Die Mitglieder von Amnesty Schweiz votierten für den Schutz der Menschen in Gaza und für eine aktive Unterstützung der Inklusions-Initiative in der Schweiz. © jakobineichen.ch
Die Mitglieder von Amnesty Schweiz votierten für den Schutz der Menschen in Gaza und für eine aktive Unterstützung der Inklusions-Initiative in der Schweiz. © jakobineichen.ch

Amnesty Schweiz Rückblick auf die Generalversammlung 2024

27. Mai 2024
Die Verteidigung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in einer zunehmend konfliktiven Welt, der Einsatz für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und der Kampf gegen Diskriminierung standen im Zentrum der Generalversammlung von Amnesty Schweiz. Rund 150 Aktivist*innen, Unterstützer*innen und Mitarbeitende der Schweizer Sektion der Menschenrechtsorganisation trafen sich dazu im Kongresshaus in Biel.

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Alexandra Karle, Direktorin von Amnesty Schweiz, rief in ihrer Eröffnungsrede zur Verteidigung des humanitären Völkerrechts auf gegen die immer stärker werdenden Versuche der Delegitimierung des internationalen Rechts und seiner Institutionen sowie der Angriffe auf NGOs und die Zivilgesellschaft.

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«Es kann nicht von Interesse sein, dass das Völkerrecht weiter in Frage gestellt und delegitimiert wird. Dann befinden wir uns im freien Fall, weltweit» Alexandra Karle, Direktorin von Amnesty Schweiz

«Aufgrund unserer Arbeit zum Konflikt in Nahost geraten wir derzeit häufig in Kritik. Uns wird Einseitigkeit vorgeworden von beiden Seiten. Das ist an sich ein gutes Zeichen und heisst, dass wir es niemandem ‘recht’ machen. Wir berufen uns auf das humanitäre Völkerrecht und kritisieren Verstösse beider Konfliktparteien – der grausame Angriff der Hamas auf Israel und die verheerende Reaktion der israelischen Armee. Es kann nicht von Interesse sein, dass das Völkerrecht weiter in Frage gestellt und delegitimiert wird. Dann befinden wir uns im freien Fall, weltweit», warnte Alexandra Karle.

Die Stimme erheben

Sie rief die Aktivist*innen an der Generalversammlung dazu auf, weiter ihre Stimme zu erheben und sich als Botschafter*innen von Amnesty für die Menschenrechte einzusetzen. Sie verwies auf Erfolge in der Menschenrechtsarbeit der Sektion im letzten Jahr, etwa beim Schutz von Menschen in Konfliktgebieten.

Rebecca Allensbach vom Human Rights Relief erinnerte an die verstorbene Marta Fotsch, eine Schweizer Menschenrechtsaktivist*in der ersten Stunde und ihre Arbeit für bedrohte Menschen in Kolumbien. Sie unterstrich die Bedeutung der Amnesty-Soforthilfe für Menschen in Gefahr, mit der im letzten Jahr über 7900 Menschen und ihre Familien vor Verfolgung und Gewalt geschützt werden konnten.

Die grosse Stärke von Amnesty bestehe in der Verankerung auf lokaler und internationaler Ebene, sagte Amnesty Co-Präsidentin Maria Mbiti. Gleichzeitig verwies sie auf die Notwendigkeit der gerechteren Verteilung der finanziellen Ressourcen zwischen den Sektionen weltweit. Eine entsprechende internationale Motion wird grosse Auswirkungen haben, auch auf die Schweizer Sektion.

In einer Resolution riefen die Mitglieder der Schweizer Sektion von Amnesty International die Schweiz dazu auf, sich angesichts des Krieges in Gaza für das humanitäre Völkerrecht einzusetzen und sich vorhaltslos hinter das Völkerstrafrecht und den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen.

Für tatsächliche Gleichstellung

Eine zweite Resolution widmete sich dem Fokusthema der Generalversammlung, dem Einsatz für die Inklusion und tatsächliche Gleichstellung. Die Mitglieder von Amnesty Schweiz riefen dazu auf, die Unterschriftensammlung zusammen mit verbündeten Organisationen und Partner*innen bis Ende Juni über die Ziellinie zu bringen, sodass die Schweizer Stimmberechtigten die Möglichkeit erhalten, die tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen durchzusetzen.

An einer öffentliche Podiumsdiskussion diskutierten Expert*innen über die Dringlichkeit und Bedeutung der Inklusionsinitiative. Was bereits seit 10 Jahren in der Uno-Behindertenrechtskonvention gelte, soll jetzt auch in der Bundesverfassung verankert und umgesetzt werden. «Es braucht einen grundlegenden Wandel im Umgang mit Menschen mit Behinderungen», sagte Markus Schefer, Vorstandmitglied des Vereins für ein inklusive Schweiz und Mitglied der Uno-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die verklärte Vorstellung, die Schweiz sei in Sachen Inklusion schon sehr weit, hindere die Politik daran, die Probleme zu verstehen und wirksam anzugehen.

«Viele Menschen setzen sich auf individueller Ebene für Menschen mit Behinderung ein. Aber das Bildungssystem, die Sozialwerke und die Politik sind nicht auf Inklusion eingestellt», sagte Karin Huber, Mitglied des Komitees der Inklusionsinitiative und des Vorstands von Netzwerk Avanti. Dass mindestens jede fünfte Person in der Schweiz mit einer Behinderung lebe und ihren Alltag nicht ohne Hindernisse bewältigen könne, sei vielen nicht bewusst, sagte Sébastien Kessler, Grossrat des Kantons Waadt.

Die Podiumsteilnehmenden plädierten für mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen. Vielen sei nicht bewusst, mit welchen Schwierigkeiten sie im Alltag zu kämpfen hätten, gerade wenn eine Behinderung nicht auf den ersten Blick sichtbar sei, sagte Hadja Fatim Marca-Kaba, Vorstandsmitglied der Initiative Inklusion und Vorstandsmitglied von Agile. «Ich will mich mit der Inklusionsinitiative dafür einsetzen, dass alle Menschen gleichen Zugang haben, zum Beispiel zu kulturellen und sozialen Angeboten.»

In einem Workshop diskutierten die Anwesenden anschliessend Strategien, um die tatsächliche Gleichstellung voranzubringen. Zudem gab es Ateliers mit Aktivist*innen zur Unternehmensverantwortung und zur Frage des zivilen Ungehorsams.