Amnesty Report zur Todesstrafe 2014

Aktualisiert April 2015
Weniger Hinrichtungen und mehr Todesurteile: Diesen Trend stellt Amnesty International im Bericht zur Todesstrafe im Jahr 2014 fest. Eine Reihe von Staaten setzte 2014 auf die Todesstrafe, um innerstaatliche Konflikte oder terroristische Bedrohungen zu bekämpfen.

 

Für das Jahr 2014 hat Amnesty International Hinrichtungen in 22 Staaten dokumentiert. Die Anzahl der bekannt gewordenen Todesurteile stieg stark an: Es wurden 500 Todesurteile mehr ausgesprochen als im Vorjahr, insgesamt 2‘466. Dieser beunruhigende Anstieg resultiert vor allem aus Massenverurteilungen in Ägypten und Nigeria, die so auf interne Konflikte reagierten. Pakistan kündigte nach dem Angriff der Taliban auf eine Schule in Peschawar die Hinrichtung Hunderter Gefangener an, die wegen terroristischer Straftaten verurteilt wurden. «Terrorismus» war auch die Begründung für Hinrichtungen im Iran und Irak.

Für das Jahr 2014 dokumentierte Amnesty aber auch positive Entwicklungen: Die Anzahl der durchgeführten Hinrichtungen ist mit 607 Vollstreckungen im Vergleich zu 2013 um 22 Prozent zurückgegangen (China ausgenommen). Noch vor 20 Jahren vollstreckten 41 Staaten die Todesstrafe, 2014 waren es nur noch 22. In den USA und in Afrika gehen schon seit Jahren die Zahlen der Todesurteile und Hinrichtungen zurück. In Madagaskar verabschiedete das Parlament 2014 ein Gesetz zur Abschaffung der Todesstrafe.

Globaler Trend zur Abschaffung der Todesstrafe

Weltweit haben gut 70 Prozent aller Staaten (140) die Todesstrafe aus ihren Strafgesetzen gestrichen oder wenden sie in der Praxis nicht mehr an (Stand Juli 2015):

  • 101 Staaten haben die Todesstrafe vollständig abgeschafft.
  • 6 Staaten sehen die Todesstrafe nur noch für aussergewöhnliche Straftaten wie etwa Kriegsverbrechen oder Vergehen nach Militärrecht vor.
  • 33 Staaten haben die Todesstrafe in der Praxis, aber nicht im Gesetz abgeschafft.

Somit wenden momentan insgesamt 140 Staaten die Todesstrafe nicht mehr an.

  • 58 Staaten halten weiterhin an der Todesstrafe fest. In diesen Ländern leben allerdings rund zwei Drittel der Weltbevölkerung.

Die Todesstrafe im Jahr 2014

In diesem Jahr gab es Fortschritte und Rückschlage im globalen Trend zur Abschaffung:

Im Jahr 2014 wurden mindestens 607 Menschen hingerichtet; 22 Prozent weniger als im Vorjahr (2013: 778).

Mindestens 2466 Todesurteile wurden ausgesprochen; 28 Prozent mehr als im Vorjahr (2013: 1722). Für den Anstieg sind insbesondere zwei Länder verantwortlich: In Ägypten und Nigeria wurden in Massenprozessen Hunderte zum Tode verurteilt.

Ende 2014 gab es weltweit mindestens 19.094 zum Tod verurteilte Personen.

2014 war erneut eine kleine Gruppe von Staaten für einen Grossteil der Hinrichtungen verantwortlich: China, Iran (mindestens 289), Saudi-Arabien (mindestens 90), Irak (mindestens 61), sowie die USA (35).

Zahlen zu China veröffentlicht Amnesty seit 2009 nicht mehr, da China Angaben zur Todesstrafe geheim hält. Amnesty geht davon aus, dass dort weiterhin jährlich tausende Menschen – und somit mehr als im Rest der Welt zusammen – hingerichtet werden.

2014 fanden lediglich in 22 Staaten Hinrichtungen statt. Das ist 50% weniger als vor 20 Jahren (1995: 41).

Hinrichtungsmethoden

Im Jahr 2013 wurden folgende Hinrichtungsmethoden angewendet:

Enthaupten – Saudi-Arabien

Erhängen – Afghanistan, Egypt, Ägypten, Bangladesch, Iran, Irak, Japan, Jordanien, Malaysia, Pakistan, Palestina, Singapur, Sudan

Giftinjektion – China, USA, Vietnam

Erschiessen – Belarus, China, Equatorial Guinea, Nordkorea, Palästina, Saudi-Arabien, Somalia, Taiwan, Yemen, Vereinigte Arabische Emirate

Steinigungen und öffentliche Hinrichtungen

2014 gab es wie in den Jahren zuvor keine Berichte über Steinigungen (zuletzt 2009). Eine Frau wurde in den Vereinigten Arabischen Emiraten wegen «Ehebruch» zum Tod durch Steinigung verurteilt.

Öffentliche Hinrichtungen wurden aus Iran, Nordkorea, Saudi-Arabien und Somalia bekannt.

Unfaire Verfahren, Folter

In vielen Staaten, in denen Menschen zum Tode verurteilt oder hingerichtet wurden, entsprachen die Gerichtsverfahren nicht den internationalen Standards für einen fairen Prozess.

Oft basierten die Todesurteile und Hinrichtungen auf «Geständnissen», die durch Folter oder Misshandlung zustande gekommen waren. Dies war insbesondere in folgenden Staaten der Fall: Afghanistan, Bahrain, China, Irak, Iran, Nordkorea und Saudi-Arabien.

Nicht nur für «schwerste Verbrechen»

Es wurden weiterhin Menschen wegen Verbrechen zum Tode verurteilt oder hingerichtet, bei denen keine vorsätzliche Tötung vorlag. Damit wurde die Schwelle der «schwersten Verbrechen», die der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte für die Verhängung eines Todesurteils setzt, nicht erreicht.

Von rund zehn Staaten (in Asien und im Nahen Osten) ist bekannt, dass sie die Todesstrafe für Drogendelikte anwandten.

Weitere Straftatbestände, die mit der Todesstrafe geahndet wurden, waren Ehebruch (Vereinigte Arabische Emirate), Blasphemie / Gotteslästerung (Pakistan), Wirtschaftsdelikte (China, Nordkorea, Vietnam), Vergewaltigung (Afghanistan, Indien, Iran, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate) und Hexerei (Saudi-Arabien).

Hinrichtung von Unschuldigen

Solange an der Todesstrafe festgehalten wird, lässt sich das Risiko, Unschuldige hinzurichten, nicht ausschliessen. Seit 1973 wurden in den USA mehr als 140 zum Tod verurteilte Gefangene aus der Todeszelle entlassen, nachdem ihre Unschuld anerkannt worden ist. Die meisten von ihnen verbrachten viele Jahre im Todestrakt, einige standen nur wenige Stunden vor ihrer drohenden Hinrichtung. Andere Gefangene wurden hingerichtet, obwohl starke Zweifel an ihrer Schuld bestanden.

Das Problem der möglichen Hinrichtung von Unschuldigen beschränkt sich nicht auf die USA. Im Jahr 2006 entliessen Tansania und Jamaika jeweils einen Gefangenen aus der Todeszelle. In Südkorea wurden acht Angehörige der pro-demokratischen Bewegung posthum als unschuldig erklärt. Sie waren im April 1997 in Seoul gehängt worden wegen «Verrats». Zu Unrecht verhängte Todesurteile sind in jüngerer Zeit auch aus Australien, China, Grossbritannien, Japan, Kanada, Pakistan, Südkorea, Taiwan und Uganda bekannt.

Todesstrafe für Jugendliche

In Iran wurden mindestens 14 Personen hingerichtet, die zum Zeitpunkt der Tat jugendlich waren (jünger als 18 Jahre). Ägypten, Iran und Sri Lanka haben Jugendstraftäter zum Tod verurteilt.

Internationale Menschenrechtsverträge verbieten es, Menschen zum Tode zu verurteilen, die zur Tatzeit noch nicht das 18. Lebensjahr erreicht hatten. Oft ist das Alter der Täter umstritten, wenn keine klaren Belege, wie etwa eine Geburtsurkunde vorliegen. Die Exekution von zur Tatzeit unter 18-Jährigen stellt einen Verstoss gegen das Völkerrecht dar.

Geheimhaltung

Viele Ländern, die Hinrichtungen durchführen, tun dies unter strikter Geheimhaltung; der Öffentlichkeit werden keine Informationen gegeben und in einigen Fällen werden nicht einmal die Angehörigen und Anwälte im voraus über Hinrichtungen informiert.

In Belarus, China und Vietnam ist die Anwendung der Todesstrafe ein Staatsgeheimnis. Wenig Informationen sind erhältlich in Eritrea, Malaysia, Nordkoera und Syrien.

Fortschritte

Der globale Trend zur Abschaffung der Todesstrafe ist nicht mehr umzukehren. Jedes Jahr wird der Kreis derjenigen Staaten, die auf die Todesstrafe verzichten, grösser.

1948, im Jahr der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, hatten nur gerade acht Staaten die Todesstrafe abgeschafft.

Seit Beginn der 1990er Jahren haben über 50 Staaten die Todesstrafe für alle Delikte abgeschafft.

Im Jahr 2007 haben Albanien, die Cook Islands und Ruanda die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft. Kirgistan und Kasachstan verzichten in Friedenszeiten auf die Todesstrafe.

2008 haben Usbekistan und Argentinien entschieden, definitiv auf die Todesstrafe zu verzichten.

2009 schlossen sich Togo und Burundi diesem Beispiel an.

2010 schaffte Gabon die Todesstrafe endgültig ab und die Mongolei beschloss ein Moratorium. Im Dezember 2010 fand die dritte Uno-Resolution für ein Todesstrafen-Moratorium mehr Zustimmung in der Generalversammlung als je zuvor.

2011 machten mehrere Staaten entscheidende Schritte zur Abschaffung der Todesstrafe: Lettland (Abschaffung seit Anfang 2012); Sierra Leone und Nigeria (Moratorium für Hinrichtungen); Benin und Mongolei (Annahme von Konventionen zur Abschaffung der Todesstrafe). Ausserdem schaffte der US-Bundesstaat Illinois die Todesstrafe ab.

2012 strich Lettland die Todesstrafe vollständig aus seinen Gesetzen. Als 17. Bundesstaat der USA gab Connecticut im April 2012 die Todesstrafe auf.

2013 schaffte Maryland als 18. Bundesstaat der USA die Todesstrafe ab. Angola, Bolivien und Guinea-Bissau machten rechtliche Schritte zur Abschaffung der Todesstrafe.

2014 Mehrere Staaten unternahmen Schritte in Richtung Abschaffung der Todesstrafe. Im Dezember stimmten mehr Staaten als je zuvor für eine Uno-Resolution, die ein Moratorium für Hinrichtungen fordert.