Der Nationalrat stimmte erneut über den indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative für verantwortungsbewusste multinationale Unternehmen ab. Mit 102 gegen 91 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) beschloss die grosse Kammer am 4. März 2020 an ihrem Gegenvorschlag festzuhalten und nicht auf den Alibi-Gegenentwurf des Ständerats einzutreten. Damit bleibt die Tür für einen politischen Kompromiss offen.
Der nationalrätliche Gegenvorschlag verlangt von den InitiantInnen zwar schmerzhafte Zugeständnisse, insbesondere was die Beschränkung der Anwendbarkeit auf sehr grosse Unternehmen betrifft. Auch der Umfang der zivilrechtlichen Haftung ist begrenzter, als der Initiativtext es vorsieht. Der Gegenvorschlag hat aber den Vorteil, dass er schneller in Kraft treten kann als das Ergebnis einer Volksabstimmung. Dies ist wichtig für Missbrauchsopfer. Dieser Gegenvorschlag des Nationalrats wird auch von Teilen der Wirtschaft unterstützt, wie z.B. der Interessengemeinschaft Detailhandel, dem Groupement des entreprises multinationales oder der Fédération des entreprises romandes. Die InitiantInnen bekräftigten ihre Bereitschaft, die Initiative zurückzuziehen, falls der Gegenvorschlag des Nationalrats durchkommt.
Der Ball ist nun also wieder beim Ständerat. Dieser wird am 9. März entscheiden, ob er weiterhin den Alibi-Gegenvorschlag unterstützt, den Bundesrätin Karin Keller-Sutter kurzfristig entworfen hatte. Dieser Gegenvorschlag des Ständerats würde keinesfalls zu einem Rückzug der Initiative führen. Denn er enthält keinerlei verbindliche Regeln oder Haftungsklauseln, um zu verhindern, dass multinationale Unternehmen die Menschenrechte verletzen oder die Umwelt verschmutzen. Er sieht für die Unternehmen lediglich eine Pflicht vor, «Berichte» über die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards vorzulegen. «Solche Hochglanzberichte, die Unternehmen nicht für den von ihnen verursachten Schaden zur Verantwortung ziehen, sind nichts als Papiertiger. Sie werden nicht zu einer dauerhaften Verbesserung des Schutzes der Menschenrechte und der Umwelt der betroffenen Bevölkerung beitragen», sagt Danièle Gosteli Hauser, Leiterin des Bereichs Wirtschaft und Menschenrechte der Schweizer Sektion von Amnesty International.