«Amnesty International hat sich für ein Gesetz eingesetzt, mit dem Zwangsausschaffungen klar geregelt werden», betonte der Generalsekretär der Schweizer Sektion von Amnesty International (AI), Daniel Bolomey, «denn in unserem Land haben Menschen bei Zwangsausschaffungen auf tragische Weise ihr Leben verloren».
1999 ist der Palästinenser Khaled Abuzarifa erstickt, als ihm bei der Ausschaffung der Mund mit Klebeband zugeklebt wurde und er an Händen und Füssen an einen Rollstuhl gefesselt worden war. 2001 starb der Nigerianer Samson Chukwu an lagebedingem Erstickungstod, als er mit auf den Rücken gedrehten Armen zu Boden gedrückt wurde. «Die Schweiz braucht ein Gesetz, damit sich derartige Fälle nicht wiederholen können. Aber das Gesetz, das heute verabschiedet worden ist, bringt überhaupt keine Verbesserungen in Bezug auf unsere Vorbehalte», kritisiert Bolomey.
Einsatz von Taser bei Rückschaffungen unverhältnismässig
Amnesty International fordert, dass Elektroschockwaffen nur in speziellen und klar definierten Situationen eingesetzt werden dürfen, um tödliche Folgen zu vermeiden. Die Menschenrechtsorganisation ist überzeugt, dass der Einsatz von «Taser»-Waffen im Rahmen von Zwangsmassnahmen zur Rückschaffung von AusländerInnen völlig unverhältnismässig ist.
Obwohl Elektroschockwaffen als «nichttödliche Waffen» bezeichnet werden, sind in den USA und in Kanada gemäss einer Untersuchung von Amnesty International zwischen 2002 und Ende 2007 rund 300 Menschen an den direkten oder indirekten Folgen eines «Taser»-Einsatzes gestorben. Bis heute gibt es keine umfassende und unabhängige Studie über den Gebrauch und die Auswirkungen von Elektroschockwaffen. Dies gilt speziell für den Einsatz gegen Menschen, die unter Herzbeschwerden leiden, unter Drogeneinfluss stehen oder die einer speziellen Stresssituation ausgesetzt sind, wie es bei Personen der Fall ist, die unter Zwang zurückgeschafft werden sollen.
«Amnesty International erwartet nun von Bundesrat und Parlament, dass sie ihre Versprechen halten und bei Zwangsausschaffungen auf den Einsatz von Elektroschockwaffen verzichtet wird», forderte Bolomey.
Weitere Vorbehalte gegen das neue Gesetz
AI hat auch gegen zahlreiche andere Punkte des Gesetzes grosse Vorbehalte. Dies in Bezug auf
- die Möglichkeit, Aufgaben bei denen Zwang angewendet werden muss, an private Sicherheitsdienste zu delegieren,
- das Fehlen eines formellen Folterverbots im Gesetz,
- das Fehlen eines Monitorings durch unabhängige MenschenrechtsbeobachterInnen bei Zwangsausschaffungen (wie es das Antifolterkomitee des Europarats, CPT, fordert),
- die Möglichkeit, Zwangsmassnahmen gegen Kinder anzuwenden (mit dem Risiko, die Uno-Kinderrechtskonvention zu verletzen).
- die Möglichkeit, bei Zwangsausschaffungen Schusswaffen, Fesseln und Diensthunde einzusetzen,
- das Fehlen einer unabhängigen Beschwerdeinstanz bei Missbräuchen.