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Wirtschaft und Menschenrechte Eine neue Konzernverantwortungsinitiative ist nötig!

5. Januar 2025
Die Koalition für Konzernverantwortung lanciert eine neue Volksinitiative. Denn die Schweiz ist bald das einzige Land in Europa ohne ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz. Das muss sich ändern: Auch Schweizer Multis müssen bei ihrer Geschäftstätigkeit die Menschenrechte und Umweltstandards einhalten. Amnesty Schweiz ist seit 2011 Teil der Koalition.

Im November 2020 wurde die Konzernverantwortungsinitiative von der Mehrheit der Stimmberechtigten angenommen, verfehlte jedoch knapp das Ständemehr. Somit gibt es in unserem Land weiterhin kein griffiges Konzernverantwortungsgesetz. Ein Gegenvorschlag zur Initiative trat Anfang 2022 in Kraft, doch dieser schafft bei Konzernen lediglich einen Anreiz, noch mehr Hochglanzbroschüren zu produzieren. In der Zwischenzeit hat die Europäische Union eine verbindliche Regelung eingeführt – und die Schweiz gerät immer mehr in Rückstand. Es ist höchste Zeit zu handeln. Die neue Volksinitiative ermöglicht es, den Druck auf unsere Behörden und das Parlament zu erhöhen.

Jetzt unterschreiben! Hier können Sie direkt Ihre Unterschrift im Formular einfüllen 

Verbindliche Richtlinie in der Europäischen Union (EU)

Im Mai 2024 hat die Europäische Union eine Konzernverantwortungsrichtlinie verabschiedet. Diese verpflichtet Konzerne in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU, bei ihrer Geschäftstätigkeit die Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten und ihre klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren. Die Einhaltung dieser Verpflichtungen wird in jedem Land von einer nationalen Aufsichtsbehörde kontrolliert, die befugt ist, Geldstrafen zu verhängen. Darüber hinaus können Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden, für die multinationale Konzerne mit Sitz in der EU verantwortlich sind, vor Gericht auf Wiedergutmachung klagen.

 


Das fordert die neue EU-Konzernverantwortungsrichtlinie

Die neue Richtlinie gilt für alle grossen Konzerne mit Sitz in einem EU-Land, die weltweit mehr als 1000 Mitarbeiter*innen beschäftigen und mindestens 450 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften. Sie enthält folgende vier Elemente:

Sorgfaltspflicht

Konzerne müssen bei ihren Geschäften dafür sorgen, dass keine Menschenrechte oder Umweltstandards verletzt werden. Das betrifft beispielsweise den Einkauf von Rohstoffen oder den Vertrieb hochgiftiger Pestizide.

Klimapflicht

Konzerne müssen einen Plan entwickeln, wie sie ihre Geschäftstätigkeit mit dem Pariser Klimaziel in Einklang bringen und wie sie dies umzusetzen beabsichtigen. Dabei müssen sie sowohl direkte als auch indirekte Emissionen berücksichtigen.

Aufsicht

Die EU sieht in jedem Mitgliedstaat die Schaffung einer unabhängigen Aufsicht vor, die die Einhaltung der Pflichten kontrolliert und bei Verstössen sowohl die Herstellung des ordnungsgemässen Zustands anordnen als auch umsatzabhängige Bussen verhängen kann.

Haftungsbestimmungen

Führt eine Verletzung der Sorgfaltspflicht zu einem Schaden, sollen Betroffene die Möglichkeit erhalten, beim betreffenden Konzern Schadenersatz einzufordern. Dabei sieht die EU in gewissen Fällen auch eine Haftung für Zuliefererfirmen vor.

Die Richtlinie ist im Juli 2024 in Kraft getreten, alle EU-Staaten müssen sie innerhalb von zwei Jahren ins nationale Recht überführen.



Die Situation in der Schweiz

Im Jahr 2020 sagte das Volk Ja zur Konzernverantwortungsinitiative. Obwohl sie von einer Mehrheit von 50,7 Prozent der Stimmbürger*innen angenommen wurde, scheiterte sie am Ständemehr.
Die Initiative wurde von einem breiten Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen (u.a. Amnesty International), Politiker*innen aller Parteien, Wirtschaftsvertreter*innen und den Kirchen unterstützt. Tausende Freiwillige engagierten sich im ganzen Land während des Abstimmungskampfes.

Der Gegenvorschlag des Bundesrates zur Initiative, der Anfang 2022 in Kraft trat, ist ein reines Alibi-Projekt, das weit hinter den neuen europäischen Anforderungen zurückbleibt: Es geht in erster Linie um eine Berichtspflicht, die darin enthaltene Sorgfaltspflicht bezieht sich nur auf Kinderarbeit und Konfliktmineralien. Im Falle von Missbrauch müssen Schweizer Konzerne jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen werden, und die Opfer haben keinen Zugang zur Justiz. Dabei ist der Zugang zu Justiz und Wiedergutmachung eine der drei Säulen der Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die 2011 einstimmig vom Menschenrechtsrat verabschiedet wurden. Die Schweiz hat einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung dieser Leitsätze entwickelt (der kürzlich von der Bundesverwaltung aktualisiert wurde), der sich jedoch in erster Linie auf Anreize und Sensibilisierungsmassnahmen konzentriert und auf freiwillige Initiativen setzt. Ohne wirksame gesetzliche Grundlagen kann die Schweiz nicht gewährleisten, dass unsere Konzerne bei ihrer Geschäftstätigkeit die Menschenrechte und die Umwelt respektieren.

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Warum ist eine neue Konzernverantwortungsinitiative nötig?

Der Bundesrat hat im Abstimmungskampf 2020 immer wieder versprochen, dass die Schweiz sich für ein «international abgestimmtes» Gesetz und «gleich lange Spiesse» für Konzerne einsetzen würde. Wenn man sich jedoch die Europakarte ansieht, wird deutlich, dass die Schweiz, wenn sie nicht bald die erforderlichen Massnahmen ergreift, inzwischen auf dem besten Weg ist, das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung zu werden.

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Im Dezember 2022, genau zwei Jahre nach der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative, reichten die Initiant*innen bei der Bundeskanzlei eine Petition ein: In nur 100 Tagen war die beeindruckende Zahl von 217 509 Unterschriften gesammelt worden. Die Petition forderte den Bundesrat und das Parlament auf, ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz einzuführen. Doch weder der Bundesrat noch das Parlament reagierten auf diese Petition. Dabei ist eine wirksame Gesetzgebung auch in der Schweiz notwendig, da multinationalen Konzerne aus der Schweiz weit über die Grenzen hinaus aktiv sind.

Schweizer Multis sind immer wieder in Skandale verwickelt

Regelmässig werden zahlreiche Skandale öffentlich gemacht, in denen Schweizer Konzerne verwickelt sind. Amnesty International selbst hat im November 2022 einen Bericht publiziert, in dem aufgezeigt wurde, wie das in Genf und Singapur ansässige Unternehmen Puma Energy in die Lieferung von Flugtreibstoff an die Militärjunta in Myanmar verwickelt war.

Die Schweiz ist auch das Land, in dem die grossen Sportverbände wie das IOC oder die FIFA ihren Sitz haben. Diese sind ebenso wie Konzerne verpflichtet, die Menschenrechte zu respektieren und die Umwelt zu schützen, da die Uno-Leitsätze für Wirtschaft und Menschenrechte sowie die OECD-Leitsätze für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln auch für sie gelten. Amnesty hat wiederholt die Versäumnisse der FIFA in diesem Bereich angeprangert, wie z. B. bei der Fussballweltmeisterschaft in Katar und bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2034 an Saudi-Arabien.

Die neue EU-Regelung geht viel weiter als der indirekte Gegenvorschlag zur 2020 verabschiedeten Initiative.

Die Tabelle zeigt deutlich die Lücken des derzeit in der Schweiz geltenden Gegenentwurfs:

Die neue EU-Regelung geht viel weiter

Die neue Volksinitiative übernimmt die Elemente des neuen EU-Gesetzes, ohne jedoch eine zivilrechtliche Haftung für Schäden, die von Lieferant*innen verursacht werden, hinzuzufügen. In diesem Aspekt geht die EU-Richtlinie weiter.

 


JETZT HANDELN!

Wir brauchen Ihre Unterstützung, um die Herausforderung einer neuen Volksinitiative zu bewältigen!

Für den Start der neuen Konzernverantwortungsinitiative  hat sich die Koalition ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Wir wollen die erforderlichen 100'000 Unterschriften in nur 30 Tagen sammeln! Unterschreiben Sie hier!

Um dieses Ziel zu erreichen, haben Freiwillige im ganzen Land enorm viele Stände zum Sammeln von Unterschriften geplant. Wir brauchen aber noch Leute, die uns im Januar beim Sammeln von Unterschriften helfen! Könnten Sie zwei Stunden lang bei der Unterschriftensammlung in Ihrer Region mithelfen? Sie können sich direkt auf der Website der Koalition hier anmelden: Jetzt bei Standaktion mitmachen!

Informationen über die Gründe für Amnestys Engagement in dieser neuen Kampagne finden Sie auch im Interview mit Danièle Gosteli Hauser im aktuellen AMNESTY-Magazin: «Gleiche Spielregeln für alle»