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Überwachung durch ausländische Nachrichtendienste
Mit Bestürzung hat die Welt vom Ausmass der globalen Überwachung durch die US-amerikanischen und mit diesen verbündeten Geheimdiensten erfahren. Die Geheimdokumente der NSA bestätigen, dass die private Kommunikation von Millionen von Menschen mitgeschnitten, gesammelt und ausgewertet worden ist – eine beispiellose Verletzung des Menschenrechts auf Privatsphäre.
Die Schweiz hat die Überwachung durch fremde Geheimdienste wie der NSA in unserem Land bisher weder politisch noch strafrechtlich untersucht. Eingereichte Strafanzeigen wegen Spionage durch ausländische Geheimdienste wurden von der Bundesanwaltschaft mit einer lapidaren Begründung abgelehnt. Die vom Parlament geforderte «Expertenkommission zur Zukunft der Datenbearbeitung und Datensicherheit» ist vom Bundesrat bis heute nicht eingesetzt worden.
Amnesty International empfiehlt dem Parlament, unverzüglich eine umfassende Aufklärung der Überwachung durch ausländische Nachrichtendienste in der Schweiz und der Zusammenarbeit von Schweizer Behörden mit ausländischen Diensten unverzüglich und umfassend sowie geeignete Massnahmen zu ergreifen, um die Privatsphäre der Bevölkerung in Zukunft vor dieser Bedrohung zu schützen.
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Überwachung durch den Schweizer Nachrichtendienst
Zwei neue Gesetze erlauben eine massive Ausweitung der Überwachung in der Schweiz: Das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) sowie die Revision des Bundesgesetzes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF).
Das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) gibt dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) zahlreiche neue Kompetenzen. Es ermöglicht beispielsweise die Kabelaufklärung, die eine Form der verdachtsunabhängigen Massenüberwachung darstellt. Selbst wenn sie nur vereinzelt und unter strengen Kontrollen eingesetzt wird, stellt diese Massnahme dennoch einen schweren Eingriff in die Privatsphäre dar.
Im Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) ist aus menschenrechtlicher Sicht vor allem die Vorratsdatenspeicherung problematisch. Die Anbieter von Post-, Telefon- und Internetdiensten werden verpflichtet, die Kommunikationsdaten ihrer Kundinnen und Kunden für zwölf Monate zu speichern. Da von dieser Massnahme ausnahmslos alle betroffen sind, stellt sie einen unverhältnismässigen Eingriff in die Privatsphäre dar.
Amnesty International lehnt jede Form der verdachtsunabhängigen Massenüberwachung ab. Überwachung ist nur gerechtfertigt, wenn ein konkreter Verdacht vorliegt und die Massnahme gezielt, notwendig, verhältnismässig, sowie richterlich angeordnet ist.
Amnesty International fordert die Bundesversammlung auf, jede Form der verdachtsunabhängigen Massenüberwachung wie die Kabelaufklärung und die Vorratsdatenspeicherung abzulehnen und die Gesetzgebung entsprechend anzupassen.
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Export von Überwachungstechnologien
Neue Technologien und Software ermöglichen es den Regierungen, die Kommunikationsdaten (Mail, Telefon, SMS, Skype usw.) abzufangen und die Bevölkerung flächendeckend zu überwachen. Private Firmen entwickeln Überwachungstechnologien und exportieren diese an Staaten, die sie als Repressionsmittel gegen die eigene Bevölkerung einsetzen. Der Handel mit Überwachungstechnologien führt in vielen Staaten zu einer rechtswidrigen Überwachung und zu Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Verhaftungen, Folter oder Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Amnesty International fordert eine strikte Kontrolle von Handel und Export von Überwachungstechnologien.
In der Schweiz wurden Firmen bekannt, die sogenannte Spysoftware an Diktaturen geliefert haben. Das hat den Bundesrat dazu veranlasst, die Güterkontrollverordnung (GKV) neu zu regeln und eine Bewilligungspflicht für den Export von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung einzuführen. Damit hat der Bundesrat einen Schritt in die richtige Richtung getan, denn eine Bewilligung für die Ausfuhr muss verweigert werden, wenn das Risiko besteht, dass die Güter von den Empfängern als Repressionsmittel verwendet werden. Die Verordnung ist auf vier Jahre befristet.
Amnesty International fordert von der Schweiz eine strikte Anwendung der Güterkontrollverordnung, um zu verhindern, dass Überwachungstechnologien in die falschen Hände geraten. Die Schweiz muss dafür sorgen, dass die Exportkontrolle auch nach Ablauf der vierjährigen Frist gewährleistet bleibt und eine solide gesetzliche Basis für die Bewilligungspflicht schaffen, indem diese direkt in das Güterkontrollgesetz aufgenommen wird.
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Schutz für Whistleblower
Der Schutz von Whistleblowern (EnthüllerInnen oder HinweisgeberInnen) ist ein wichtiges Thema, was die Durchsetzung der Menschenrechte und die Wahrung des Rechtsstaates angeht. Personen, die Korruption oder Menschenrechtsverletzungen in der Öffentlichkeit bekannt machen, müssen vor Vergeltung und harten Strafen geschützt werden. Enthüllungen dieser Art sind durch das Recht auf Information und das Recht auf freie Meinungsäusserung geschützt. Zwölf Jahre nach Annahme einer Motion für einen besseren Schutz von Whistleblowern (03.3212) durch National- und Ständerat, legte der Bunderat eine Vorlage zur Änderung des Obligationenrechts vor. Der Nationalrat wies den Vorschlag im Mai 2015 zurück und forderte einen verständlicheren und besser anwendbaren Text.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Kriterien aufgestellt, die festlegen, wann die Verbreitung von vertraulichen Informationen durch Whistleblower zu schützen ist:
- Whistleblower, die im Interesse der Öffentlichkeit Missbräuche oder sogar schwere Verletzungen der Menschenrechte aufdecken, handeln im Rahmen der freien Meinungsäusserung und müssen gegen zu harte Strafen geschützt werden.
- Das öffentliche Interesse, in dessen Namen die Whistleblower handeln, muss während des ganzen Strafrechts- oder Arbeitsrechtsverfahrens berücksichtigt werden.
- Bei der Urteilsfindung muss die Tatsache berücksichtigt werden, ob die Enthüllungen dem Staat wirklich Schaden zugefügt haben oder nicht.
Das Parlament muss ein Gesetz erlassen, um den Schutz von Whistleblowern zu gewährleisten, wenn diese Menschenrechtsverletzungen aufdecken. Das Parlament soll dabei die Kriterien berücksichtigen, die der Strassburger Gerichtshofs in seiner Rechtsprechung definiert hat.