüber anderen Gruppen immer wieder Ablehnung. Statt dass Politikerinnen und Politiker ihr Amt nutzen, um ganz klar zu zeigen, dass Ausgrenzung in der Schweiz keinen Platz hat, bedienen manche gewieft fremden- und islamfeindliche Vorurteile. So werden diese Ressentiments salonfähig und finden zum Beispiel in den sozialen Medien einen neuen Spielplatz. Dort scheint die Hemmschwelle tief, um rassistische oder diskriminierende Statements abzugeben. Das Strafrecht bietet zwar gewisse Handhabe gegen rassistische Äusserungen, stösst aber gerade bei anonymen Kommentaren an seine Grenzen.
Bildung hilft
Wie weit Diskriminierung im Extremfall führen kann, hat uns der Zweite Weltkrieg in schrecklicher Weise vor Augen geführt. Nicht zufällig heisst es im ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die nach dem Schock des Zweiten Weltkriegs verabschiedet wurde: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.« Die Bilder aus dem Konzentrationslager Auschwitz hatten die Weltgemeinschaft nachhaltig erschüttert. Der Holocaust begann aber nicht erst in Auschwitz, sondern Jahre zuvor mit alltäglichen Schikanen gegen «Sündenböcke» wie jüdische Menschen oder Roma. Gerade deshalb ist es so wichtig, der Diskriminierung ganz früh einen Riegel vorzuschieben.
Nötig sind neben Gesetzen auch Prävention und Bildung. Sie können vermitteln, mit welchen Problemen Minderheiten überhaupt kämpfen. Für Angehörige der Mehrheit ist das oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich, und auch ohne bösen Willen kann es zu ausgrenzendem Verhalten kommen. Wir alle müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, was unsere Mitmenschen brauchen, damit sie sich gleichberechtigt fühlen und es auch sind.