«Die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs hat den Opfern übelster Verbrechen auf der ganzen Welt die Hoffnung zurückgegeben, dass sie dereinst Gerechtigkeit erhalten», sagte Alain Bovard, Experte für Internationale Justiz bei der Schweizer Sektion von Amnesty International. «Die Regierungen müssen sich jetzt verpflichten, den ICC sowohl politisch wie finanziell zu unterstützen.»
Amnesty International und Tausende weitere Nichtregierungsorganisationen auf der ganzen Welt haben sich seit 1994 für die Schaffung eines ständigen internationalen Strafgerichts eingesetzt, damit für Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortliche Personen vor Gericht gebracht werden können. Mit der Verabschiedung des so genannten Römer Statuts, das die Grundlagen für die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs enthält und am 1. Juli 2002 nach der Ratifizierung durch 60 Staaten in Kraft trat, hatten die damaligen Kampagnen ein wichtiges Ziel erreicht. Heute, zehn Jahre später, hat sich die Zahl der Staaten, die das Römer Statut ratifiziert haben, mehr als verdoppelt und ist auf 121 Vertragsstaaten auf fünf Kontinenten angestiegen.
Bis heute hat der ICC mit Sitz in Den Haag Verfahren gegen mutmassliche Straftäter in der Zentralafrikanischen Republik, der Elfenbeinküste, der Demokratischen Republik Kongo, in Kenia, in Libyen, im Sudan und in Uganda eröffnet und mutmassliche Kriegsverbrecher in diesen sieben Ländern verfolgt. Zurzeit ist die Eröffnung weiterer Strafverfahren in Afghanistan, Kolumbien und im Gazastreifen in Diskussion.
Am 14. März 2012 hat der ICC sein allererstes Urteil erlassen und Thomas Lubanga wegen der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten in der Demokratischen Republik Kongo verurteilt. «Das ist eine Warnung für alle, die glauben, ungestraft Kriegsverbrechen begehen zu können», kommentiert Alain Bovard. «Sie werden früher oder später für ihre Taten zur Verantwortung gezogen.»
Auf die neue Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda, die ihr Amt am 15. Juni angetreten hat, warten grosse Herausforderungen. Zu diesen zählt, dass manche Unterzeichnerstaaten des Römer Statuts entgegen dessen Regeln Personen nicht verhaften, die vom ICC der Kriegsverbrechen verdächtigt werden. So konnte etwa der sudanesische Präsident Omar al-Bashir, der vom ICC wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht wird, die er mutmasslich in Darfur begangen hat, frei in befreundeten Staaten herumreisen, die ihn gegen die Verfolgung durch den ICC schützten.
«Die fehlende Unterstützung mancher Staaten für die Arbeit des ICC und die mangelnde Durchsetzung seiner Haftbefehle ist sehr bedauerlich», so Alain Bovard. «Die Opfer hätten Besseres verdient.»
Mit Blick auf Syrien – ein Land, welches das Römer Statut nicht unterzeichnet hat - kritisiert Amnesty International, dass der Uno-Sicherheitsrat den Fall trotz der gravierenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die dort begangenen werden, nicht an den Internationalen Strafgerichtshof überweist, was er in anderen Fällen wie Darfur und Libyen sehr wohl getan hatte.
Amnesty International ruft die Regierungen zudem auf, dem ICC die nötige finanzielle Unterstützung zu gewähren. Dass Staaten wie England, Deutschland, Frankreich, Japan und Italien, die viel zur Etablierung des Internationalen Strafgerichtshofs beigetragen haben, ihre Beiträge heute kürzen, ist besorgniserregend. Auch haben sich noch längst nicht alle Staaten zu freiwilligen Beiträgen an den Fonds für Opfer verpflichtet, aus dem Unterstützungsprojekte und vom Gericht gesprochene Entschädigungen finanziert werden. Der Fonds ist ausserordentlich wichtig, damit Opfer von schweren, international verfolgten Straftaten wieder zu einem normalen Leben zurückfinden können.
«Wir fordern die Staaten dringend auf, sich weiterhin und verstärkt dafür zu engagieren, dass Kriegsverbrecher vor Gericht gebracht und die Opfer von solch schrecklichen Verbrechen entschädigt werden können», so Alain Bovard.
Medienmitteilung veröffentlicht: London/Bern, 1. Juli 2012
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