Globaler Trend zur Abschaffung
Aktueller Stand der Länder mit oder ohne Todesstrafe:
Abgeschafft für alle Verbrechen: 112
Abgeschafft nur für gewöhnliche Strafen: 9
Abgeschafft in der Praxis: 23
Länder ohne Todesstrafe: 144
Länder mit Todesstrafe: 55
Stand Februar 2023
Zahlen und Fakten
Die Länder mit den höchsten bekannt gewordenen Hinrichtungszahlen1 sind China, Iran, Ägypten, Saudi-Arabien und Syrien – in dieser Reihenfolge.2
Es ist davon auszugehen, dass auch 2021 die mit Abstand meisten Hinrichtungen weltweit in China stattfanden. Das wahre Ausmass der Anwendung der Todesstrafe bleibt jedoch ungewiss, da die chinesische Regierung diese Daten als Staatsgeheimnis behandelt. So sind die Tausenden von Todesurteilen, die in China mutmasslich verhängt und auch vollstreckt wurden, in der weltweiten Bilanz zur Todesstrafe 2021 nicht enthalten.3
Es wurden ausserdem keine Zahlen zu Nordkorea und Vietnam in die Bilanz aufgenommen, da staatliche Statistiken und unabhängige Informationen fehlten. Es wird jedoch angenommen, dass auch diese beiden Staaten 2021 übermässig stark auf die Todesstrafe zurückgriffen.
Unter den 579 Personen, von denen bekannt ist, dass sie im Jahr 2021 exekutiert wurden, befanden sich 24 Frauen (vier Prozent), und zwar in den folgenden Ländern: Ägypten (8), Iran (14), Saudi-Arabien (1) und USA (1).
Belarus, Japan und die Vereinigten Arabischen Emirate nahmen nach Unterbrechungen im Vorjahr wie- der Hinrichtungen auf. Im Gegensatz zu 2020 dokumentierte Amnesty International in Indien, Katar und Taiwan 2021 keine Exekutionen.
In Iran wurden mindestens 314 Menschen hingerichtet (2020: mindestens 246), so viele wie seit 2017 nicht mehr. Der davor rückläufige Trend wurde damit umgekehrt. In Saudi-Arabien stiegen die dokumentierten Hinrichtungen gar von 27 auf 65 an – was einer Zunahme von 140 Prozent entspricht.
Trotz dieser steigenden Zahlen stellen die 2021 erhobenen Angaben die zweitniedrigste Zahl an welt- weiten Hinrichtungen dar, die Amnesty International seit mindestens 2010 erfasst hat. Zum zweiten Mal in Folge dokumentierte Amnesty International damit ein Rekordtief: Im Jahr 2019 gab es weltweit 657 Hinrichtungen, 2020 waren es 483, und 2021 schliesslich 579.
Folgende Hinrichtungsmethoden kamen 2021 bei der Vollstreckung von Todesurteilen zur Anwendung: Enthaupten, Erhängen, Giftinjektion und Erschiessen.
Vier Menschen wurden für Straftaten hingerichtet, die sie als Minderjährige (unter 18-Jährige) begangen hatten: Iran (3) und Jemen (1). In Iran, Myanmar und auf den Malediven sassen Berichten zufolge weitere Personen wegen Straftaten in der Todeszelle, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen hatten.
Zwei Länder, China und Iran, veranlassten mindestens 134 Exekutionen wegen Drogendelikten – 346 Prozent mehr als im Vorjahr, in dem es 30 solcher Hinrichtungen gegeben hatte. Zu Vietnam, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Todesurteile aufgrund von Drogenvergehen vollstreckt wurden, waren keine Informationen verfügbar.
Immer mehr Länder geben die Todesstrafe auf
Im Juli verabschiedete das Parlament von Sierra Leone einstimmig eine Gesetzesänderung, die die Todesstrafe für sämtliche Straftaten abschafft. In Kasachstan wurde das Gesetz im Dezember geändert, sodass keine Straftaten mehr mit der Todesstrafe geahndet werden können. Die Gesetzesänderung trat Anfang 2022 in Kraft. Auch Papua-Neuguinea unternahm entsprechende Schritte: 2021 fanden Beratungen statt und im Januar 2022 wurde ein Gesetzentwurf zur Abschaffung der Todesstrafe angenommen. Die Gesetzesänderung ist jedoch noch nicht in Kraft getreten. Die Regierung Malaysias kündigte an, im dritten Quartal 2022 geplante Rechtsreformen zur Todesstrafe vorzulegen.
Am Ende des Jahres 2021 hatten 108 Länder (die Mehrheit der Staaten weltweit) die Todesstrafe im Gesetz für alle Verbrechen abgeschafft. In 144 Ländern (mehr als zwei Drittel aller Staaten) ist die Todesstrafe de jure oder in der Praxis ausser Vollzug gesetzt. 55 Staaten hielten weiterhin an der Todesstrafe fest.
Amnesty International dokumentierte 2021 in 19 Ländern Umwandlungen von Todesurteilen oder Begnadigungen. Dabei handelt es sich um Bangladesch, Botsuana, die Demokratische Republik Kongo, Guyana, Indien, Indonesien, Iran, Malaysia, Myanmar, Pakistan, Sambia, Sierra Leone, Simbabwe, Südsudan, Taiwan, Thailand, Trinidad und Tobago, USA und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Bei mindestens sieben Inhaftierten in vier verschiedenen Ländern wurden die Todesurteile aufgehoben: Bahrain (1), Kenia (1), USA (2) und Sambia (3).
Todesurteile
Amnesty International registrierte im Laufe des Jahres 2021 mindestens 2052 neue Todesurteile in 56 Ländern. Zum Vergleich: 2020 waren es 1477 in 54 Ländern. Dies kommt einer Zunahme von 39 Prozent gleich.
Äthiopien, Guyana, die Malediven, Oman, Tansania und Uganda verhängten Todesurteile, was sie 2020 nicht getan hatten. Das Gegenteil war der Fall für Bahrain, Komoren, Laos und Niger, die 2021 keine Todesurteile mehr aussprachen.
Bei Jahresende befanden sich weltweit mindestens 28.670 Personen im Todestrakt. 82 Prozent aller Verurteilten verteilten sich auf neun Länder: Irak (mind. 8000), Pakistan (mind. 3800), Nigeria (mind. 3036) USA (2382), Bangladesch (mind. 1800), Malaysia (1359), Vietnam (mind. 1200), Algerien (mind. 1000) und Sri Lanka (mind. 1000).
Aus einigen Ländern wurde bekannt, dass sie Todesstrafen nach Verfahren verhängt haben, die nicht den internationalen Rechtsstandards für ein faires Gerichtsverfahren entsprachen. Zu diesen Ländern gehören Ägypten, Algerien, Bangladesch, Iran, Jemen, Kamerun, Myanmar, Nigeria, Pakistan, Saudi- Arabien, Somalia und Singapur.
DIE TODESSTRAFE NACH REGIONEN
Afrika (südlich der Sahara)
In drei Ländern – Botsuana, Somalia und Südsudan – wurden 33 Hinrichtungen durchgeführt; mehr als doppelt so viele als im Vorjahr. Das ist das Resultat von starken Zunahmen in Somalia und Südsudan.
Insgesamt wurden 373 neue Todesurteile in 19 Ländern ausgesprochen. Die Zahl der neu gefällten Todesurteile stieg – trotz eines bedeutenden Rückgangs in Sambia – somit um 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist vor allem auf die deutliche Zunahme an verhängten Todesstrafen in der Demokratischen Republik Kongo und in Mauretanien zurückzuführen.
Im Juli verabschiedete das Parlament von Sierra Leone einstimmig eine Gesetzesänderung, die die Todesstrafe für sämtliche Straftaten abschafft. In der Zentralafrikanischen Republik und in Ghana wurden rechtliche Prozesse zur Abschaffung der Todesstrafe eingeleitet, die im neuen Jahr weiterlaufen. Mindestens 5843 Menschen befanden sich Ende 2021 weiterhin im Todestrakt; 52 Prozent von ihnen allein in Nigeria (mindestens 3036).
Amerika (Nord- und Südamerika)
Das 13. Jahr in Folge waren die USA auch 2021 das einzige Land der Region Amerika, in dem Todesurteile vollstreckt wurden (insgesamt 11). 2021 war das Jahr mit den wenigsten Exekutionen in den USA seit 1988.
Drei Länder sprachen 25 Todesurteile aus: USA, Guyana sowie Trinidad und Tobago.
Der US-Bundesstaat Virginia schaffte 2021 als 23. Staat (und als erster Südstaat) die Todesstrafe ab. Für das dritte Jahr in Folge wurden im Bundesstaat Ohio alle geplanten Hinrichtungen verschoben oder ausgesetzt.
Die neue Regierung der USA gab im Juli bekannt, dass sie alle Hinrichtungen auf Bundesebene bis auf Weiteres aussetzen werde.
Asien und Pazifik
In der Region Asien und Pazifik wurden in fünf Ländern Hinrichtungen vollzogen: Bangladesch, China, Japan, Nordkorea und Vietnam. Damit ist diese Länderliste so kurz wie seit mindestens 20 Jahren nicht mehr. Die regionale Gesamtzahl von 14 dokumentierten Hinrichtungen spiegelt allerdings bei weitem nicht das wahre Ausmass wider. Sie dürften wegen der mutmasslich hohen Anzahl vor allem in China unverändert in die Tausende gehen.
Mindestens 819 Todesurteile wurden in 16 Ländern verhängt; im Vergleich zum Vorjahr (517) ein An- stieg um 58 Prozent. Dies kann grö sstenteils mit den beträchtlichen Zunahmen an Todesstrafen in Bangladesch, Indien, Myanmar, Pakistan und Vietnam erklärt werden.
Nach einer zweijährigen Hinrichtungs-Unterbrechung wurden in Japan 2021 drei Menschen gehängt. Pakistan vermeldete das zweite Jahr in Folge keine Hinrichtungen; zudem verbot die pakistanische Regierung die Anwendung der Todesstrafe für Menschen mit schweren psycho-sozialen Beeinträchtigungen. In Thailand wurden Todesurteile weiterhin umgewandelt.
Die Gefahr der Wiedereinführung der Todesstrafe auf den Philippinen ist kleiner geworden, weil drei Senator*innen, die die Todesstrafe ursprünglich befürworteten, nun verkündeten, jegliche Schritte in diese Richtung abzulehnen.
2021 wurden in Singapur das zweite Jahr in Folge keine Menschen exekutiert – doch hat die Regierung bereits Anfang 2022 wieder Todesurteile vollstreckt.
Europa und Zentralasien
Amnesty International dokumentierte in Europa und Zentralasien 2021 eine Hinrichtung und ein neu verhängtes Todesurteil, beide davon in Belarus. Das ist der einzige Staat der Region, der weiterhin Hinrichtungen durchführt.
Kasachstan unterzeichnete ein Gesetz zur Abschaffung der Todesstrafe für alle Straftaten.
Armenien trat einem wichtigen internationalen Abkommen zur Abschaffung der Todesstrafe bei.
Die Russische Föderation und Tadschikistan hielten weiterhin offizielle Hinrichtungsmoratorien ein.
Naher Osten und Nordafrika
In dieser Region verzeichnete Amnesty International 520 Hinrichtungen in sieben Ländern: Ägypten, Irak, Iran, Jemen, Saudi-Arabien, Syrien und Vereinigte Arabische Emirate. Das sind 19 Prozent mehr Hinrichtungen als 2020.
In Irak halbierten sich im Vergleich zum Vorjahr die dokumentierten Hinrichtungen und fielen von 45 auf 17. Das könnte jedoch auch mit einer langsameren Bearbeitung der Bestätigung von Todesurteilen durch den Präsidialrat zusammenhängen – im Land herrschten für den Grossteil des Jahres 2021 politische Unruhen.
Syrien exekutierte bei einer Massenhinrichtung im Oktober 2021 24 Menschen. Somit rückte der Staat an die fünfte Stelle weltweit, was die Hinrichtungszahl im Land anging.
Insgesamt wurden 2021 mindestens 834 neue Todesurteile in 17 Staaten gefällt – ein sprunghafter Anstieg um 32 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insbesondere in Ägypten, Irak und Libanon waren deutliche Zunahmen an Todesstrafen zu verzeichnen. In dieser globalen Gesamtzahl sind die vielen Todes- urteile, die höchstwahrscheinlich in Iran verhängt wurden, nicht enthalten, weil sie sich nicht auch nur annähernd beziffern liessen.
Gerichte in Ägypten verurteilten mindestens 356 Personen zum Tode. Das entspricht einer Zunahme von 34 Prozent verglichen mit 2020. Es ist zugleich die höchste Anzahl an Todesurteilen, die in einem von Amnesty International 2021 erfassten Land verhängt wurden.
Ein «+» hinter einer Zahlenangabe bedeutet, dass es sich bei der von Amnesty International ermittelten Zahl an
Hinrichtungen um einen bestätigten Mindestwert handelt. Es gibt aber Grund zu der Annahme, dass die wahre Zahl
höher liegt.
Die vorliegende Zusammenfassung der Zahlen & Fakten zur Todesstrafe im Jahr 2021 ist dem weltweiten Bericht von Amnesty International Death sentences and executions 2021, Index ACT 50/5418/2022, vom Mai 2022, entnommen.
Im Falle von Diskrepanzen zwischen der deutschen und der englischen Version ist der englischsprachige Bericht verbindlich.
Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld der Person oder der Hinrichtungsmethode. Die Organisation setzt sich für die vollständige Abschaffung der Todesstrafe ein.
1 Amnesty International berichtet nur über Hinrichtungen, Todesurteile und andere Aspekte der Todesstrafe, bei denen
die Informationen ausreichend abgesichert werden können. Die Regierungen vieler Länder halten Angaben zur Todesstrafe aber unter Verschluss. Aus diesem Grund sind die hier aufgeführten Zahlen für viele Staaten als Mindestangabe zu verstehen. Die tatsächlichen Zahlen sind in der Realität oft höher.
2 2021 dokumentierte Amnesty International den zweitniedrigsten Hinrichtungsstand seit mindestens 2010 – am niedrigsten lag er im Jahr 2020. Die Zahlen von 2021 zählen allgemein zu den niedrigsten, die Amnesty International seit der ersten weltweiten Datenerhebung zur Todesstrafe 1979 erfasst hat. Die Veränderungen bezüglich Informationszugang, Territorienverschiebung sowie Methodologie über die Jahrzehnte hinweg machen es jedoch schwierig, weit auseinanderliegende Zahlen akkurat zu vergleichen.
3 Seit 2009 publiziert Amnesty International keine Daten mehr zur Anwendung der Todesstrafe in China. Dies aus dem
Grund, weil China die konservativ geschätzten Zahlen von Amnesty International vorschob, um das wahre Ausmass zu
verbergen. Amnesty International hat stets betont, dass die zu China publizierten Schätzungen aufgrund eingeschränkten Zugangs zu Informationen deutlich niedriger lagen als in Wirklichkeit. China hat bis heute keine Zahlen zur Todesstrafe veröffentlicht. Amnesty International geht aber davon aus, dass jährlich Tausende Menschen zum Tode verurteilt und exekutiert werden.