Globaler Trend zur Abschaffung der Todesstrafe
Weltweit haben gut 70 Prozent aller Staaten (142) die Todesstrafe aus ihren Strafgesetzen gestrichen oder wenden sie in der Praxis nicht mehr an (Stand April 2020):
- 106 Staaten haben die Todesstrafe vollständig abgeschafft.
- 8 Staaten sehen die Todesstrafe nur noch für aussergewöhnliche Straftaten wie etwa Kriegsverbrechen oder Vergehen nach Militärrecht vor.
- 28 Staaten haben die Todesstrafe in der Praxis, aber nicht im Gesetz abgeschafft.
- Somit wenden momentan insgesamt 142 Staaten die Todesstrafe nicht mehr an.
- 56 Staaten halten weiterhin an der Todesstrafe fest. In diesen Ländern leben allerdings rund zwei Drittel der Weltbevölkerung.
Weltweite Zahlen
Die meisten Hinrichtungen fanden in China, Iran, Saudi-Arabien, Irak und Ägypten statt – in dieser Reihenfolge.
Es ist davon auszugehen, dass die mit Abstand meisten Hinrichtungen weltweit in China stattfanden – doch ist das wahre Ausmass der Anwendung der Todesstrafe in China nicht bekannt, da diese Informationen als Staatsgeheimnis behandelt werden. So sind die Tausenden von Hinrichtungen, die in China mutmasslich vollzogen wurden, in der globalen Zahl von mindestens 657 vollstreckten Todesurteilen nicht enthalten.
China unberücksichtigt, fanden 86 Prozent der weltweiten Hinrichtungen in nur vier Ländern statt: Iran, Saudi-Arabien, Irak und Ägypten.
Bangladesch und Bahrain nahmen im letzten Jahr Hinrichtungen wieder auf nach einer Unterbrechung im Jahr 2018. Im Gegensatz zu 2018 dokumentierte Amnesty International in Afghanistan, Taiwan und Thailand 2019 keine Hinrichtungen.
Hinrichtungen in Iran nahmen leicht ab, von mindestens 253 in 2018 auf mindestens 251 in 2019. In Irak hingegen verdoppelten sich die Hinrichtungen beinahe, von mindestens 52 in 2018 auf mindestens 100 in 2019. Auch Saudi-Arabien führte eine Rekordzahl von Hinrichtungen durch: Während es 2018 149 Fälle waren, stieg die Zahl 2019 auf 184.
Äquatorialguinea, Gambia, Kasachstan, Kenia, Simbabwe und die Zentralafrikanische Republik leiteten 2019 entweder positive Schritte ein oder machten Ankündigungen, die auf eine Abschaffung der Todesstrafe hinauslaufen könnten.
Des Weiteren strich Barbados die zwingende Todesstrafe aus seiner Verfassung. In den Vereinigten Staaten von Amerika erliess der Gouverneur von Kalifornien ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen im US-Bundesstaat mit der grössten Todestraktpopulation. New Hampshire schaffte die Todesstrafe als 21. Bundesstaat für alle Verbrechen ab.
Gambia, Kasachstan, Malaysia, die Russische Föderation und Tadschikistan hielten weiterhin offizielle Hinrichtungsmoratorien ein.
Am Ende des Jahres 2019 hatten 106 Länder (die Mehrheit der Staaten weltweit) die Todesstrafe im Gesetz für alle Verbrechen abgeschafft, und 142 Ländern (mehr als zwei Drittel aller Staaten weltweit) sie per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.
Amnesty dokumentierte Umwandlungen von Todesurteilen oder Begnadigungen in 24 Ländern:
Ägypten, Bangladesch, China, Gambia, Ghana, Guyana, Indien, Indonesien, Irak, Kuwait, Malaysia, Marokko / Westsahara, Mauretanien, Niger, Nigeria, Oman, Pakistan, Sambia, Simbabwe, Singapur, Sudan, Thailand, USA und Vereinigte Arabische Emirate.
In zwei Ländern erwiesen sich mindestens elf zum Tode verurteilte Gefangene als unschuldig, so dass die Todesurteile aufgehoben wurden: Sambia und USA.
Amnesty dokumentierte im Laufe des Jahres 2019 mindestens 2 307 neue Todesurteile in 56 Ländern im Vergleich zu 2 531 in 54 Ländern in 2018. Allerdings erhielt Amnesty keine offiziellen Zahlen zur Verhängung der Todesstrafe in Malaysia, Nigeria und Sri Lanka, Staaten, in denen es in den Vorjahren hohe offizielle Zahlen an Todesurteilen gegeben hatte.
Weltweit waren Ende 2019 mindestens 26.604 Menschen zum Tode verurteilt.
Die folgenden Hinrichtungsmethoden kamen im vergangenen Jahr weltweit zur Anwendung: Enthauptung, Elektrischer Stuhl, Erhängen, Giftinjektion und Erschiessen.
Mindestens 13 öffentliche Hinrichtungen wurden in Iran dokumentiert.
Mindestens sechs Personen – vier in Iran, eine in Saudi-Arabien und eine in Südsudan – wurden für Verbrechen hingerichtet, die sie als Minderjährige (im Alter von unter 18 Jahren) begangen hatten.
Menschen mit mentalen oder intellektuellen Behinderungen waren in mehreren Ländern zum Tode verurteilt – darunter Japan, Malediven, Pakistan und USA.
Aus einigen Ländern ist bekannt, dass Todesstrafen nach Verfahren verhängt wurden, die nicht den internationalen Rechtsstandards für ein faires Gerichtsverfahren entsprachen. Zu diesen Ländern gehören Ägypten, Bahrain, Bangladesch, China, Irak, Iran, Jemen, Malaysia, Pakistan, Saudi-Arabien, Singapur und Vietnam.
Die Todesstrafe nach Regionen
Afrika (südlich der Sahara)
Vier Länder – Botsuana, Somalia, Sudan und Südsudan – führten in Summe 25 Hinrichtungen in 2019 durch. Insgesamt haben die registrierten Hinrichtungen in der Region im Vergleich zu 2018 um einen Fall zugenommen.
Im zweiten Jahr in Folge sah Südsudan einen alarmierenden Anstieg an Hinrichtungen. Es wurden mindestens elf Personen in 2019 hingerichtet, die höchste Zahl seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 2011. Von den hingerichteten Personen stammten drei aus derselben Familie, eine war zum Tatzeitpunkt noch minderjährig und zum Zeitpunkt der Verurteilung zum Tode erst 17 Jahre alt.
Die Zahl der Todesurteile stieg um 53 Prozent, von mindestens 212 im Jahr 2018 auf mindestens 325 im Jahr 2019. Die Zahl der Länder, die Todesstrafen verhängten, erhöhte sich von 17 im Jahr 2018 auf 18 in 2019.
Amerika (Nord- und Südamerika)
Im 11. Jahr in Folge waren die USA das einzige Land der Region, das Gefangene hinrichtete. Trinidad und Tobago war das einzige Land, das an der zwingenden Todesstrafe für Mord festhielt.
Im Vergleich zu 2018 ist die Zahl der in den USA verzeichneten Hinrichtungen (von 25 auf 22) und die der Todesurteile (von 45 auf 35) zurückgegangen.
Mehr als 40 Prozent aller dokumentierten Hinrichtungen wurden in Texas durchgeführt, dem Bundesstaat, der bei Hinrichtungen in den USA auch weiterhin führend ist (von 13 im Jahr 2018 auf neun im Jahr 2019). Missouri vollstreckte in 2019 ein Todesurteil, nachdem dort im Vorjahr niemand hingerichtet worden war. Im Gegensatz dazu richteten Nebraska und Ohio niemanden hin, nachdem dort in 2018 noch Todesurteile vollstreckt worden waren (eines in jedem Bundesstaat).
Ausserhalb der USA gingen die Fortschritte auf dem Weg zur Abschaffung der Todesstrafe weiter. Barbados strich die zwingende Todesstrafe aus seiner Verfassung, während Antigua und Barbuda, Bahamas, Belize, Dominica, Guatemala, Jamaika, Kuba, St. Kitts und Nevis und St. Lucia leere Todeszellen meldeten und auch keine neuen Todesurteile fällten.
Asien und Pazifik
Zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt war in der Region Asien und Pazifik mit sieben Ländern, die im Laufe des Jahres Hinrichtungen vollzogen, ein Rückgang der Zahl der Länder zu verzeichnen, die die Todesstrafe praktizieren (2018: neun Staaten).
Die Zahl der registrierten Hinrichtungen (29) nahm leicht ab aufgrund von Rückgängen in Japan (von 15 auf drei) und Singapur (von 13 auf vier), allerdings konnte für Vietnam keine Zahlenangabe ermittelt werden. Wie in den Vorjahren enthält diese regionale Gesamtzahl nicht die Tausenden von Hinrichtungen, die für China angenommen werden, und ist beeinflusst von der anhaltenden Geheimhaltung sowohl in diesem Land als auch in Nordkorea und Vietnam.
Während Bangladesch wieder Hinrichtungen (zwei) aufnahm, lagen aus Afghanistan, Taiwan und Thailand keine Berichte über vollstreckte Todesurteile vor, Länder, die alle im Jahr 2018 noch Hinrichtungen durchgeführt hatten. Malaysia hielt sich weiterhin an das offizielle Hinrichtungsmoratorium, das im Juli 2018 erlassen wurde.
Die Zahl der registrierten Hinrichtungen in Pakistan in 2019 entsprach mit mindestens 14 Männern, die gehängt wurden, der Zahl des Vorjahres. Die Zahl der Todesurteile im Land stieg erheblich auf mindestens 632 an, nachdem zusätzliche Gerichte ihre Arbeit aufgenommen hatten, um den Verfahrensrückstand abzubauen.
Die Zahl der Hinrichtungen in Japan sank von 15 in 2018, als das Land seine höchste Zahl seit 2008 verzeichnete, auf drei in 2019. Zwei japanische Männer wurden am 2. August 2019 und ein chinesischer Staatsangehöriger wurde am 26. Dezember exekutiert. Alle drei waren des Mordes für schuldig befunden worden.
Singapur vollzog vier Hinrichtungen in 2019, nach einer Rekordzahl von 13 Hinrichtungen im Jahr 2018.
Die Philippinen versuchten die Todesstrafe für „abscheuliche Verbrechen im Zusammenhang mit illegalen Drogen und Plünderungen“ wiedereinzuführen.
2019 wurden mindestens 1.227 neue Todesurteile in 17 Ländern bekannt, was einem Anstieg von 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.
Europa und Zentralasien
Aus Belarus wurden 2019 mindestens zwei Hinrichtungen gemeldet, während es 2018 mindestens vier waren. 2005 waren zum letzten Mal Hinrichtungen in einem anderen Land der Region durchgeführt worden.
Kasachstan, die Russische Föderation und Tadschikistan hielten sich weiterhin an die offiziellen Hinrich-tungsmoratorien. Kasachstan kündigte zudem Massnahmen an, um den Beitrittsprozess für das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte einzuleiten, das Staaten dazu verpflichtet, die Todesstrafe völlig abzuschaffen.
Naher Osten und Nordafrika
Die Region Naher Osten und Nordafrika verzeichnete einen Anstieg der Zahl der Hinrichtungen um 16 Prozent, von 501 im Jahr 2018 auf 579 im Jahr 2019. Dies markiert eine Trendwende zur seit 2015 beobachteten stetigen Abnahme der Anzahl an Hinrichtungen.
Grund dafür war vor allem eine deutliche Zunahme der Anwendung der Todesstrafe in Irak und Saudi-Arabien. Die Zahl der Hinrichtungen in Irak erlebte mit mindestens 52 im Jahr 2018 und mindestens 100 im Jahr 2019 nahezu eine Verdopplung. Auch Saudi-Arabien führte eine Rekordzahl von Hinrichtungen durch: Während es 2018 149 Fälle waren, stieg die Zahl 2019 auf 184. Zusammen mit Iran sind die Länder für 92 Prozent der dokumentierten Hinrichtungen in der Region verantwortlich.
Von sieben Ländern ist bekannt, dass Hinrichtungen in 2019 durchgeführt wurden:
Ägypten, Bahrain, Irak, Iran, Jemen, Saudi-Arabien und Syrien.
Es wurden 707 neue Todesurteile in 2019 verzeichnet, ein Rückgang um 40 Prozent im Vergleich zu 2018, als 1 170 Todesurteile in der Region registriert wurden.
Ägypten verhängte erneut die meisten bestätigten Todesurteile in der Region, aber die Zahl in 2019 (mindestens 435) war sehr viel geringer als noch in 2018 (mindestens 717). Auch die Zahl der Todesurteile, die irakische Behörden im Laufe des Jahres fällten, lag wesentlich niedriger – mindestens 87 in 2019 im Vergleich zu mindestens 271 in 2018.