In vorstaatlichen Gesellschaften erlaubte es ein ungeschriebenes Sippenrecht, dass die Angehörigen eines Mordopfers Rache beim Täter und seiner Sippe nehmen durften. Mit zunehmender Sesshaftigkeit wurden einheitliche und verbindliche Regelungen notwendig. Die erste bekannte Gesetzgebung mit einer Todesstrafe entstand um 1700 v. Chr.. Die Formel «Leben für Leben», die auch im Buch Moses anzutreffen ist, führte das Prinzip der Verhältnismässigkeit von Tat und Schadensausgleich ein. Der Täter allein wurde verantwortlich gemacht, andere Formen von Vergeltung wurden denkbar.
Viele antike Reiche kannten Geldstrafen, Versklavung oder die Todesstrafe. Eine Inhaftierung war aus technischen Gründen nicht möglich. Hinrichtungen fanden öffentlich statt. Eine Rechtsstaatlichkeit im modernen Sinne gab es nicht. Die Rache durch die Gesellschaft wurde an den Machthaber delegiert.
Im Römischen Reich diente die Todesstrafe der Durchsetzung gegen Staatsfeinde und der Niederschlagung von Aufständen. Nach den Juden wurden besonders die Christen bis ins 4. Jahrhundert als «Atheisten» verfolgt.
Zeitalter des Christentums
Die ersten Christen lehnten die Todesstrafe ab, wurden selber häufig deren Opfer. Nachdem Konstantin I das Christentum 325 n. Chr. erlaubte und es bald zur Staatsreligion des römischen Reiches erklärt wurde, wand sich das Blatt. Die römisch-katholische Kirche rechtfertigte die tötende Gewalt zur Bekämpfung des «Heidentums». Die orthodoxe Kirche dagegen betrachtete sie als Hindernis und reduzierte ihre Anwendung.
Im Spätmittelalter reduzierte sich das Machtmonopol der Kirche zwar, die Menge und Grausamkeit der Hinrichtungen nahm jedoch ständig zu. Mit der Inquisition und Hexenverfolgung leistete die Kirche einen massgeblichen Beitrag. Obwohl die Reformation geistliche und weltliche Macht trennte und Martin Luther das Zentrum des christlichen Glaubens in die vergebende Figur von Jesus Christus rückte, brachte die frühe Neuzeit nochmals eine Steigerung an Hinrichtungen.
Je stärker sich das Volk mit Bauernaufständen und Raubrittertum gegen die Obrigkeiten wehrte, desto grausamer waren die Vergeltungsakte. Zwischen 1525 bis 1648 erreichten die Hinrichtungszahlen Höchstwerte. Die Hinrichtungarten wurden immer vielfältiger und grausamer: Schwert, Galgen, Rad, Feuertod, Holzstoss usw. Die Anwendung der Todesstrafe wurde auf kleinste Vergehen wie etwa Diebstähle ausgeweitet. Mit der mehr oder minder offenen Zustimmung der Kirchen, sank deren Achtung beim Volk nach dem Dreissigjährigen Krieg auf einen Tiefpunkt. Der Westfälische Frieden 1648 begünstigte schliesslich die Entstehung von Nationalstaaten mit autonomem Recht und zweckmässigem Strafvollzug.
Mit der Aufklärung des 18. Jahrhunderts entstand im Humanismus eine erste wirkliche Opposition gegen die Todesstrafe. Der Italiener Cesare Beccaria forderte in seinen Schriften «Von Verbrechen und Strafen», 1764, eindeutige Gesetze, Rechtsstaatlichkeit und die Befreiung von Klassenherrschaft, um Verbrechen zu verringern. Er widersetzte sich dem Sühnegedanken zu Gunsten einer Humanisierung des Strafrechts und formulierte bis heute gültige Argumente: «Aus der einfachen Betrachtung der bisher auseinandergesetzten Wahrheiten geht deutlich hervor, dass die Strafe weder den Zweck hat, ein empfindendes Wesen zu quälen und zu betrüben, noch ein bereits begangenes Verbrechen ungeschehen zu machen. (...) Der Zweck ist also kein anderer, als den Verbrecher daran zu hindern, seinen Mitbürgern neuen Schaden zuzufügen und die anderen von gleichen Handlungen abzuhalten. Es verdienen also die Strafen und die Art ihrer Auferlegung den Vorzug, die unter Wahrung der Angemessenheit den lebhaftesten und nachhaltigsten Eindruck auf die Gemüter der Menschen machen und dabei dem Schuldigen möglichst geringes körperliches Leid zufügen. »
Diese Haltung war unter den Vertretern der Aufklärung eher die Ausnahme: «Hat er aber gemordet, so muss er sterben», schrieb Immanuel Kant und war dabei mit John Locke, Montesquieu, Voltaire und Rousseau in guter Gesellschaft. Hegel und Schopenhauer als Vertreter des Idealismus und Voluntarismus im 19. Jahrhundert argumentierten ähnlich.
Mit den Idealen «Freiheit, Gleichheit und Solidarität» der Französischen Revolution erreichte die Anerkennung grundlegender Menschenrechte einen zeitweiligen Durchbruch. Die Hinrichtungsarten wurden humanisiert. Das Ergebnis war die Erfindung der Guillotine. Die grundsätzliche Akzeptanz der Todesstrafe blieb jedoch intakt. Unter Napoleon nahmen die Hinrichtungen erneut enorm zu.
Zur Sicherung von Machtinteressen in den Kolonialgebieten und bei den Nationalkriegen europäischer Staaten im 19. Jahrhundert war die Todesstrafe ebenfalls ein beliebtes Instrument. Mit Vertretern und Vertreterinnen der Arbeiterbewebung wie Rosa Luxemburg kamen Forderungen zur Abschaffung der Todesstrafe mit dem Ziel, die Klassenherrschaft zu überwinden.
Während des Dritten Reiches, aber auch in der Sowjetunion kam es in den 30er und 40er Jahren zu massenhaften Justizmorden. Seither hat die Ablehnung der Todesstrafe in westlichen Demokratien immer mehr Rückhalt gewonnen. Albert Schweitzer begründete mit seiner «Ehrfurcht vor dem Leben» eine neue Ethik. Der Existentialist Albert Camus und der Philosoph Jean Paul Sartre engagierten sich stark für die Abschaffung.
Auch in den christlichen Glaubensgemeinschaften setzte ein Umdenken ein. Im Protestantismus des 19. Jahrhunderts war Johann Ulrich Wirth fast als Einziger gegen die Todesstrafe eingetreten. Im 1951 erklärte Karl Barth die Todesstrafe für unvereinbar mit dem christlichen Glauben und der Rechtsstaatlichkeit. Seit 1968 lehnte auch der Vatikan die Todesstrafe immer mehr ab. Papst Johannes Paul II liess sie 2001 aus der Verfassung des Vatikanstaats streichen.
Immer mehr Staaten verzichten auf die Todesstrafe, durchschnittlich drei Staaten jährlich verankern die Abschaffung in ihren Gesetzen. Einmal abgeschafft, wird die Todesstrafe nur selten wiedereingeführt. Ein explizites Verbot der Todesstrafe in der Verfassung stellt heute die grösste Hürde für eine Wiedereinführung dar.
Entgegen diesem Trend nehmen willkürliche und tödliche Formen von Staatsgewalt in einzelnen Ländern zu. Wo rechtsstaatliche Strukturen fehlen und diktatorische Machtverhältnisse herrschen, ist die Gefahr einer exzessiven und missbräuchlichen Anwendung besonders gross.
Schweiz
Bereits 1848 wurde die Todesstrafe für politische Vergehen aus der Bundesverfassung gestrichen. Das generelle Verbot der Todesstrafe durch die Bundesverfassung erfolgte 1874. Eine deutlichen Zunahme der Kriminalität, welche wahrscheinlich auf die Rezession zurück zu führen war, führte 1879 zur Wiedereinführung.
Im Jahre 1898 erhielt der Bund die Kompetenz zur Vereinheitlichung des Strafrechts in der Schweiz. Nach langjährigen emotionalen Debatten im Parlament verabschiedete dieses am 21. Dezember 1937 ein Strafgesetzbuch, das die Todesstrafe nicht mehr vorsah. Eine durch Referendum erzwungene Volksabstimmung hiess das Strafgesetzbuch am 3. Juli 1938 ebenfalls gut. Das Gesetz trat erst 1942 in Kraft, als die Umstellung vom kantonalen zum eidgenössische Strafrecht vollzogen war.
Die letzte zivil durchgeführte Hinrichtung in der Schweiz fand am 18. Oktober 1940 in Sarnen im Kanton Obwalden statt. Der Verurteilte Zürcher Hans Vollenweider, hatte drei Morde begangen, unter den Opfern war ein Polizist. Im Militärstrafrecht hielt sich die Todesstrafe noch bis 1992.
Deutschland
Zum Zeitpunkt der Reichsgründung war die Rechtslage betreffend Todesstrafe uneinheitlich. Das Reichsstrafgesetzbuch schrieb ab 1871 die Todesstrafe für Mord und Mordversuch an Kaiser oder Landesherrn vor. Während der Weimarer Republik nahmen die Hinrichtungen stetig ab, ein Antrag der SPD 1927 zur Abschaffung wurde jedoch abgelehnt.
Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im März 1933 wurde das «Reichsgesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe» erlassen. Die zu ahndenden Straftaten weiteten sich aus, ab 1944 konnte sie gemäss «gesundem Volksempfinden» für jedes beliebige Delikt verhängt werden. Zwischen 1933 und 1945 wurden 16'560 Todesurteile verhängt, davon rund 12'000 vollstreckt. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler fanden besonders viele Hinrichtungen, auch Massenhinrichtungen, statt.
DDR
Gemäss Schätzungen war die sowjetische Besatzungsmacht in den 1940ern und 1950ern für einige hundert Hinrichtungen verantwortlich. In der DDR konnte die Todesstrafe für Mord, Kriegsverbrechen, Spionage, Sabotage und ‚konterrevolutionäre Verbrechen’ verhängt werden. Todesurteile verkündete man in Schauprozessen, die Hinrichtungen fanden unter strikter Geheimhaltung statt. Sie kamen erst nach der Wende ans Licht. Die DDR schaffte die Todesstrafe offiziell erst 1987 ab.
BRD
Meist im Rahmen der Nürnberger Prozesse kam es zu Hinrichtungen mehrheitlich wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In Gefängnissen der US-Armee auf bundesdeutschem Boden wurden bis 1951 Todesurteile vollstreckt. Bis zur Gründung der BRD 1949 war die Anwendung innerhalb der einzelnen Länder uneinheitlich. Das dem Bundesrecht übergeordnete Grundgesetz erklärte die Todesstrafe für abgeschafft. Auch wenn sich in den Strafgesetzen noch entsprechende Vorschriften fanden, durfte sie nicht mehr vollstreckt werden und wurde formal durch die lebenslängliche Haft ersetzt.
Laut deutschem Grundgesetz und Persönlichkeitsrecht ist das Verbot der Todesstrafe absolut und unveränderbar sowie in künftige deutsche Verfassungen zu transportieren. Es handelt sich um ein nicht abstimmbares Grundrecht, das durch keine Gesetzesinitiative aufgehoben werden kann.
Österreich
Die Bemühungen zur Einschränkung oder Abschaffung der Todesstrafe im Raum des heutigen Österreich reichen ins 16. Jahrhundert zurück. Eine erste Verbesserung erreichte im 18. Jahrhundert die Ächtung besonders grausamer Hinrichtungsformen wie etwa dem Rädern.
Aus wirtschaftlichen Gründen setzte man zwischen 1787 und 1795 die Todesstrafe ausser Kraft und setzte die Sträflinge stattdessen für Zwangsarbeit ein. Die Wiedereinführung für Hochverrat und andere schwere Verbrechen fand 1803 statt. Ab 1871 beschränkte sich die Anwendung auf Mord.
Während des ersten Weltkriegs fand innerhalb des Notverordnungsrecht der Regierung eine erneute Ausweitung auf andere Delikte statt. Nach Ausrufung der ersten Republik 1919 wurde die Todesstrafe für ordentliche Verfahren abgeschafft. Nach dem Ausbruch der Februarkämpfe griff die diktatorische Regierung von Engelbert Dollfuss (ÖVP) 1934 auf das formell nie abgeschaffte Notverordnungsrecht zurück und führte die Todesstrafe für zahlreiche Delikte wieder ein. Nach dem Anschluss Österreichs ans Dritte Reich im 1938 waren die Rechtslagen der zwei Länder vergleichbar.
In der zweiten Republik war die Todesstrafe zunächst für schwere Delikte vorgesehen. Sie wurde 1950 für ordentliche und 1968 für standrechtliche (abgekürzte gerichtliche Verfahren im Ausnahmezustand) Verfahren abgeschafft. Die letzte Hinrichtung fand am 24. März 1950 in Wien statt.