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Beijing 2022: Freiheit für fünf Champions! Ilham Tohti: Wegen Seperatismus verurteilt

22. Dezember 2021
Ilham Tohti setzte sich für die Rechte der Uigur*innen und den Austausch zwischen ethnischen Gruppen in China ein. 2014 wurde der Akademiker wegen «Separatismus» zu lebenslanger Haft verurteilt und so zum Schweigen gebracht.

Ilham Tohti, ein bekannter uigurischer Intellektueller, war Wirtschaftsprofessor an der Central University for Nationalities in Peking. Über zwanzig Jahre setzte er sich für die Verständigung zwischen den Uigur*innen und den Han-Chines*innen ein. Dabei lehnte er Separatismus und Gewalt konsequent ab und versuchte, die Differenzen zwischen den ethnischen Gruppen zu schlichten. Ilham Tohti war Gründer und Leiter der zweisprachigen Website «Uyghur Online», die über Menschenrechtsverletzungen den Uigur*innen und an den Han-Chines*innen aufklärte. Die Website wurde von den Behörden mehrmals vom Netz genommen, zum ersten Mal 2008, vor den Olympischen Spielen in Peking.

Am 15. Januar 2014 wurde Ilham Tohti dann in seiner Wohnung in Peking von der Polizei abgeholt. Während fünf Monaten wussten weder Familie noch Freunde, wo er sich befand. 10 Tage lang wurde ihm das Essen verweigert, seine Füsse waren 20 Tage lang gefesselt. Obwohl die Uno-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen seine Verhaftung im März 2014 für willkürlich befand, wurde Ilham Tohti am 23. September desselben Jahres nach einem kurzen, unfairen Prozess wegen «Separatismus» zu lebenslanger Haft verurteilt. Ilham Tohti ist ein Gewissensgefangener, der nur inhaftiert ist, weil er sein Recht auf freie Meinungsäusserung wahrgenommen hat.

«Separatismus» wird von den chinesischen Behörden häufig als Vorwand verwendet, um die Meinungsfreiheit einschränkten zu können. In den Augen der Regierung gilt jede Kritik an ihren ethnischen Richtlinien als Versuch, Beziehungen zwischen den Ethnien zu schaden und heimlich für separatistische Ideen zu werben. In seiner Arbeit wies Ilham Tohti auf die Politik der chinesischen Regierung hin, welche Unzufriedenheit und ethnische Spannungen schürt. Dazu gehören Massnahmen, die den Gebrauch der uigurischen Sprache unterbinden, die Uigur*innen in der Ausübung ihrer Religion stark einschränken, ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz verhindern und die Zuwanderung der Han in die Region Xinjiang fördern. Zwar kritisierte Ilham Tohti die Unterdrückungspolitik gegenüber der Uigur*innen stark, schrieb aber auch ausführlich darüber, wie Ungleichbehandlung zwischen ethnischen Gruppen über Dialoge und Versöhnung überwunden werden kann. Ilham Tohti lehnte Gewalt konsequent ab und setzte sich auf friedliche Weise dafür ein, im Einklang mit den chinesischen Gesetzen Brücken zwischen den ethnischen Gemeinschaften zu bauen. Anstatt seine Arbeit zum Aufbau harmonischen ethnischer Beziehungen in China gutzuheissen, bestrafte die chinesische Regierung Ilham Tohti. Zeitgleich starteten die chinesischen Behörden eine riesige Kampagne gezielter Unterdrückung gegen die Uigur*innen und andere muslimische ethnische Minderheiten in Xinjiang.

Seit 2014 ist die Polizeipräsenz in Xinjiang stark gestiegen. Das Gebiet wird im Rahmen von Chinas öffentlich erklärtem «Krieg des Volkes gegen den Terrorismus» und den damit verbundenen Bemühungen zur Bekämpfung von «religiösem Extremismus» stark überwacht. Überwachung und soziale Kontrollmassnahmen sind seit 2016 rasant ausgeweitet worden. Heute gehören die Muslim*innen in Xinjiang zu den am stärksten überwachten Bevölkerungsgruppen der Welt. Im Jahr 2017 hat die Situation eine noch dramatischere Wendung genommen: Seither werden zahlreiche Uigur*innen und Angehörige anderer überwiegend muslimischer ethnischer Minderheiten in Xinjiang willkürlich festgenommen. Darunter sind Hunderttausend– vielleicht sogar über eine Million –, die in Gefängnisse gesteckt und in Internierungslager festgehalten werden. In diesen sogenannten Umerziehungslagern werden die Menschen verschiedenen Formen von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt, einschliesslich politischer Indoktrination und kultureller Zwangsassimilation. Amnesty International hat eindeutige Beweise gesammelt, die belegen, dass die systematische, staatlich organisierte Masseninhaftierung, Folter und Verfolgung von Uigur*innen, Kasach*innen und anderen ethnischen Minderheiten in Xinjiang einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommt. China weigert sich nach wie vor den Forderungen der internationalen Gemeinschaft nach ungehindertem Zugang für unabhängige Untersuchungen und Berichterstattung in Xinjiang nachzukommen und behauptet, dass es dort keine Menschenrechtsverletzungen gibt.

In seinen Memoiren «An autobiographical essay of 2011» schreibt Ilham Tohti: «Ich habe immer behauptet, dass man vor Meinungsverschiedenheiten und Widerstand keine Angst haben sollte, sondern [nur] davor, keine Gelegenheit zum Austausch zu haben.» Leider verschliesst die chinesische Regierung zunehmend die Möglichkeiten des Austauschs und zeigt eine wachsende Angst vor Meinungsverschiedenheiten. Dies kommt im Vorgehen der Regierung gegen Meinungsfreiheit im Allgemeinen und gegen die akademische Freiheit im Besonderen deutlich zum Vorschein. Wissenschaftler*innen, Schriftsteller*innen und Akademiker*innen gehören in Xinjiang zur Zielscheibe der Verfolgung. Auch im übrigen China wird die akademische Freiheit zunehmend eingeschränkt. Ein jüngstes Beispiel dafür sind die im April 2020 verhängten strikten Beschränkungen für wissenschaftliche Arbeiten zu den Ursprüngen von Covid-19.

Ilham Tohti muss unverzüglich und vorbehaltlos freigelassen werden. Mit seiner Äusserung zur ethnischen Harmonie in China hat er nichts anderes getan, als sein Recht auf Meinungsfreiheit auszuüben.