Im Februar und März 2022 finden in und um Peking die Olympischen und Paralympischen Winterspiele statt – bereits zum zweiten Mal wird dieser Mega-Event in China ausgetragen. An den olympischen Spielen von 2008 hatten die chinesischen Behörden noch versprochen, dass das Ereignis mit einer verbesserten Menschenrechtslage im Land einhergehen würde. Dies ist jedoch nicht geschehen: Tatsächlich hat sich die Menschenrechtslage in den letzten zehn Jahren massiv verschlechtert, insbesondere seit 2013, seit Xi Jinping Präsident wurde.
Mit der Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2022 will die Regierung den Fortschritt des Landes seit den Sommerspielen 2008 unter Beweis stellen. Auch soll Chinas Status als Supermacht hervorgehoben und von der katastrophalen Menschenrechtssituation abgelenkt werden. Dies kommt einem «Sportswashing» gleich: China benutzt die Olympischen Spiele für eine Imageaufbesserung und schlägt Kapital aus dem Glamour, dem Prestige und der globalen Aufmerksamkeit. Die schlechte Menschenrechtslage soll dabei unter den Teppich gekehrt werden.
Die Achtung der Menschenrechte und echtes Engagement für das internationale Menschenrechtssystem sind jedoch grundlegende Voraussetzungen für ein Land, das bestrebt ist, eine Führungsrolle in der Welt zu übernehmen und von den anderen Staaten in dieser Rolle auch wahrgenommen werden will. Die internationale Gemeinschaft muss daher die Gelegenheit nutzen, um der chinesische Regierung aufzuzeigen: Die Olympischen Spiele dürfen nicht für ein solches «Sportswashing» der Menschenrechtsbilanz genutzt werden. Die Menschenrechte müssen im Gegenteil in diesem Winter in Peking im Mittelpunkt stehen.
Das Recht auf Meinungsfreiheit in China
Unter den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, die von den chinesischen Behörden verübt werden, erfordern die systematischen Verstösse gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung besondere Aufmerksamkeit. Dass die chinesische Regierung während der Ausrichtung eines Mega-Sportevents, der dem internationalen Austausch und der gegenseitigen Verständigung dienen sollte, ein gewaltiges System massiver Zensur und rigoroser Kontrolle aufzieht, ist äusserst problematisch.
Zensur
Die chinesische Regierung übt eine immer stärkere Kontrolle darüber aus, was chinesische Bürger*innen von der Welt erfahren und wie sie sichdazu äusserndürfen. Das Land betreibt eine extreme Internetzensur und sperrt Tausende von Webseiten und Social-Media-Kanälen. Chinesische Journalist*innen unterliegen einer strengen Zensur; Meldungen, die als regierungskritisch angesehen werden, werden im Nu wieder von einer ganzen Heerschar von Zensor*innen entfernt und kritische Stimmen werden hart bestraft. In besonderem Masse unter Druck geraten , Akademiker*innen , Menschenrechtsanwält*innen und andere Menschenrechtsverteidiger*innen sowie Vertreter*innen ethnischer und religiöse Minderheiten .
Überwachung
Moderne digitale Überwachung und andere Überwachungstechnologien sind in allen Teilen des Landes zu einem zentralen Merkmal des chinesischen Staatsapparats geworden. Ob Metropolen oder kleine Dörfer, online oder offline: Menschen in China stehen unter ununterbrochener Beobachtung, was die Kontrolle durch die Regierung erheblich vereinfacht.
Abschreckende Wirkung in Festlandchina und Hongkong
Die Allgegenwärtigkeit und der hohe technologische Standard des Zensur- und Überwachungssystems in China hemmen die freie Meinungsäusserung im Land erheblich. In diesem System wird nicht nur unmittelbar das bestraft, was von den chinesischen Behörden als «unangemessen» erachtet wird, es entsteht auch ein Klima der Selbstzensur : Indem sich immer mehr Menschen der strengen Überwachung sämtlicher Bereiche, ob online oder offline, durch die Behörden bewusst sind, versuchen sie, ihre Äusserungen anzupassen, um die «rote Linie» nicht zu überschreiten. Diese Anpassungen sind aber nicht einfach zu meistern, denn die offiziellen Leitlinien für verbotene Inhalte sind in der Regel sehr vage. Hinzu kommt, dass Definitionen wie «Nationale Sicherheit » oder ähnliche von den chinesischen Behörden oft benutzte Begriffe, um Massnahmen gegen Andersdenkende zu legitimieren, weit gefasst sind; ihnen fehlt es an jeglicher Transparenz und Einschätzbarkeit. Der rasche Zerfall des Rechts auf Meinungsfreiheit und andere Menschenrechte in ist ein krasses Beispiel dafür, wie die Zensurmechanismen in der Volksrepublik China funktionieren.
Die chinesische Regierung hat nach und nach versucht, der Welt ihre Zensurbestimmungen aufzuzwingen. Ausländische Journalist*innen in China, die kritisch über die chinesischen Behörden berichten, sehen sich zunehmend mit systematischen Verzögerungen und Ablehnung ihrer Visumserneuerungen und sogar mit Ausweisungen konfrontiert. Obwohl die chinesische Regierung behauptet, dass es in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang wie auch in anderen Regionen keine Menschenrechtsverletzungen gibt, weigert sich das Land weiterhin hartnäckig, den Forderungen der internationalen Gemeinschaft nach ungehindertem Zugang für unabhängige Untersuchungen und Berichterstattung in diesen Regionen nachzukommen. Es sind bereits Ausländer*innen verurteilt worden, verurteilt worden, weil sie die chinesischen Menschenrechtsverletzungen öffentlich gemacht haben. Im Ausland tätige chinesische Technologieunternehmen, die sich an die in ihrem Land geltenden Zensurvorschriften halten, haben «politisch heikle» Inhalte, darunter auch Kritik an der chinesischen Regierung, gesperrt und zensuriert.
Sicherstellen, dass China sich an die Regeln hält
Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht, das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist. Es beinhaltet das Recht, sich frei äussern zu dürfen, sowie sich ungehindert Informationen suchen und verbreiten zu dürfen. Ebenfalls beinhaltet es das Recht, den Machthabenden zuzustimmen oder ihnen zu widersprechen und diese Meinungen auf jede Art und Weise kundzutun. Das Recht auf Meinungsfreiheit steht in engem Zusammenhang mit anderen Menschenrechten wie dem Recht auf friedliche Versammlung sowie Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Überzeugungsfreiheit. Es erlaubt die Ausübung all dieser anderen Rechte.
China befürwortet die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und hat das Recht auf freie Meinungsäusserung in seine Verfassung aufgenommen (Art. 35). Darüber hinaus haben die chinesischen Behörden bei der Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 mehrere Versprechen bezüglich Meinungsfreiheit abgegeben. So gaben sie an, dass Medien, die über die Spiele berichten wollten, freie Berichterstattung gewährt würde und dass sie uneingeschränkten Internetzugang erhalten würden sowie auch über die Vorbereitungen der Spiele berichten dürften. Ebenfalls sicherten sie ausgewiesene Protestzonen während der Spiele zu.
Nun sollte die gesamte internationale Gemeinschaft, sowohl vor als auch während den Olympischen Winterspielen 2022, die chinesische Regierung dazu auffordern, ihr echtes und nachhaltiges Engagement für einen besseren Schutz der Meinungsfreiheit, des Rechts auf friedliche Versammlung und anderer Menschenrechte unter Beweis zu stellen.