Die Menschenrechtsverteidigerin und Landrechtsaktivistin Jani Silva wird verfolgt, von Unbekannten eingeschüchtert und mit dem Tode bedroht. © Nubia Acosta
Die Menschenrechtsverteidigerin und Landrechtsaktivistin Jani Silva wird verfolgt, von Unbekannten eingeschüchtert und mit dem Tode bedroht. © Nubia Acosta

Amnesty International Report 2020/21 Länderbericht Kolumbien

7. April 2021
Kolumbien gilt als das gefährlichste Land der Welt für Menschenrechtsverteidiger*innen. Im Zuge des anhaltenden internen bewaffneten Konflikts nahmen Verbrechen unter dem Völkerrecht sowie Menschenrechtsverletzungen und -verstösse zu, wobei kleinbäuerliche Gemeinschaften zu den Hauptleidtragenden zählten.

Amtliche Bezeichnung: Republik Kolumbien

Staats- und Regierungschef*in: Iván Duque Márquez

Rechte der indigenen Bevölkerung

Interner bewaffneter Konflikt

Binnenvertriebene

Rechtswidrige Tötungen

Rechte auf Nahrung, Wasser und Gesundheit

Unverhältnismässige Gewaltanwendung und aussergerichtliche Hinrichtungen

Menschenrechtsverteigier*innen

Rechte für Frauen und Mädchen

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen

Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen


Die sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen hielt an, dasselbe galt für die Straflosigkeit in diesem Bereich. Die Schutzmassnahmen für Landrechts- und Umweltaktivist*innen blieben begrenzt und ineffektiv, und die Straflosigkeit für Verbrechen gegen sie hielt an.

Die ländlichen Gebiete, die ehemals von der Guerillabewegung Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) kontrolliert wurden, waren weiterhin umkämpft.

Im Jahr 2020 erreichte die Anzahl der Tötungen von führenden Akteur*innen der Zivilgesellschaft (Líderes Sociales) ein schockierendes Ausmass. Im Zuge der Corona-Pandemie bestand die Sorge, dass bestehende Schutzmassnahmen für Menschenrechtsverteidiger*innen zurückgezogen werden könnten.

Ausserdem setzten die Behörden die Einhaltung obligatorischer Quarantänemassnahmen mittels exzessiver Gewaltanwendung durch. Im Kontext der Corona-Pandemie war das Recht auf Gesundheit der indigenen Bevölkerungsgruppen des Amazonasgebiets nicht gewährleistet.

Die Polizei reagierte auf landesweite Proteste im September 2020 mit Folter und exzessiver Anwendung von tödlicher Gewalt, wobei zehn Personen getötet wurden. Der Oberste Gerichtshof fällte im September 2020 ein wegweisendes Urteil: Er ordnete Massnahmen an, die zukünftig eine sichere Ausübung des Rechts auf friedlichen Protest garantieren sollen. Ausserdem bestätigte er, dass Sicherheitskräfte exzessive Gewalt einsetzten.

Hintergrund

Die Regierung rief am 17.März 2020 den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Notstand aus, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. In diesem Zusammenhang erliess die Regierung die beispiellose Anzahl von 164 Dekreten, von denen einige vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurden.

Im August 2020 ordnete der Oberste Gerichtshof für den ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez im Rahmen eines Gerichtsverfahrens wegen Korruption, Betrugs und Zeugenmanipulation präventiven Hausarrest an. Dieser wurde im Oktober zwar wieder aufgehoben, doch das Gerichtsverfahren ist weiterhin anhängig.

Der UN-Sicherheitsrat hat das Mandat der UN-Verifizierungsmission bis 2021 verlängert.

Im Oktober 2020 fingen FARC-Dissident*innen – ehemalige FARC-Kämpfer*innen, die ihre Waffen nicht abgegeben haben – ein Fahrzeug von Vertreter*innen des kolumbianischen Büros des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) und des Büros der Ombudsperson im Departamento Caquetá ab, die sich auf einem humanitären Einsatz befanden. Später setzten sie das Fahrzeug in Brand.

Laut dem Kroc-Institut, das die Einhaltung des Friedensabkommens von 2016 zwischen der FARC und dem kolumbianischen Staat überwacht, wurde das Abkommen nur schleppend umgesetzt. Die Nationale Kommission für Sicherheitsgarantien (Comisión Nacional de Garantías de Seguridad – CNGS) machte keine Fortschritte bei der Zerschlagung krimineller Organisationen oder der Sicherstellung einer staatlichen Präsenz in den vom bewaffneten Konflikt am stärksten betroffenen Gebieten, obwohl die Zivilgesellschaft nachdrücklich forderte, sich stärker zu engagieren.

Im Laufe des Jahres 2020 gab es weder bei der Umsetzung einer umfassenden Landreform noch bei der Lösung des Problems des illegalen Drogenanbaus nennenswerte Fortschritte, obwohl Programme zur Substitution illegaler Anbaukulturen zentraler Bestandteil des Friedensabkommens sind. Stattdessen verfolgte die Regierung das Ziel, die Kokaproduktion auf über 130'000 Hektar unter Führung des Militärs mit Gewalt zu unterbinden. Trotz des gesundheitlichen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ausnahmezustands wurden diese Operationen in mindestens sieben Departamentos fortgeführt.

Rechte der indigenen Bevölkerung

Bei den Massnahmen der Regierung zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurden die Grundrechte der indigenen Gemeinschaften nicht ausreichend berücksichtigt. Bereits in der Vergangenheit hatte die indigene Bevölkerung keinen angemessenen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, Wasser und Nahrungsmitteln. Somit waren sowohl die hygienischen Bedingungen als auch die sozialen Lebensverhältnisse völlig unzureichend, um mit dem Virus umgehen zu können. Darüber hinaus schränkten die Isolationsmassnahmen den Zugang der indigenen Gemeinschaften zu ihren Lebensgrundlagen massiv ein.

Interner bewaffneter Konflikt

 Verbrechen unter dem Völkerrecht sowie Menschenrechtsverletzungen und -verstösse, die im Zuge des anhaltenden internen bewaffneten Konflikts begangen wurden, forderten weiterhin Opfer; insbesondere in ländlichen Gebieten, die im Mittelpunkt territorialer Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen standen. Die Gewalt führte dazu, dass Tausende von Menschen vertrieben, eingesperrt, sexualisierter Gewalt ausgesetzt oder Opfer von gezielten Tötungen wurden.

Sowohl Guerillagruppen – die Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional – ELN) und die Volksarmee der Befreiung (Ejército Popular de Liberación – EPL) – als auch Sicherheitskräfte und paramilitärische Gruppen, wie die Gruppierung Autodefensas Gaitanistas de Colombia (AGC), verübten Gewalttaten.

Ein Bericht von mehr als 500 zivilgesellschaftlichen Organisationen verzeichnete eine deutliche Zunahme wiederbewaffneter paramilitärischer Gruppen. Schätzungen der am Bericht beteiligten Organisationen zufolge war die AGC in 22 der 32 Departamentos des Landes aktiv. Das entspricht etwa 90 Prozent des kolumbianischen Territoriums. Im Süden der Departamentos Córdoba und Antioquia kam es zu Zusammenstössen zwischen zwei Untergruppen der AGC. Der Auslöser war ein Streit um Einflussgebiete, bei dem der Drogenhandel und Bergbaugebiete im Mittelpunkt standen.

In der Region Catatumbo ging der bewaffnete Territorialkonflikt zwischen der ELN und der EPL weiter. In den Departamentos Cauca, Nariño und Meta kam es zu Zusammenstössen zwischen FARC-Dissident*innen und anderen bewaffneten Gruppierungen. Im Departamento Chocó hielt der Konflikt zwischen der ELN und paramilitärischen Gruppen um die Kontrolle des illegalen Bergbaus weiter an.
Infolge bewaffneter Auseinandersetzungen konnten 23.128 Angehörige indigener Bevölkerungsgruppen und afro-kolumbianischer Gemeinschaften ihre Wohngebiete im Departamento Chocó während des gesamten Jahres 2020 nicht verlassen.

Mindestens 69 Menschen, meist Zivilpersonen, wurden durch Landminen verletzt. Den Angaben mehrerer Gemeinden zufolge legten bewaffnete Gruppen neue Antipersonenminen. Die Departamentos Nariño, Antioquia, Norte de Santander, Arauca, Guaviare, Cauca, Chocó und Córdoba waren am stärksten betroffen.

Binnenvertriebene

 Dem Büro der Vereinten Nationen zur Koordinierung der humanitären Hilfe (OCHA) zufolge waren in Kolumbien bis Juni 2020 rund 16’190 Menschen von Massenvertreibungen betroffen. Das am stärksten betroffene Departamento war Nariño, gefolgt von Chocó, Antioquia, Cauca, Caquetá und Norte de Santander. Zu den Hauptursachen der Vertreibungen gehörten Zusammenstösse zwischen bewaffneten Gruppen und Drohungen gegen Zivilpersonen.
Etwa 100 ehemalige FARC-Mitglieder wurden aus dem Territorialen Gebiet für die Ausbildung und Wiedereingliederung (Espacio Territorial de Capacitación y Reincorporación – ETCR) in Ituango nach Mutatá im Departamento Antioquia vertrieben. Ausserdem wurden zwei massive Vertreibungsaktionen von mehr als 1590 Personen gemeldet, die zur indigenen Bevölkerungsgruppe der Embera Dobida gehören.

Rechtswidrige Tötungen

Bis zum 15. Dezember 2020 bestätigte das OHCHR 66 Massaker, definiert als Vorfälle, bei denen drei oder mehr Menschen zur gleichen Zeit und am gleichen Ort von mutmasslich denselben Täter*innen getötet wurden. Die kolumbianische Nichtregierungsorganisation Indepaz berichtete für den Zeitraum Januar bis September 2020 von 51 Massakern an Menschen, die durch das humanitäre Völkerrecht besonders geschützt waren.

Am 16. Juli 2020 berichteten Vertreter*innen der indigenen Bevölkerungsgruppe der Emberá aus der Gemeinde Geandó, dass ein neunjähriges Mädchen starb, nachdem es bei einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen der ELN und der AGC angeschossen worden war.

Laut der UN-Verifizierungsmission wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 rund 41 ehemalige FARC- Mitglieder getötet, die sich im Wiedereingliederungsprogramm befanden, das im Rahmen des Friedensabkommens 2016 vereinbart worden war.

Im Bereich Strafverfolgung und Opferrechte gab es einige Fortschritte. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission berichtete, dass sie von der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (Justicia Especial para la Paz – JEP) darüber informiert worden sei, dass diese bis Juli 2020 mehr als 29’000 Gerichtsurteile gefällt habe. Es wurden sieben grosse Verfahren eröffnet, unter anderem zu rechtswidrigen Tötungen, die von staatlichen Stellen als Todesfälle im Rahmen von Kampfhandlungen dargestellt worden waren.

Rechte auf Nahrung, Wasser und Gesundheit

In einigen Gebieten des Landes wurden Kokaplantagen aus der Luft mit Pestiziden besprüht. Es wurde befürchtet, dass diese Sprüheinsätze auch legal angebaute Pflanzen, und damit die Lebensgrundlage der kleinbäuerlichen Gemeinschaften, zerstören könnten. Ausserdem setzten diese Operationen die Anwohner*innen – die nur beschränkt Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben – einem erhöhten Krankheitsrisiko aus. Es gab wiederholt Aufrufe an die kolumbianischen Behörden, umgehend die Sprüheinsätze zu beenden und geeignete Massnahmen zum Schutz der ländlichen Gemeinden zu ergreifen, um deren Rechte auf Gesundheit, Wasser und Nahrung zu gewährleisten.

Unverhältnismässige Gewaltanwendung und aussergerichtliche Hinrichtungen

 In den Unterregionen Bajo Cauca und Nordost-Antioquia, sowie in Catatumbo und Sur de Bolívar haben Sicherheitskräfte bei der Durchsetzung von Isolationsmassnahmen zur Eindämmung von Covid-19 unverhältnismässige Gewalt angewendet.

Die indigene Bevölkerungsgruppe der Awá, die im Schutzgebiet Pialapí im Departamento Nariño leben, verurteilte die Tötung eines indigenen Mannes, der gegen die Vernichtung von Koka-Kulturen in der Gegend protestiert hatte.
Am 19. Mai 2020 starb der junge Afro-Kolumbianer Anderson Arboleda in Puerto Tejada im Departamento Cauca, offensichtlich nachdem er von einem Beamten der Nationalpolizei auf den Kopf geschlagen worden war.

Die Vereinigung der Traditionellen Gemeinderäte der U‘was (Asociación de Autoridades Tradicionales y Cabildos U’was – ASOU’WA) berichtete, dass die Nationalarmee bei Militäroperationen in der Gemeinde Chitagá im Departamento Norte de Santander einen Indigenensprecher getötet hatte. Die Gemeinde wies die Behauptung der Nationalarmee zurück, dieser sei im Kampf gefallen.

Im Mai 2020 meldete die Bauernvereinigung von Catatumbo (Asociación Campesina del Catatumbo – ASCAMCAT) zwei gewalttätige Zwischenfälle in Catatumbo, bei denen die Sicherheitskräfte, die die Vernichtung von Koka-Pflanzen durchsetzen sollen, wahllos auf Kleinbäuer*innen schossen. Dabei starben in der Gemeinde Teorama zwei Menschen.

Am 9.September 2020 starb der Anwalt Javier Ordóñez in Bogotá, nachdem ihn Angehörige der Nationalpolizei gefoltert und exzessiv Gewalt gegen ihn eingesetzt hatten. Die Tötung von Javier Ordóñez löste in Bogotá und Soacha heftige Unruhen aus. Am 10.September meldete der für die Nationalpolizei zuständige Verteidigungsminister, dass im Zusammenhang mit den Protesten vom 9. und 10.September 403 Menschen verletzt und zehn getötet worden seien (sieben in Bogotá und drei in Soacha). Unter den Verletzten waren 194 Angehörige der Sicherheitskräfte. Eine interne Untersuchung des Todes von Javier Ordóñez war bis zum Jahresende noch nicht abgeschlossen.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Der NGO Global Witness zufolge war Kolumbien für Umweltaktivist*innen das gefährlichste Land der Welt. Am 17. August 2020 meldete das OHCHR, dass es 97 Tötungen von Menschenrechtsverteidiger*innen dokumentiert und 45 Tötungsdelikte verifiziert habe. Im Visier der Angriffe standen Angehörige indigener Bevölkerungsgruppen und afro-kolumbianischer Gemeinschaften, Landrechtsaktivist*innen und Umweltschützer*innen sowie Menschen, die an der Umsetzung des Friedensabkommens mitwirkten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Somos Defensores wurden im Jahr 2020 rund 135 Menschenrechtsverteidiger*innen wegen ihrer Arbeit getötet. Weitere 65 Tötungsdelikte müssen noch überprüft werden.

Im März 2020 berichtete die Generalstaatsanwaltschaft, dass es in 173 der 317 Fälle, in denen es um Tötungen von Menschenrechtsverteidiger*innen ging, Fortschritte gegeben habe. Um die Straflosigkeit in Fällen von Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger*innen effektiv zu bekämpfen, reichen diese Bemühungen jedoch nicht aus.
Sprecher*innen der Bewegung Ríos Vivos berichteten, dass die kollektiven Schutzmassnahmen für Menschenrechtsverteidiger*innen unzureichend waren. Die Rechte ihrer Mitglieder auf Leben und körperliche Unversehrtheit seien nicht gewährleistet gewesen, da die ergriffenen Massnahmen die strukturellen Ursachen der vorherrschenden Gewalt nicht berücksichtigten und die Behörden ausserdem ihren Verpflichtungen nicht nachkämen.
Der Zusammenschluss Prozess der Schwarzen Gemeinschaften von Kolumbien (Proceso de comunidades Negras – PCN) in Buenaventura betonte, dass Angriffe gefördert würden, wenn vorausgegangene Drohungen straflos blieben. Das Komitee für die Soziale Integration in Catatumbo (Comité de Integración Social del Catatumbo – CISCA) berichtete, dass kleinbäuerliche Landrechtsaktivist*innen einem hohen Mass an Gewalt ausgesetzt waren. Staatliche Schutzmassnahmen erhielten sie nicht.

Im Departamento Meta wurden die Landrechte der Kubeo-Sikuani nicht anerkannt. Die indigene Gemeinschaft betonte, dass dies eine Hauptursache für die gegen sie ausgeübte Gewalt sei.

Die NGO Asociación de Desarrollo Integral Sostenible de La Perla Amazónica (ADISPA), die sich im Departamento Putumayo für Frieden und Umweltschutz einsetzt, wies auf die Bedrohung durch bewaffnete Gruppen hin, die seit dem Friedensabkommen neu entstanden waren.

Sicherheitskräfte setzten ihre Verleumdungskampagnen gegen führende Vertreter*innen der Zivilgesellschaft (Líderes Sociales), Journalist*innen und Regierungskritiker*innen fort, ebenso deren illegale Überwachung. Die Menschenrechtsorganisation Comisión Intereclesial de Justicia y Paz (CIJP) berichtete im Mai 2020, dass das Militär die beiden Menschenrechtsverteidigerinnen Luz Marina Cuchumbe und Jani Rita Silva rechtswidrig überwachte. Ebenfalls im Mai berichteten verschiedene Medien und Menschenrechtsorganisationen über die Überwachung von 130 Personen durch das Militär, darunter Journalist*innen aus dem In- und Ausland, Menschenrechtler*innen und Politiker*innen.

Rechte für Frauen und Mädchen

Während der Isolationsmassnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie häuften sich die Berichte über geschlechtsspezifische Gewalt. Der Beobachtungsstelle für Femizide in Kolumbien (Observatorio Feminicidios Colombia) zufolge wurden zwischen Januar und November 2020 rund 568 Tötungen von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts gemeldet. Darunter waren Fälle, in denen Frauen aufgespiesst, angezündet, sexuell missbraucht, gefoltert und zerstückelt wurden.

Venezolanische Migrantinnen ohne regulären Aufenthaltsstatus hatten nur eingeschränkt Zugang zu Einrichtungen der Gesundheitsversorgung.

Frauenrechtsorganisationen berichteten, dass die Möglichkeiten für legale Schwangerschaftsabbrüche im Laufe des Jahres 2020 weiter eingeschränkt worden seien. Am 16.September 2020 reichten 91 zivilgesellschaftliche Organisationen und 134 Aktivist*innen eine Petition beim Verfassungsgericht ein, um die Streichung des Straftatbestands der Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch zu erwirken. Über diese wurde bis zum Jahresende noch nicht entschieden.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen

Die Organisation Colombia Diversa berichtete, dass im Jahr 2020 rund 71 Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (LGBTI) getötet worden waren. LGBTI*-Organisationen verurteilten die Tötung der Transfrau Juliana Giraldo, die im September 2020 von einem Soldaten in Miranda im Departamento Cauca erschossen worden war.

Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen

 Die R4V-Koordinationsplattform für Flüchtlinge und Migrant*innen aus Vene­zuela berichtete im Mai 2020, dass 1'764’883 Migrant*innen und Geflüch­tete aus Venezuela in Kolumbien lebten. Davon hatten 8824 ihre Anerkennung als Flüchtlinge beantragt.

Unterkünfte von Geflüchteten und Mi­grant*innen wurden auch dann zwangs­geräumt, als Isolationsmassnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Kraft waren – obwohl die Regierung Zwangsräumungen während des Ausnah­mezustands verbotAen hatte. Angesichts ihrer aussichtslosen Lage in Kolumbien kehrten Tausende nach Venezuela zu­rück, obwohl sie damit ein lebensgefähr­liches Risiko eingingen. Es gab auch Fälle von willkürlichen Festnahmen. Die Menschenrechtsorganisation Dejusticia berichtete, dass illegale bewaffnete Gruppen in den grenznahen Departamen­tos La Guajira, Norte de Santander und Arauca das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Menschen gefährde­ten, die aus Venezuela nach Kolumbien geflohen waren.