© santypan / shutterstock.com
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Rassismus Rassismus: Diskriminierung aufgrund von Herkunft, «Rasse» oder Ethnie

September 2020
Vorurteile, Hass und Gewalt gegenüber Menschen, die als «anders» oder «fremd» wahrgenommen werden, haben viele Ursachen – und sie haben schwerwiegende Folgen: Sie reichen von Ausgrenzung und Diskriminierung über Apartheid bis hin zu ethnischen Säuberungen und Völkermord.

Einzelnen Personen,  aber auch Gruppen und ganzen Gesellschaften, fällt es manchmal schwer, Menschen, die sie als «anders» wahrnehmen, als gleichberechtigte Mitmenschen zu akzeptieren. Gründe für die Ablehnung und Abwertung können individuelle oder kollektive Ängste sein, aber auch wirtschaftliche oder politische Machtinteressen. Wenn das «Anderssein» an der Hautfarbe, der Herkunft oder dem kulturellen Hintergrund festgemacht wird, spricht man von rassistischer Diskriminierung. Eine völkerrechtliche Definition von Rassismus gibt es zwar nicht, jedoch verbieten international anerkannte Menschenrechtsstandards die Diskriminierung aufgrund von «Rasse» oder Ethnie.

Eine völkerrechtliche Definition von Rassismus gibt es zwar nicht, jedoch verbieten international anerkannte Menschenrechtsstandards die Diskriminierung aufgrund von «Rasse» oder Ethnie.

Rassismus ist ein Angriff gegen die universellen Menschenrechte an sich. Er verleugnet eines der Grundprinzipien der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, das besagt, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Rassismus verweigert einigen Menschen systematisch die Ausübung ihrer Grundrechte unter dem Vorwand der Hautfarbe, der «Rasse» oder ethnischen Herkunft, der sozialen (einschliesslich z.B. der Kaste) oder nationalen Herkunft. Somit stellt er eine Bedrohung für alle Menschenrechte dar, seien es die bürgerlichen und politischen oder die wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Rechte.

Das Recht, nicht rassistisch diskriminiert zu werden, ist ein Grundpfeiler der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung. Es ist ein Prinzip, das in praktisch allen wichtigen Menschenrechtsinstrumenten sowie in der Charta der Vereinten Nationen enthalten ist. Auch ist es eines der erklärten Ziele der Uno, «die internationale Zusammenarbeit ... zu fördern und zur Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion beizutragen».

Dennoch besteht Rassendiskriminierung in fast allen Gesellschaften fort – trotz der Bemühungen der Vereinten Nationen und von Organisationen auf der ganzen Welt, die sich der Bekämpfung des Rassismus verschrieben haben, und trotz der guten Absichten, die in unzähligen Verfassungen und anderen rechtsverbindlichen Texten verkündet werden.

Rassistische Ideologien

In seiner klassischen Ausprägung geht Rassismus davon aus, dass die Menschheit eingeteilt werden kann in biologisch definierte «Rassen» mit genetisch bedingten Merkmalen, nach denen sie sich voneinander unterscheiden. Historisch wurde aus diesen Unterschieden eine Hierarchie von «höheren» und «minderwertigen Rassen» abgeleitet, denen entsprechende Privilegien zukommen oder eben vorenthalten werden dürfen. Rassismus diente deshalb in der Vergangenheit auch als Rechtfertigung des Kolonialismus und der Sklaverei.

Der Begriff der «Rasse» selbst hat keine wissenschaftliche Grundlage.

Der Begriff der «Rasse» selbst hat keine wissenschaftliche Grundlage. Heute wird er als Kern eines problematischen ideologischen Konzepts betrachtet. Erweitert auf Eigenschaften, die bestimmten Menschengruppen aufgrund ihrer Herkunft, Ethnie oder Nationalität zugeschrieben werden, lebt Rassismus als Ideologie auch heute weiter, zum Beispiel, wenn gewissen Menschen(gruppen) bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeschrieben werden, wie «Männer aus dem Balkan sind Machos», «Nigerianer sind Drogendealer» oder «Roma sind Diebe». Solch pauschale Vorurteile müssen zwar nicht immer in konkrete rassistische Handlungen umschlagen, aber sie bergen den Keim dazu in sich.

Rassismus ist also eine sozio-politische Kategorisierung, die im Allgemeinen auf der Grundlage von äusserlichen Merkmalen konstruiert wird. Er werden fiktive Abstammungs- und Herkunftsgemeinschaften erschaffen, denen als schwer veränderbar interpretierte Merkmale zugeordnet werden. Rassenkategorien sind willkürlich und werden oft für politische Zwecke verwendet. Die eigentliche Bedeutung der «Rasse» und die ideologischen Ausdrucksformen des Rassismus ändern sich je nach Epoche und nach geografischer Region. Rassismus wird von dominanten Gruppen oft als Rechtfertigung für ihren privilegierten Status in der Gesellschaft benutzt. Eine rassistische Einstellung kann aber manchmal auch ein Ausdruck der Entfremdung und Verzweiflung von Personengruppen sein, die ihrerseits von der Gesellschaft marginalisiert werden.

Rassistische Diskriminierung

Im Gegensatz zu Rassismus als Ideologie spricht man von rassistischer Diskriminierung (bzw. Rassendiskriminierung), wenn Menschen wegen ihrer äusseren Erscheinung, Hautfarbe, Herkunft, Ethnie oder Nationalität ungleich behandelt, benachteiligt und in Worten oder Taten herabgesetzt und/oder angegriffen werden. 

Das Verbot der Rassendiskriminierung ist einer der wichtigsten Grundsätze des Völkerrechts.

Das Verbot der Rassendiskriminierung ist einer der wichtigsten Grundsätze des Völkerrechts. Der Internationale Gerichtshof erklärte vor 50 Jahren, dass der Schutz vor Rassendiskriminierung zu den Verpflichtungen gehört, die dem Staat obliegen. «Diese Verpflichtungen ergeben sich [...] aus den Prinzipien und Regeln der Grundrechte des Menschen, einschliesslich des Schutzes vor Sklaverei und Rassendiskriminierung. » (Urteil im Fall, Barcelona Traction, Light and Power Company Ltd (Belgien gegen Spanien), Internationaler Gerichtshof, 1970)

Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung wurde 1965 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen einstimmig angenommen. Es trat für die Schweiz 1994 in Kraft und definiert den Tatbestand der rassistischen Diskriminierung wie folgt: «…jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschliessung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Geniessen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.»

Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung nennt eine Reihe von Grundrechten und Massnahmen zur Beseitigung der Rassendiskriminierung in allen ihren Formen. Es zielt auch darauf ab, Gleichheit zu fördern, so dass alle Menschen in gleicher Weise in den Genuss aller grundlegenden Menschenrechte kommen können, sowohl im zivilen und politischen als auch im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich. Darüber hinaus sind die Staaten, die das Übereinkommen ratifizieren, verpflichtet, Personen vor allen Formen der Diskriminierung zu schützen – unabhängig davon, ob diese von Privatpersonen oder von staatlichen Akteuren selbst ausgehen.

Mit diesem Übereinkommen wurde zum ersten Mal ein Gremium geschaffen – der Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) –, dessen Aufgabe es ist, zu überwachen und zu beurteilen, wie die Staaten ihren Verpflichtungen aus den Bestimmungen des Übereinkommens nachkommen.

Das Verbot der Rassendiskriminierung steht auch im Mittelpunkt anderer wichtiger UN-Instrumente. Es ist unter anderem im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), im Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC) und im Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT) verankert.

Die Antirassismus-Strafnorm in der Schweiz

Als Folge des Beitritts zur Antirassismus-Konvention der Uno wurde in der Schweiz auch das innerstaatliche Instrumentarium geschärft, um rassistische, fremdenfeindliche und religionsfeindliche Verhaltensweisen zu verhindern und rechtlich gegen sie vorgehen zu können. Nach einer heftigen politischen Debatte stimmte das Volk im Jahr 1994 einem neuen Artikel im Strafgesetzbuch zu, der rassistische Äusserungen in der Öffentlichkeit und rassistisch motivierte Taten verbietet und unter Strafe stellt: Die sogenannte «Antirassismus-Strafnorm», Art. 261bis StGB.

Im Zeitraum von 1995 bis 2019 wurden gemäss der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) gegen 933 Fälle zu Art. 261bis StGB registriert. In 39 Prozent der Fälle kam es zu einem Freispruch, einer Einstellungsverfügung, oder es wurde gar kein Strafverfahren eröffnet. In 61 Prozent der Fälle wurden die Angeschuldigten verurteilt. Die häufigste Form rassistischer Diskriminierung, die in der Schweiz festgestellt wird, ist jene der verbalen Äusserung

Rassistische Diskriminierung und Meinungsäusserungsfreiheit

Das Verbot rassistischer Diskriminierung kann in Widerspruch geraten zum Recht auf freie Meinungsäusserung. In einem viel beachteten Fall hat zum Beispiel der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2013 die Schweiz in einem am 15. Oktober 2015 von der Grossen Kammer bestätigten Urteil gerügt, weil sie den türkischen Nationalisten Dogu Perinçek aufgrund der Antirassismus-Strafnorm verurteilt hatte. Perinçek hatte in öffentlichen Auftritten in der Schweiz den Völkermord an den Armeniern in Abrede gestellt. Das Recht auf freie Meinungsäusserung ist kein absolutes Recht. Wie andere Rechte auch kann es eingeschränkt werden, wenn andere Grundrechte auf dem Spiel stehen, zum Beispiel eben das Recht, nicht diskriminiert zu werden. Das Völkerrecht stellt an solche Einschränkungen aber sehr hohe Anforderungen: Sie müssen eine gesetzliche Grundlage haben, ein legitimes Ziel verfolgen – etwa den Schutz der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Moral oder der Rechte und Freiheiten Dritter -, und sie müssen verhältnismässig sein.