Die Erfolge motivieren uns und schweissen zusammen: Ein Teil des Teams der Schweizer Sektion von Amnesty International auf dem «Schulreisli» 2022 in Lausanne. © Amnesty International Schweiz
Die Erfolge motivieren uns und schweissen zusammen: Ein Teil des Teams der Schweizer Sektion von Amnesty International auf dem «Schulreisli» 2022 in Lausanne. © Amnesty International Schweiz

Menschenrechte Unsere Erfolge 2022

20. Dezember 2022

Mit Freude stellen wir eine kleine Auswahl wichtiger Erfolge unserer Menschenrechtsarbeit vor, die wir in diesem Jahr dank Ihrer Unterstützung erreicht haben. Diese Erfolge motivieren uns, weiterzumachen.
Weitere Good News finden Sie hier auf dieser Webseite und vier Mal im Jahr im gedruckten AMNESTY-Magazin.

Januar

Grosse Freude im polnischen Amnesty-Büro: Tausende Menschen haben Briefe für Ela, Anna und Joanna geschrieben. © Gregor Zukowski

In Polen lehnte ein Gericht die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ab, die diese gegen den Freispruch von drei LGBTI*-Aktivistinnen eingelegt hatte. Die drei Frauen waren der «Verletzung religiöser Gefühle» angeklagt, weil sie Poster mit dem Motiv der Jungfrau Maria mit einem Heiligenschein in Regenbogenfarben plakatiert haben sollen. Amnesty-Unterstützer*innen hatten sich mit mehr als 276'000 Appellschreiben für die drei Aktivistinnen eingesetzt. 

Der langjährige Einsatz von Amnesty International und anderen Organisationen für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe kann einen weiteren Erfolg verzeichnen: In Kasachstan trat die Abschaffung der Todesstrafe für alle Verbrechen im Januar in Kraft.

Das Parlament in Ghana hat einen Gesetzentwurf abgelehnt, der Menschen der LGBTI*-Community in noch grösserem Masse kriminalisiert hätte. Der Entwurf sah Gefängnisstrafen für alle diejenigen vor, die ihre Unterstützung oder Sympathie für LGBTI* zum Ausdruck bringen. Ausserdem hätte das Gesetz Umwandlungstherapien und «Geschlechtsangleichungen» bei Kindern eingeführt. Kritik an der Gesetzesvorlage kam unter anderem von Amnesty International.

Februar

Hejaaz Hizbullah, ein Rechtsanwalt und Amnesty-Gefangener aus Gewissensgründen, wurde im Februar in Sri Lanka nach fast zwei Jahren Untersuchungshaft unter dem drakonischen sri-lankischen Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus (Prevention of Terrorism Act PTA) gegen Kaution freigelassen. Zwei weitere unter dem PTA inhaftierte Personen, Ahnaf Mohamed Imran und Divaniya Mukunthan, wurden im August bzw. September ebenfalls gegen Kaution freigelassen.

Das Verfassungsgericht in Kuwait hob ein Gesetz zur Kriminalisierung der «Nachahmung des anderen Geschlechts» auf, das zuvor im Jahresbericht von Amnesty International kritisiert worden war. 

Aktivist*innen feiern in Bogota die Entscheidung des kolumbianischen Obersten Gerichtshofs, Schwangerschaftsabbrüche bis zur 24. Woche zu legalisieren. © Raul Arboleda / AFP via Getty Images

In Kolumbien wurden nach jahrelanger Kampagnenarbeit durch Amnesty International und andere zivilgesellschaftliche Organisationen Schwangerschaftsabbrüche in den ersten 24 Schwangerschaftswochen entkriminalisiert.

In Honduras sind die «Guapinol Acht», acht Umweltschützer und gewaltlose politische Gefangene, nach zweieinhalb Jahren in Haft endlich bedingungslos freigelassen worden. Amnesty International setzte sich mehr als ein Jahr lang mittels Medien- und Kampagnenarbeit für die Freilassung der Männer ein. 

März

Der Gewerkschafter und Menschenrechtsverteidiger Bernardo Caal Xol wurde im März aus dem Gefängnis entlassen. Er war zu mehr als sieben Jahren Haft verurteilt worden, weil er sich für die Rechte der indigenen Maya Q’eqchi’ in Guatemala einsetzt. Für die Freilassung von Bernardo Caal Xol engagierte sich Amnesty im Briefmarathon 2021. Bernardo Caal Xol freute sich riesig über die viele Post, die er von Aktivist*innen erhalten hat.

 

Lesen Sie die Geschichte von Bernardo im AMNESTY-Magazin: Der Kapitän des Cahabón.

Am 1. März wurde in China der Menschenrechtsanwalt Yu Wensheng aus dem Gefängnis entlassen; er verbüsste eine vierjährige Haftstrafe wegen «Untergrabung der Staatsgewalt». Der prominente Menschenrechtsanwalt geriet offenbar ins Visier der Behörden, nachdem er den chinesischen Präsidenten Xi Jinping kritisiert hatte. Er wurde im Juni 2020 in einem Geheimprozess verurteilt. Yu Wensheng sagte aus, er sei im Gefängnis gefoltert worden.

Magai war 15 Jahre alt, als er zum Tod verurteilt wurde. Seine Beteuerung, dass es sich bei der ihm vorgeworfenen Tötung um einen Unfall handelte, nützte nichts. Er erhielt trotz seines Alters die Todesstrafe. © Amnesty International

Ebenfalls aus dem Gefängnis entlassen wurde im Südsudan Magai Matiop Ngong – für den im Rahmen des Briefmarathons 2019 mehr als 700'000 Aktionen durchgeführt wurden.

April

In Malawi verurteilte ein Gericht im April 12 Männer wegen des 2018 verübten Mordes an MacDonald Masambuka, einem Menschen mit Albinismus. Angriffe auf Menschen mit Albinismus hatten stark zugenommen; der Aberglaube besagt, dass ihre Körper magische Kräfte hätten. Amnesty forderte vom Präsidenten Malawis, alles zu tun, um Menschen mit Albinismus vor Übergriffen und Diskriminierung zu schützen.

In Libyen wurde der Journalist und Blogger Mansour Atti, Vorsitzender des Komitees des Roten Halbmonds sowie der Zivilgesellschaftlichen Kommission in Ajdabiya, zehn Monate nach seinem Verschwindenlassen freigelassen. Amnesty International hatte sich unter anderem mit Briefaktionen für ihn eingesetzt.

30 Jahre nach ihrer Wiedereinführung im Jahr 1991 hat Papua-Neuguinea  die Todesstrafe wieder abgeschafft.

Mai


Das spanische Parlament verabschiedet ein lang erwartetes Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt. Das Gesetz stärkt die Prävention und Verfolgung von sexualisierter Gewalt sowie den Opferschutz und stellt nach dem «Nur Ja heisst Ja»-Prinzip die Zustimmung in den Mittelpunkt der Definition von Vergewaltigung.

In einem positiven Schritt für das Recht auf freie Meinungsäusserung in Indien hat der Oberste Gerichtshof des Landes das 152 Jahre alte Gesetz über staatsgefährdende Aktivitäten ausgesetzt.
 

Ein weiteres Land schafft die Todesstrafe ab: Im Mai stimmte das Parlament der Zentralafrikanischen Republik zu, die Todesstrafe abzuschaffen. Ein wichtiger Moment in einem Land, das sich in einem Bürgerkrieg befindet.

Im Mai wurde der18-jährige Palästinenser Amal Nakhleh, der an einer chronischen Autoimmunerkrankung leidet, nach 16-monatiger Kampagne von Amnesty und anderen aus israelischer Verwaltungshaft entlassen.

In der Schweiz wurde im Mai eine Petition mit mehr als 10'000 Unterschriften gegen automatische Gesichtserkennung eingereicht. Das Bündnis «Gesichtserkennung stoppen», an welchem Amnesty Schweiz beteiligt ist, fordert, dass biometrische Massenüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum der Schweizer Städte verboten wird. Die Kampagne führte zu einigen politischen Vorstössen in Schweizer Kantonen und Städten. Die Städte St. Gallen und Zürich haben bereits  entsprechende Verbote aufgegleist.

Juni

In Genf kamen Vertreter*innen verschiedener Staaten, internationaler Organisationen und der Zivilgesellschaft zusammen, um eine politische Erklärung über den besseren Schutz von Zivilpersonen vor Explosivwaffen in dichtbesiedelten Gebieten zu formulieren. Für diesen Schritt setzt sich Amnesty International seit Langem ein. Es wird erwartet, dass die politische Erklärung gegen Ende des Jahres von zahlreichen Staaten unterzeichnet wird.

Die Regierung von Malaysia kündigte an, die obligatorische Verhängung von Todesurteilen für elf verschiedene Straftaten abzuschaffen. 

Das ukrainische Parlament hat am 20. Juni 2022 die Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt ratifiziert. Die Ratifizierung ist ein entscheidender Schritt im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt in der Ukraine.

Die ukrainische Frauenbewegung war bis zum Krieg sehr präsent. Eine ihrer wichtigsten Forderungen war die Ratifizierung der Istanbul-Konvention und die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. Demonstration am Frauenrechtstag vom 8. März 2020 in Kiew. © Amnesty International Ukraine

Juli

Seit dem 1. Juli 2022 können  in der Schweiz gleichgeschlechtliche Paare heiraten oder ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Die «Ehe für alle» wurde in der Volksabstimmung vom 26. September 2021 von einer klaren Mehrheit der Stimmberechtigten und von allen Kantonen angenommen. Amnesty International hatte sich stark für das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehen engagiert.
Lesen Sie dazu den Artikel aus dem aktuellen AMNESTY-Magazin: Endlich Hochzeit

Anderthalb Jahre war Ahmed Samir Santawy in Ägypten zu Unrecht inhaftiert, am 30. Juli 2022 wurde der Student per Präsidentendekret aus der Haft entlassen. Amnesty hatte sich unter anderem mit Urgent Actions für seine Freilassung eingesetzt. Der Student der Wiener «Central European University» (CEU) wurde während eines Besuchs bei seiner Familie in Ägypten festgenommen, anschliessend geschlagen und verhört. Ahmed Samir musste wegen Social-Media-Posts ins Gefängnis: Am 22. Juni 2021 verurteilte ihn ein Gericht zu Unrecht wegen der «Verbreitung von Falschmeldungen auf Social Media» zu vier Jahren Haft.

Durch den Klimawandel werden verschiedene Menschenrechte gravierend verletzt. Für effiziente Massnahmen gegen die Klimakatastrophe demonstrierten auch 2022 insbesondere junge Menschen weltweit. © Don Arnold/Getty Images

Im Hitzesommer 2022 verabschiedete die Uno-Generalversammlung Ende Juli eine Resolution, die das Recht auf eine gesunde Umwelt anerkennt. Damit wurden wichtige Fortschritte im Bereich der Umweltgerechtigkeit erzielt. Diese Nachricht folgte auf eine ähnliche Resolution, die Ende 2021 vom Uno-Menschenrechtsrat verabschiedet worden war.

August

Die beiden Aktivistinnen Nutthanit Duangmusit und Netiporn Sanesangkhom wurden in Thailand nach fast drei Monaten Untersuchungshaft am 4. August freigelassen. Weil sie im Februar 2022 vor einem Bangkoker Einkaufszentrum eine Umfrage zu Verkehrskontrollen anlässlich königlicher Fahrzeugkonvois durchgeführt hatten, leitete die Polizei im März ein Strafverfahren wegen Majestätsbeleidigung gegen sie ein. Die Aktivistinnen kamen später in Haft, eine Freilassung auf Kaution wurde ihnen verweigert. Am 2. Juni traten Netiporn Sanesangkhom und Nutthanit Duangmusit aus Protest gegen ihre Inhaftierung in den Hungerstreik. Nach ihrer Freilassung dankten die beiden Frauen allen, die sich für sie eingesetzt hatten.
Der Lehrer Hriday Chandra Mondal hatte in Bangladesch in  seinem Unterricht über den Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion gesprochen hatte. Dafür wurde er in inhaftiert. Im August wurde er freigelassen, sämtliche Anklagen gegen ihn wurden später fallen gelassen.

September

Während seiner 51. Sitzung verabschiedete der Uno-Menschenrechtsrat im September eine Sonderresolution zu Afghanistan. Amnesty International schlug vor, eine Aufforderung an den Uno-Sonderberichterstatter aufzunehmen, einen thematischen Bericht über die Situation von Frauen und Mädchen zu erstellen. Mehrere Länder unterstützten diesen Vorschlag.

In Argentinien wurde die Ärztin Miranda Ruiz freigesprochen, die zu Unrecht angeklagt worden war, weil sie einen legalen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen hatte.

Weiterer Erfolg im Kampf gegen die Todesstrafe: Im September trat in Äquatorialguinea ein neues Gesetz in Kraft, mit dem die Todesstrafe aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde.

Oktober

Die zivilrechtlichen Verfahren gegen den slowenischen Theaterregisseur Jaša Jenull wurden nach dem Regierungswechsel in Slowenien eingestellt. Er ist einer von mehreren friedlichen Protestierenden, die aufgefordert wurden, die extrem hohen Kosten für die Polizeieinsätze während einer Demonstrationen zu übernehmen, und gegen die deshalb Gerichtsverfahren liefen. Derartige Zahlungsaufforderungen wirken bestrafend und zielen darauf ab, Menschen ruhigzustellen, die lediglich ihre grundlegenden Rechte ausüben wollen.

November

Das türkische Kassationsgericht hat die absurden «Terrorismus»-Verurteilungen gegen führende Vertreter*innen von Amnesty International aufgehoben. Das Verfahren gegen Taner Kılıç wurde wegen «unvollständiger Ermittlungen» an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen. V.l.n.r.: Taner Kılıç, Özlem Dalkıran, İdil Eser, Günal Kurşun.

Das türkische Kassationsgericht hat am 22. November die Urteile gegen Taner Kılıç, den Ehrenvorsitzenden der türkischen Amnesty-Sektion, İdil Eser, die frühere Amnesty-Direktorin, sowie die beiden langjährigen Amnesty-Mitglieder Günal Kurşun und Özlem Dalkıran aufgehoben. Das Kassationsgericht entschied damit über den Widerspruch der vier Menschenrechtsverteidiger*innen gegen ihre Verurteilungen zu Haftstrafen aufgrund haltloser «Terrorismus»-Vorwürfe. Das Verfahren von Taner Kılıç, Amnesty-Ehrenvorsitzender in der Türkei, wurde allerdings wegen «unvollständiger Ermittlungen» an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen.

Der Mut der Demonstrierenden im Iran, die Tapferkeit der Frauen, die ihr Kopftuch ablegen, hat einen hohen Preis. Die Verfolgung dieser Menschen durch das iranische Regime muss untersucht, Verantwortliche bestraft werden. Die Einrichtung einer Untersuchungskommission der Uno ist ein wichtiger Schritt dazu. © Private

Es ist der lang erwartete Wendepunkt im Kampf gegen die systematische Straflosigkeit im Iran: Der Uno-Menschenrechtsrat hat am 24. November eine Resolution zur Einrichtung einer Untersuchungskommission verabschiedet. Sie soll die Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit den am 16. September 2022 ausgebrochenen Protesten im Iran untersuchen, insbesondere im Hinblick auf Frauen und Minderjährige. Dass der Uno-Menschenrechtsrat sich überhaupt mit dem Thema befasste, ist auf internationalen Druck zurückzuführen, zu dem auch Amnesty International beigetragen hatte: In den vergangenen Wochen hatten weltweit mehr als eine Million Menschen aus 218 Staaten und Gebieten Amnesty-Petitionen unterschrieben und sich der Forderung nach unabhängigen Untersuchungen angeschlossen.

Sechs palästinensische Männer, die berichteten, in Gefängnissen der Palästinensischen Autonomiebehörde gefoltert worden zu sein, wurden nach der Intervention von Amnesty International gegen Kaution freigelassen.

Dezember

Am 7. Dezember wurde in Jemen der Journalist Younis Abdelsalam von den De-facto-Behörden der Huthi aus der Haft entlassen. Er war seit dem 4. August 2021 in Sanaa ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten worden, weil er friedlich Kritik an den Behörden geübt hatte. Nach seiner Festnahme wurde er mehrere Wochen lang Opfer des Verschwindenlassens. Danach wurde er einige Zeit lang unter isolierten Bedingungen in Einzelhaft und ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten.

In der Schweiz hat sich der Nationalrat am 5. Dezember mit einer Mehrheit von links bis bürgerlich für die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung im Vergewaltigungstatbestand ausgesprochen. Er folgt damit einem zentralen Anliegen von Menschenrechtsaktivist*innen und von Betroffenen sexualisierter Gewalt. Amnesty Schweiz begrüsst diesen wegweisenden Entscheid und ruft das gesamte Parlament dazu auf, der zeitgemässen Reform des Sexualstrafrechts nun zum Durchbruch zu verhelfen.

Amnesty-International_31_08_2021_Bern_Anne-Gabriel-Juergens-5401.jpg Freude herrscht: Aktivist*innen und Organisationen engagierten sich lange und intensiv für ein konsensbasiertes Sexualstrafrecht. © Anne Gabriel Jürgens