Amtliche Bezeichnung: Bundesrepublik Nigeria
Staats- und Regierungschef: Muhammadu Buhari
Mitarbeitende humanitärer Hilfsorganisationen
Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen
Recht auf freie Meinungsäusserung
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen
Recht auf Wohnen - Zwangsräumungen
Die bewaffnete Gruppe Boko Haram und die nigerianischen Sicherheitskräfte waren im Nordosten Nigerias auch 2020 für schwere Verbrechen verantwortlich, darunter Kriegsverbrechen sowie Handlungen, bei denen es sich augenscheinlich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelte. Boko Haram tötete Hunderte Zivilpersonen und entführte gezielt Frauen und Mädchen. Wie schon in den Vorjahren griffen Regierungseinheiten willkürlich Dörfer an und hielten Tausende Menschen unter unmenschlichen Bedingungen gefangen. Gewalt zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen sowie Überfälle räuberischer Banden führten im mittleren Norden und im Nordwesten Nigerias zu mehr als 1500 Todesfällen. Der exzessive Einsatz von Gewalt hatte im ganzen Land rechtswidrige Tötungen zur Folge. Folter sowie andere Misshandlungen waren ebenfalls weitverbreitet. Das Schicksal mehrerer hundert Mitglieder der Islamischen Bewegung von Nigeria (Islamic Movement of Nigeria – IMN), die 2015 dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen waren, blieb weiterhin unbekannt. Zugleich bestand die Straflosigkeit für derartige Verbrechen fort. Die Rechte auf freie Meinungsäusserung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit wurden routinemässig verletzt. Im Zusammenhang mit Covid-19 nahm die geschlechtsspezifische Gewalt zu. Das Recht auf Gesundheit wurde geschwächt. Tausende Menschen wurden Opfer rechtswidriger Zwangsräumungen.
Hintergrund
Im Januar 2020 zog der Tschad seine Einheiten aus dem nigerianischen Staatsgebiet ab. Die Einheiten gehörten zu der regionalen Initiative Multinational Joint Task Force, die als Reakti-on auf die Angriffe bewaffneter Gruppen in der Region gegründet worden war. Im März 2020 wurden im Bundesstaat Yobe bei einem Angriff von Boko Haram aus dem Hinterhalt mindestens 50 Soldaten getötet.
Ebenfalls im März ordnete die Regierung Massnahmen zur Eindämmung von Covid-19 an. Diese beinhalteten u.a. anfangs einen Lockdown mit dem Verbot nicht notwendiger Aktivitäten, eine Ausgangssperre, Schulschliessungen und ein Flugverbot für Auslands- und Inlandsflüge. Die Beschränkungen wurden allmählich zurückgefahren und im September ganz aufgehoben.
Verstösse bewaffneter Gruppen
Boko Haram war weiterhin für gravierende Menschenrechtsverstösse einschliesslich Tötungen und Entführungen von Zivilpersonen im Nordosten Nigerias verantwortlich. Dabei handelte es sich um Kriegsverbrechen und augenscheinlich auch um Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Bei ungefähr 45 Angriffen wurden mehr als 420 Zivilpersonen getötet, hauptsächlich im Bundesstaat Borno sowie in den Bundesstaaten Adamawa und Yobe. Boko Haram rekrutierte auch weiterhin Kindersoldat*innen.
Am 20.Januar 2020 enthaupteten Boko-Haram-Mitglieder im Bundesstaat Adamawa den Pastor Lawan Andimi, den sie 18 Tage zuvor in der Stadt Michika entführt hatten. Im selben Monat wurde der 22 Jahre alte Student Daciya Dalep von einem Kindersoldaten hingerichtet. Im Februar kamen mindestens 30 Männer und Frauen ums Leben, als Boko-Haram-Mitglieder Personen angriffen, die versuchten, in die Stadt Auno zu gelangen. Im Juni wurden bei einem Angriff auf die Ortschaft Faduma Kolomdi etwa 81 Menschen getötet und mehrere entführt. Bei Angriffen von Boko Haram in den Ortschaften Ngwom und Moromti starben im Oktober ungefähr 20 Bauern und Bäuerinnen.
Das gesamte Jahr 2020 über entführte Boko Haram Hunderte Frauen und Mädchen, die vergewaltigt und zwangsverheiratet wurden. Unter ihnen waren auch 20 Frauen und Mädchen, die im Juli entführt wurden, als sie unweit eines Lagers für Binnenvertriebene in Gamboru im Bundesstaat Borno nach Brennholz suchten.
Mitarbeitende humanitärer Hilfsorganisationen
Im Juni 2020 drohte die bewaffnete Gruppierung Islamischer Staat Provinz Westafrika (Islamic State West Africa Province – ISWAP), die sich von Boko Haram abgespalten hat, Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen, humanitäre Einrichtungen und jede Person anzugreifen, die nach Ansicht der Gruppe dem Militär »helfe«. Am 15. Januar 2020 liess der ISWAP nach Verhandlungen mit den Behörden zwei Frauen und drei Männer frei, die er einen Monat zuvor ausserhalb der Stadt Maiduguri entführt hatte. Die Freigelassenen arbeiteten für eine humanitäre Hilfsorganisation. Am 22. Juli richtete der ISWAP fünf Mitarbeiter einer humanitären Hilfsorganisation hin, die die Gruppe im Juni im Bundesstaat Borno auf der Strasse von Monguno nach Maiduguri entführt hatte.
Rechtswidrige Tötungen
Bei bewaffneten Zusammenstössen zwischen Bevölkerungsgruppen – hauptsächlich zwischen Bäuer*innen und Viehhirt*innen –, aber auch bei Überfällen räuberischer Banden kamen im mittleren Norden und im Nordwesten Nigerias mindestens 1.531 Menschen um. Tausende wurden vertrieben. Unbekannte Bewaffnete nahmen mindestens 1.015 Menschen als Geiseln. Im Dezember 2020 wurden in der Stadt Kankara (Bundesstaat Katsina) etwa 300 Schüler*innen der staatlichen naturwissenschaftlichen Oberschule aus ihren Wohnheimen entführt, jedoch nach wenigen Tagen wieder freigelassen. Die Gewalt zwang viele Bauernfamilien zur Flucht in städtische Gebiete oder in Lager für Binnenvertriebene. Zwischen Januar und Juli 2020 wurden in mehreren Dörfern des Bundesstaates Kaduna mindestens 366 Frauen und Männer getötet, vermutlich von Viehhirt*innen. Berichten zufolge wurden im Mai im Bundesstaat Sokoto 74 Menschen bei einem Angriff von Bewaffneten auf vier Ortschaften im Bezirk Sabon Birni getötet. Auch bei wahllosen Angriffen von Regierungseinheiten gegen Boko Haram kamen Zivilpersonen ums Leben. Am 13. April bombardierte die Luftwaffe versehentlich die Ortschaft Sakotoku im Bezirk Damboa (Bundesstaat Borno). Unter den Toten waren mindestens zehn Kinder und sieben Frauen.
Binnenvertriebene
Im Norden Nigerias wurden Tausende Menschen infolge gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und durch Angriffe bewaffneter Gruppen vertrieben. Viele mussten ihre Heimatorte aber auch als Folge militärischer Angriffe auf Boko Haram verlassen. So machten am 3. Januar 2020 Angehörige der Streitkräfte die Ortschaften Bukarti, Ngariri und Matiri dem Erdboden gleich und zwangen damit Hunderte Einwohner*innen zur Flucht in ein Lager unweit der Stadt Maiduguri (Bundesstaat Borno). Der Gouverneur des Bundesstaates Borno ermöglichte im September etwa 1000 Menschen die Rückkehr in ihre Häuser in der Stadt Baga, die sie vor Jahren verlassen mussten.
Exzessive Gewaltanwendung
Die Sicherheitskräfte verübten gravierende Menschenrechtsverletzungen einschliesslich Folter und anderer Misshandlungen. Ausserdem griffen sie auf exzessive Gewalt zurück, was in einigen Fällen zu rechtswidrigen Tötungen führte.
Im Januar 2020 verletzten Sicherheitskräfte fünf IMN-Mitglieder bei einer Protestaktion in der Hauptstadt Abuja, bei der die Freilassung des IMN-Anführers Sheikh Ibraheem El-Zakzaky und seiner Frau Zeenah gefordert wurde.
Die staatlichen Stellen unterdrückten die Menschenrechte, einschliesslich der Rechte auf freie Meinungsäusserung, friedliche Versammlung und Bewegungsfreiheit. Derartige Menschenrechtsverletzungen wurden besonders häufig im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Massnahmen gegen das Coronavirus begangen: Im Zeitraum vom 30.März bis zum 13. April 2020 wurden mindestens 18 Frauen und Männer von Angehörigen des Justizvollzugs, der Polizei und des Militärs getötet. Die Nationale Menschenrechtskommission dokumentierte zwischen März und Mitte April 105 Beschwerden aufgrund von Menschenrechtsverletzungen. Dazu gehörte auch der ständige Einsatz exzessiver Gewalt durch die Sicherheitskräfte in 24 der 36 Bundesstaaten und im Hauptstadtterritorium Abuja.
Am 23.August 2020 schossen Sicherheitskräfte auf unbewaffnete Mitglieder der Separatistengruppe Indigenous People of Biafra (IPOB), die in einer Schule der Stadt Emene (Bundes-staat Enugu) eine Versammlung abhielten. Mindestens vier Menschen wurden getötet. Zeug*innen sagten, dass Angehörige des Inlandsgeheimdienstes (Department of State Services – DSS), der Polizei und der Streitkräfte am Ort des Geschehens gewesen seien. Einige hätten direkt auf IPOB-Mitglieder geschossen, die Steine und Stöcke mit sich führten. Die Behörden gaben an, dass bei dem Vorfall auch zwei Angehörige der Sicherheitskräfte getötet wurden.
Im Oktober lösten Sicherheitskräfte unter Einsatz von exzessiver Gewalt friedliche Proteste und Versammlungen auf, darunter auch die #EndSARS-Demonstrationen, die sich gegen die Spezialeinheit zur Bekämpfung von Gewaltverbrechen (Special Anti-Robbery Squad – SARS) richteten. Insgesamt kamen dabei 56 Demonstrierende, Unbeteiligte und Angehörige der Sicherheitskräfte ums Leben.
Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen
Die Streitkräfte nahmen nach wie vor Tausende Personen in Gewahrsam. Wer im Verdacht stand, Boko Haram zu unterstützen, wurde willkürlich festgenommen und inhaftiert. Den Inhaftierten wurde der Zugang zu Familienangehörigen und Rechtsbeiständen verweigert und sie wurden auch keinem Gericht vorgeführt. Auch Minderjährige, die aus den von Boko Haram kontrollierten Gebieten flüchteten, wurden festgenommen und in Militärgefängnissen inhaftiert, z.B. im Gefängnis der Giwa-Kaserne in Maiduguri und dem Gefängnis des Militärstützpunkts Kainji Bundestaat Niger). Im Juni 2020 wurden 602 Personen, die unter Verdacht standen, Boko Haram nahe zu stehen, an die Regierung des Bundesstaates Borno für ihre Wiederansiedlung übergeben. Im Juli 2020 missachtete das Militär die Entscheidung des Hohen Gerichts von Abuja, den Armeeangehörigen Martins Idakpini freizulassen. Er hatte das Vorgehen des Militärs im Kampf gegen Boko-Haram öffentlich verurteilt und war daraufhin im Juni festgenommen worden.
Folter und andere Misshandlungen
Folter und andere Misshandlungen waren im gesamten Strafjustizsystem nach wie vor an der Tagesordnung und wurden von der Polizei (vor allem der SARS), dem Inlandsgeheimdienst DSS und dem Militär eingesetzt.
Verschwindenlassen
Die Sicherheitskräfte einschliesslich der Polizei, des Militärs und des DSS nahmen das gesamte Jahr 2020 über Personen willkürlich in Haft und liessen sie verschwinden. Wie schon in den Vorjahren machten die Sicherheitsbehörden keine Angaben zum Schicksal der rund 600 IMN-Mitglieder, deren Aufenthaltsort seit Dezember 2015 unbekannt ist, nach-dem die Streitkräfte im Bundesstaat Kaduna mindestens 347 IMN-Mitglieder getötet hatten. Über den Influencer und Regierungskritiker Abubakar Idris (besser bekannt als Abu Hanifa Dadiyata), der im August 2019 von bewaffneten Männern im Bundesstat Kaduna verschleppt wurde, gab es ebenfalls keine Informationen.
Straflosigkeit
Die Regierung machte keine Anstalten, Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen und -verstösse zeitnah, gründlich und zielführend zu untersuchen oder mutmassliche Täter*innen zur Rechenschaft zu ziehen. Vor allem wurden keine ernsthaften Massnahmen zur Untersuchung oder strafrechtlichen Verfolgung der völkerrechtlichen Verbrechen ergriffen, die Boko Haram oder das nigerianische Militär im Zusammenhang mit dem Konflikt im Nordosten Nigerias begingen. Die Regierung hielt den Bericht eines vom Präsidenten eingesetzten Ausschusses, der nach eigenem Bekunden die Einhaltung der Menschenrechte und der Einsatzregeln durch das Militär untersuchte, immer noch unter Verschluss. Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gab im Dezember 2020 bekannt, dass die Voruntersuchungen des Gerichts abgeschlossen seien und dass sie bei der Vorverfahrenskammer des IStGH eine richterliche Verfügung zur Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens beantragen werde.
Die Behörden Nigerias missachteten Gerichtsentscheidungen und untergruben die Rechtsstaatlichkeit. Dies war ein durchgängiges Muster. Im März 2020 widersetzte sich der Generalstaatsanwalt einer Anweisung des Hohen Bundesgerichts in Abuja, Soldaten, die mutmasslich im August 2019 im Bundesstaat Taraba drei Polizisten getötet hatten, dem Gericht vor-zuführen.
Recht auf freie Meinungsäusserung
Die Behörden griffen auf repressive Gesetze zurück, um Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen, Medienschaffende und vermeintliche Kritiker*innen einzuschüchtern, festzunehmen und zu inhaftieren. Auch nichtstaatliche Akteure schüchterten Journalist*innen ein und schikanierten und verprügelten sie.
Die Gesetzentwürfe über soziale Medien und gegen Hassreden waren Ende 2020 noch vor dem Senat anhängig. Sollten sie Rechtskraft erlangen, könnte dies die Menschenrechte gefährden, einschliesslich des Rechts auf freie Meinungsäusserung.
Im April 2020 nahm die Polizei im Bundesstaat Ebonyi den bei der Zeitung The Sun arbeiten-den Journalisten Chijioke Agwu fest, nachdem er einen Artikel über einen Lassafieberausbruch veröffentlicht hatte. Der Journalist Peter Okutu von der Zeitung Vanguard wurde wegen eines Berichts über einen Angriff des Militärs auf die Siedlung Umuogodoakpu-Ngbo im Bezirk Ohaukwu festgenommen. Beide Journalisten wurden wenige Stunden nach ihrer Festnahme wieder auf freien Fuss gesetzt.
Ausserdem wurde im April Mubarak Bala, Vorsitzender der Humanistischen Vereinigung von Nigeria (Humanist Association of Nigeria), von Angehörigen der Polizei des Bundestaates Kano festgenommen. Ihm wurde im Zusammenhang mit einem Beitrag auf Facebook vorgeworfen, den Propheten Mohammed beleidigt zu haben. Ende 2020 war er noch ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand inhaftiert, obwohl das Hohe Bundesgericht von Abuja am 21. Dezember seine Freilassung anordnete.
Die staatlichen Stellen ergriffen Massnahmen, um die Möglichkeiten der Medien zur Wahrnehmung ihrer Rolle als verfassungsmässige Kontrollinstanz zu beschneiden. Im August 2020 änderte die Regierung das Rundfunk- und Fernsehgesetz und erhöhte die Strafe für »Hassreden« von 500'000 Naira (1080 Euro) auf 5 Mio. Naira (10'800 Euro). Die Nationale Rundfunk- und Fernsehbehörde verhängte Geldstrafen gegen die Fernsehsender Channels TV, Arise TV und African Independence Television wegen ihrer Berichterstattung über die #End-SARS-Proteste im Oktober 2020. Die Behörde begründete diesen Schritt mit angeblichen Verletzungen des Rundfunkrechts, darunter auch die Nutzung von »nicht geprüftem Online-Videomaterial«.
Amnesty International Nigeria wurde im November von einer Gruppe, die sich selbst als Zentrum für die Befreiung Afrikas und sozioökonomische Rechte (Centre for Africa Liberation and Socio-Economic Rights) bezeichnete, bedroht und schikaniert, nachdem die Sektion eine Erklärung zu den Berichten über die Tötung friedlicher Protestierender an der Mautstation der Stadt Lekki (Bundesstaat Lagos) veröffentlicht hatte. Die Gruppe stellte Amnesty International ein Ultimatum, Nigeria binnen sieben Tagen zu verlassen. Die Sprecherin der Gruppe drohte ausserdem mit Angriffen auf die Mitarbeiter*innen, Unterstützer*innen und Räumlichkeiten von Amnesty International.
Recht auf Gesundheit
Haftbedingungen
Die Gefängnisse waren chronisch überfüllt. Schätzungsweise 70 Prozent der Gefangenen be-fanden sich Untersuchungshaft, einige bereits seit mehr als 5 Jahren. Im April 2020 verkün-dete die Regierung im Rahmen einer Amnestie die Freilassung von 2.600 Gefangenen. Damit sollte die Überfüllung verringert und die Verbreitung von Covid-19 in den Gefängnissen unter Kontrolle gebracht werden. Am 31.März wurden im Gefängnis Kaduna Correctional Centre sechs Gefangene von Gefängnisaufsehern getötet. Der Vorfall ereignete sich, nachdem es im Gefängnis Proteste gegeben hatte, die durch die Angst vor einer Verbreitung von Covid-19 ausgelöst worden waren.
Medizinisches Personal
Beschäftigte im Gesundheitswesen wurden nicht auf geeignete Weise vor einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt. Sie arbeiteten unter sehr gefährlichen Bedingungen, da es zu wenig persönliche Schutzausrüstung gab, die medizinischen Einrichtungen heruntergekommen und überlastet waren, sie wenig Geld bekamen und zudem Schikanen der Sicherheitskräfte ausgesetzt waren. Dies waren einige der Gründe, aus denen der Verband der niedergelassenen Ärzte (National Association of Resident Doctors) im Juni 2020 einen Streik orga-nisierte.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Geschlechtsspezifische Gewalt einschliesslich sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen war noch immer weit verbreitet.
Im Februar 2020 gingen in Abuja mehr als 200 Frauengruppen auf die Strasse, um gegen den tätlichen Angriff von Sicherheitskräften des Bundesstaates Enugu auf Goodness Ibangha, eine Rechtsanwältin der NGO Women’s Aid Collective, zu protestieren.
Laut offiziellen Statistiken wurden während des Lockdowns 3600 Vergewaltigungsfälle verzeichnet. Die 18-jährige Barakat Bello wurde im Mai, die 22-jährige Uwaila Omozuwa im Juni vergewaltigt und getötet.
Im Juni 2020 erklärten die Gouverneure aller Bundesstaaten, dass sie beabsichtigten, zur Bekämpfung von Vergewaltigungen und anderer geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Minderjährige einen Ausnahmezustand zu verhängen. Des Weiteren kamen sie überein, die Verantwortlichen härter zu bestrafen.
Im September wurde ein leitender Beamter des Bundesstaates Kogi wegen Vergewaltigung angeklagt und ein Hohes Bundesgericht in Abuja verurteilte einen Senator dazu, einer Frau, die er 2019 verbal und tätlich attackiert hatte, ein Schmerzensgeld von 50 Mio. Naira (rund 108'000 Euro) zu zahlen. Das vom Senator angestrengte Rechtsmittelverfahren war Ende 2020 noch anhängig.
Bis Ende 2020 hatten 17 der 36 Bundesstaaten Gesetze angenommen, die Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt boten.
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI*)
Schwule, Lesben und Bisexuelle wurden auch 2020 von Angehörigen der Sicherheitsdienste wegen ihrer sexuellen Orientierung festgenommen. Schwule Männer wurden von aufgebrachten Menschenmengen und Einzelpersonen erpresst.
Ein Gericht in Lagos wies im Oktober 2020 eine Klage gegen 47 Männer ab, die vor Gericht standen, weil sie 2018 in einem Hotel in Lagos «öffentlich ihre Zuneigung für Angehörige des gleichen Geschlechts gezeigt» haben sollen.
Recht auf Wohnen – Zwangsräumungen
Die Behörden des Hauptstadtterritoriums und der Bundesstaaten Lagos und Benue vertrieben im Rahmen rechtswidriger Zwangsräumungen Tausende Menschen ohne angemessene Ankündigung, Entschädigung oder Bereitstellung alternativer Unterbringungsmöglichkeiten. Im Januar 2020 setzte die Marine in Tarkwa Bay (Bundesstaat Lagos) zwei Tage lang scharfe Munition zur rechtswidrigen Vertreibung Hunderter Familien von ihrem Land ein. Einige Bewohner*innen berichteten, dass ihre Kinder während des Vorfalls den Kontakt zu ihnen verloren.
Im April rissen Beamt*innen des Bundesstaates Lagos bei einer rechtswidrigen Zwangsräumung etwa zehn Häuser in Yaya Abatan, einem Ortsteil des zur Metropolregion Lagos gehörenden Stadtbezirks Ogba, ab.
Im Mai wurden im Bezirk Logo 1 von Makurdi, der Hauptstadt des Bundesstaates Benue, schätzungsweise 20 Häuser dem Erdboden gleichgemacht. Die Operation wurde von bewaffneten Polizisten überwacht. Der Gouverneur des Bundesstaates Benue stritt jegliche Beteili-gung an dem Abriss ab und unternahm nichts, um den Vorfall zu untersuchen.
Im August wurden in der Nepa-Junction-Siedlung in Apo (Hauptstadtterritorium) Hunderte Häuser abgerissen und Tausende Menschen vertrieben. Bewaffnete Polizisten trieben die Bewohner*innen mit Tränengas auseinander. Einige mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Am 31.Dezember wurden in Monkey Village in Opebi im Bundesstaat Lagos zahlreiche Häu-ser und Gebäude abgerissen und die Bewohner*innen vertrieben. Die rechtswidrige Zwangs-räumung wurde von Angehörigen der Polizei und Gangsterbanden mithilfe von Bulldozern vorgenommen.
Todesstrafe
Die Gerichte verhängten nach wie vor Todesurteile, Hinrichtungen wurden jedoch nicht vollstreckt. Das Obere Schariagericht in der Stadt Kano verurteilte im August 2020 den Musiker Yahaya Sharif-Aminu wegen Blasphemie zum Tod durch Erhängen.