Amnesty-Strukturen weltweit
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Arbeitsklima bei Amnesty International – eine Klarstellung

Stellungnahme von Manon Schick, Geschäftsleiterin Amnesty Schweiz und Stefanie Rinaldi, Präsidentin Amnesty Schweiz – 3. Juni 2019
In einigen Medien wurde in den vergangenen Tagen über das schlechte oder sogar «toxische» Arbeitsklima bei Amnesty International berichtet, über zwei Selbsttötungen und die Entlassungen von fünf Mitgliedern des Führungsteams in London. Die Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz, Manon Schick, und die Präsidentin Stefanie Rinaldi nehmen Stellung.

Die Berichterstattung, insbesondere der längere Artikel in der Sonntagszeitung vom 2. Juni 2019, beruhen auf insgesamt drei unabhängigen Untersuchungen, die Amnesty International selbst im vergangenen Jahr eingeleitet hat nach den tragischen Selbsttötungen eines Amnesty-Kollegen und einer Praktikantin. Der langjährige West-Afrika Researcher Gaëtan Mootoo hatte sich in Paris am 25.05.2018 das Leben genommen und kurz darauf wählte auch die 28-jährige Praktikantin Roz McGregor am 1.7.2018 in London den Freitod. Sie hatte im Uno-Büro von Amnesty International in Genf gearbeitet. Zwei der Untersuchungen beschäftigten sich mit den Hintergründen dieser Selbsttötungen, eine Befragung widmete sich dem Arbeitsklima bei Amnesty International insgesamt (Wellbeing).

Dazu möchten wir gerne Folgendes sagen: Bei Amnesty International sind alleine im Internationalen Sekretariat weltweit circa 600 Personen beschäftigt. Wenn so viele Menschen aus verschiedenen Kulturen unter schwierigen Bedingungen und mit psychisch belastenden Inhalten zusammenarbeiten, können Probleme auftreten. Das betrifft sowohl das persönliche Wohlbefinden, als auch das Arbeitsklima sowie das Führungsverhalten einzelner.

Hoher Anspruch an uns selbst

Das Besondere bei uns als Menschenrechtsorganisation ist, dass die Mitarbeitenden, die Führungskader und auch die Öffentlichkeit mit Recht sehr hohe Ansprüche an die Arbeitsbedingungen und das Verhalten stellen. Deshalb haben uns die Rückmeldungen der Mitarbeitenden und erst Recht natürlich die Suizide von geschätzten KollegInnen erschüttert. Wir haben sofort die oben genannten unabhängigen Untersuchungen eingeleitet, um die Ursachen zu ermitteln, damit wir so schnell wie möglich Massnahmen ergreifen können. Wir haben die Ergebnisse dieser Untersuchungen bereits Anfang 2019 veröffentlicht, weil Transparenz zu unseren Grundwerten gehört.

Das externe Gutachten zum Tod von Roz McGregor, die in Genf angestellt war, hat ergeben, dass ihre Selbsttötung nicht in Zusammenhang mit ihrer Arbeit bei Amnesty International steht. Mehr dürfen wir dazu nicht sagen.

Bei Gaëtan Mootoo gibt es jedoch einen Zusammenhang: als Folge der Dezentralisierung unseres Internationalen Sekretariates arbeitete er auf sich alleine gestellt im Pariser Amnesty-Büro und fühlte sich mit der Recherchearbeit überlastet. Deswegen bat er mehrfach um eine zusätzliche Assistentenstelle, die ihm nicht erfüllt wurde.

Sofort Verbesserungen einleiten

Zusammen mit den teils harten Aussagen zum Arbeitsklima bei der weltweiten Befragung von Amnesty-Mitarbeitenden wurde uns schnell klar, dass wir sofort etwas ändern müssen. Das gesamte Management in London hat die Verantwortung übernommen, alle sieben Mitglieder haben von sich aus ihren Rücktritt angeboten. Der neue Generalsekretär Kumi Naidoo hat daraufhin fünf Mitglieder des Senior Leadership Teams freigestellt und ein Interim-Gremium ernannt, das ab jetzt die Leitung übernimmt. Als Geschäftsleiterin der Schweizer Sektion wurde auch ich, Manon Schick, gebeten, in den kommenden sechs Monaten bei der Umstrukturierung mitzuwirken. Wir werden daran arbeiten, Missstände so schnell wie möglich zu beseitigen und wieder ein vertrauensvolles, offenes und wertschätzendes Arbeitsklima zu schaffen.  

Die Organisation Amnesty International besteht einerseits aus dem Internationalen Sekretariat in London und den dazugehörigen Regionalbüros auf allen Kontinenten sowie andererseits aus rund 50 Ländersektionen, zu denen auch die Schweiz gehört. Amnesty Schweiz ist ein Verein nach Schweizer Recht mit einem eigenen Vorstand und einer eigenen Geschäftsleitung. Die Arbeitsbedingungen der rund 60 Festangestellten unterscheiden sich grundlegend von denen des Internationalen Sekretariates. Sie können sich im Falle von beruflichen oder privaten Problemen an eine Vertrauensperson, die Personalkommission oder eine externe kostenlose Beratungsstelle wenden.

Die Aussagen der Untersuchungen beziehen sich nicht auf die Ländersektion Amnesty Schweiz, sondern allein auf das Internationale Sekretariat. Trotzdem sind auch wir in der Schweiz bemüht, alles zu tun, damit sich unsere Mitarbeitenden geschätzt und anerkannt fühlen und so ihrer wichtigen Aufgabe nachgehen können – der Verteidigung der Menschenrechte.