AMNESTY INTERNATIONAL REPORT 2023/24 Regionalkapitel Afrika

24. April 2024
Das Wiederaufflammen der Gewalt im Sudan war ein eindrückliches Beispiel für das Leiden der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten überall auf dem Kontinent und für die völlige Missachtung des humanitären Völkerrechts durch die Konfliktparteien. Die zahlreichen Berichte über die enorm hohe Anzahl ziviler Opfer waren erschütternd, vor allem angesichts des Ausmasses der vorsätzlichen und wahllosen Angriffe auf die Zivilbevölkerung. Bewaffnete Konflikte waren auch im Jahr 2023 von sexualisierter Gewalt geprägt.

Übersicht

Rechtswidrige Angriffe und Tötungen

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt in Konflikten

Unterdrückung Andersdenkender

Wirtschaftliche und soziale Rechte

Rechte von Binnenvertriebenen, Flüchtlingen und Migrant*innen

Diskriminierung

Recht auf eine gesunde Umwelt

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung


Übersicht

In vielen afrikanischen Ländern war es nach wie vor gefährlich, Kritik an der Regierung zu üben. Überall auf dem Kontinent wurde brutal gegen Menschen vorgegangen, die gegen Fehlverhalten oder Untätigkeit ihrer Regierung protestierten oder Korruptionsvorwürfe anprangerten. Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen sowie Mitglieder und Führungspersonen von Oppositionsparteien wurden dabei besonders ins Visier genommen. In einer dunklen Stunde für die Menschenrechtsbewegung wurden im Januar 2023 innerhalb von nur einer Woche in Eswatini der bekannte Menschenrechtsverteidiger Thulani Maseko  und in Kamerun der Journalist Martinez Zogo getötet. In Ruanda kam der Investigativjournalist John Williams Ntwali in derselben Woche unter ungeklärten Umständen bei einem Autounfall ums Leben.

Das Zusammenwirken von Faktoren wie Inflation, Korruption, Klimawandel und Konflikten führte dazu, dass für Millionen Menschen die Lebensbedingungen unerträglich wurden und sie keine Möglichkeit hatten, grundlegende wirtschaftliche und soziale Rechte in Anspruch zu nehmen. Viele Länder waren unverhältnismässig stark von der hohen Nahrungsmittelinflation betroffen, und die Ernährungsunsicherheit erreichte erschreckende Ausmasse.

Millionen Menschen waren aufgrund anhaltender bewaffneter Konflikte und extremer Wetterereignisse dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. In mehreren Ländern kamen die Behörden jedoch ihrer Verpflichtung nicht nach, Flüchtlingen und Asylsuchenden angemessenen Schutz zu gewähren.

Geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gewalt prägten nach wie vor das Leben vieler Frauen und Mädchen, während homofeindliche Angriffe auf dem gesamten Kontinent drastisch zunahmen und die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI*) noch stärker beschnitten wurden.

Die afrikanischen Regierungen reagierten überwiegend gleichgültig auf Aufforderungen, gegen Straflosigkeit vorzugehen. Sie nahmen es hin, dass die Straflosigkeit weiter zunahm, Menschenrechtsverletzungen und -verstösse an der Tagesordnung blieben und die Rechtsstaatlichkeit mit Füssen getreten wurde. Viele Regierungen torpedierten Initiativen für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht oder verweigerten offen die internationale Prüfung ihrer Menschenrechtsbilanz.

Rechtswidrige Angriffe und Tötungen

In Ländern wie Burkina Faso, der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo), Kamerun, Mali, Nigeria, Somalia, Sudan und der Zentralafrikanischen Republik hatten bewaffnete Konflikte auch 2023 katastrophale Auswirkungen für die Zivilbevölkerung. Zivilpersonen wurden häufig gezielt angegriffen, z. B. aufgrund ihrer ethnischen Herkunft. Sie waren zudem die Hauptleidtragenden von wahllosen Angriffen, bei denen zum Teil Raketen, Mörser und andere grossflächig wirkende Explosivwaffen zum Einsatz kamen. Einige dieser Angriffe stellten Kriegsverbrechen dar.

Im Sudan wurden bei den Kämpfen zwischen der sudanesischen Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) mehr als 12'000 Menschen getötet. In vielen Teilen des Landes – auch in der Hauptstadt Khartum, vor allem aber in West-Darfur – wurden Zivilpersonen bei gezielten Angriffen verletzt oder getötet. Die Armee und die RSF töteten auch durch den Einsatz von Explosivwaffen in dicht besiedelten Wohngebieten zahlreiche Menschen.

In Burkina Faso töteten mutmassliche Angehörige der bewaffneten Gruppe Ansaroul Islam im Februar 2023 in der Stadt Partiaga mindestens 60 Zivilpersonen und sechs Monate später in der Stadt Nohao 22 Menschen. Auch Streitkräfte griffen die Zivilbevölkerung gezielt an. Bei einem dieser Angriffe töteten Militärangehörige mit Unterstützung der verbündeten Hilfstruppe Voluntaires pour la Défense de la Patrie in der Ortschaft Karma mindestens 147 Zivilpersonen. In der DR Kongo töteten bewaffnete Gruppen im Jahr 2023 mindestens 4000 Menschen und verwundeten Tausende weitere. In der Provinz Nord-Kivu töteten Mitglieder der bewaffneten Gruppe Allied Democratic Forces ungefähr 23 Menschen mit Macheten. Angehörige der bewaffneten Gruppe CODECO töteten in der Provinz Ituri mit Schüssen und Macheten in einer Nacht mindestens 46 Menschen, die Hälfte von ihnen Kinder. In Mali tötete die bewaffnete Gruppe IS Sahel im Juni 2023 bei einem Angriff auf die Dörfer Gaina und Boyna in der Region Gao 17 Menschen. Zwei Monate später kamen bei einem Angriff von Mitgliedern der bewaffneten Gruppe zur Unterstützung des Islams und der Muslime (Jama'at Nusrat al-Islam wal-Muslimin) auf die Dörfer Bodio und Yarou in der Region Bandiagara insgesamt 37 Zivilpersonen ums Leben.

Die nigerianische Luftwaffe tötete bei einem Luftangriff im Bundesstaat Niger 21 Menschen. In der somalischen Stadt Las Anod forderte ein neuer Konflikt zwischen somaliländischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen 36 Todesopfer in der Zivilbevölkerung, vor allem durch den unterschiedslosen Beschuss der Stadt durch somaliländische Sicherheitskräfte.

Alle an bewaffneten Konflikten beteiligten Parteien müssen die Zivilbevölkerung schützen und gezielte sowie wahllose Angriffe auf Zivilpersonen und die zivile Infrastruktur einstellen.

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt in Konflikten

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt in Konflikten war weiterhin weit verbreitet, darunter Vergewaltigung, Gruppenvergewaltigung, Entführung und sexuelle Versklavung, und viele Überlebende hatten keinen Zugang zu der für sie notwendigen medizinischen und psychosozialen Unterstützung. Soldaten der eritreischen Streitkräfte hielten mindestens 15 Frauen fast drei Monate lang in einem Militärstützpunkt der äthiopischen Region Tigray gefangen und vergewaltigten sie mehrfach. In Burkina Faso entführten mutmassliche Mitglieder von Ansaroul Islam 66 Frauen, Mädchen und Neugeborene unweit der Ortschaft Liki in der Sahelzone. Die Entführten wurden vier Tage später bei einer routinemässigen Strassenkontrolle in der Stadt Tougouri aus einem Lastwagen befreit. In Nigeria entführten Kämpfer von Boko Haram im Bezirk Mafa (Bundesstaat Borno) mehr als 40 Frauen.

Die Vereinten Nationen teilten mit, dass sie in der Zentralafrikanischen Republik Beweise für Vergewaltigungen gesammelt hätten, die elf tansanische Angehörige einer UN-Friedensmission begangen haben sollen. In der DR Kongo wurden allein in der Provinz Nord-Kivu im ersten Quartal 2023 mehr als 38.000 Fälle sexualisierter Gewalt gemeldet. In Mali verzeichneten die Vereinten Nationen im selben Zeitraum 51 Vorfälle sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Kontext des bewaffneten Konflikts. Angehörige der Konfliktparteien im Sudan – vor allem der RSF und mit ihnen verbündeter Milizen – verübten sexualisierte Gewaltakte gegen zahlreiche Frauen und Mädchen, einschliesslich Vergewaltigungen. In einem Fall entführten RSF-Angehörige 24 Frauen und Mädchen und hielten sie tagelang in einem Hotel in der Stadt Nyala unter Bedingungen fest, die sexueller Sklaverei gleichkamen.

Die an bewaffneten Konflikten beteiligten Parteien sollten ihren Mitgliedern bzw. Truppen klare Befehle erteilen, die sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt verbieten. Die Regierungen sollten sicherstellen, dass die Überlebenden solcher Gewalt uneingeschränkten Zugang zu medizinischer und psychosozialer Versorgung haben.

Unterdrückung Andersdenkender

Recht auf friedliche Versammlung

Überall auf dem Kontinent gingen Demonstrierende auf die Strasse, um z. B. gegen hohe Lebenshaltungskosten, schlechte Regierungsführung und Menschenrechtsverletzungen zu protestieren. In vielen Fällen schlugen die Sicherheitskräfte die Proteste mit unverhältnismässiger Gewalt nieder. Zahlreiche Demonstrierende und Unbeteiligte wurden verletzt oder getötet, u. a. in Angola, Äthiopien, Kenia, Mali, Mosambik, Somalia und im Senegal. In Kenia tötete die Polizei zwischen März und Juli 2023 bei Protestkundgebungen mindestens 57 Menschen. Im Senegal wurden im Juni 2023 mindestens 29 Menschen getötet, als die Polizei und bewaffnete Männer in Zivil gewaltsame Proteste in der Hauptstadt Dakar und in Ziguinchor unter Einsatz von scharfer Munition auflösten.

Anderswo wurden Proteste im Voraus verboten, so in Guinea, im Senegal, in Sierra Leone und im Tschad. Die Verbote richteten sich in erster Linie gegen Kundgebungen und Demonstrationen, zu denen die Zivilgesellschaft oder Oppositionsparteien bzw. deren Führung aufgerufen hatten. Im Tschad verbot das Ministerium für öffentliche Sicherheit z. B. zwei von Oppositionsparteien organisierte Demonstrationen mit der Begründung, die Parteien existierten rechtlich nicht und erfüllten nicht die Voraussetzungen für die Genehmigung einer Demonstration. In Guinea waren politische Versammlungen seit Mai 2022 generell verboten. Mehrere Kundgebungen zur Unterstützung des Staatschefs waren allerdings seither bewilligt worden.

Recht auf freie Meinungsäusserung

Das Recht auf freie Meinungsäusserung war weiterhin bedroht. Wer sich gegen die Politik, das Handeln oder die Untätigkeit von Regierungen aussprach oder Informationen veröffentlichte, die als schädlich für die jeweilige Regierung angesehen wurden, riskierte in vielen Ländern die Festnahme, die willkürliche Inhaftierung oder den Tod. In Eswatini wurde der Menschenrechtsverteidiger Thulani Maseko in seinem Haus ermordet. Unbekannte entführten in Kamerun den Journalisten Martinez Zogo. Fünf Tage später wurde seine verstümmelte Leiche in einem Vorort der Hauptstadt Jaunde gefunden. Er hatte über Korruptionsvorwürfe gegen regierungsnahe Personen berichtet. John Williams Ntwali, ein Investigativjournalist, der über Menschenrechtsthemen berichtete, kam in Ruanda unter ungeklärten Umständen ums Leben. Einen Tag vor seinem Tod hatte er einem Kollegen gesagt, dass er um seine Sicherheit fürchte.

Im Südsudan wurden sieben Journalisten willkürlich in der Hafteinrichtung des Geheimdiensts in der Hauptstadt Juba inhaftiert, nachdem in den Sozialen Medien ein Video kursierte, in dem zu sehen war, dass Präsident Salva Kiir bei einer Zeremonie seinen Harndrang offenbar nicht mehr kontrollieren konnte. Sie wurden bis zu zehn Wochen lang festgehalten und dann ohne Anklageerhebung freigelassen; ein Journalist war offenbar gefoltert oder anderweitig misshandelt worden.

In Somalia verurteilte ein Gericht den Journalisten und Generalsekretär der somalischen Journalist*innengewerkschaft Abdalle Ahmed Mumin wegen «Missachtung von Regierungsanordnungen» zu einer zweimonatigen Haftstrafe. Nachdem er bereits mehr als zwei Monate in Untersuchungshaft zugebracht hatte, wurde er zunächst freigelassen, jedoch gut eine Woche später erneut festgenommen und einen weiteren Monat lang inhaftiert. In Tansania wurden zwischen Juni und Dezember 2023 mindestens zwölf Personen festgenommen, weil sie das Hafenabkommen zwischen Tansania und den Vereinigten Arabischen Emiraten kritisiert hatten. Wenige Tage später kamen sie bedingungslos frei.

Schikanen der Justiz gegen Kritiker*innen waren an der Tagesordnung. In Burundi wurde die Journalistin Floriane Irangabiye  wegen „«Gefährdung der Integrität des Staatsgebiets» zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der Schuldspruch, der auf Äusserungen in einer Radiosendung beruhte, wurde im Rechtsmittelverfahren bestätigt. In Benin wurde Virgile Ahouansè, Nachrichtenchef eines Online-Radiosenders, wegen „Verbreitung von Falschinformationen“ zu zwölf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er hatte im Jahr 2022 ein Programm übertragen, in dem Augenzeug*innen der Polizei aussergerichtliche Hinrichtungen vorwarfen. In Niger wurde Samira Ibrahim wegen der «Erstellung von Informationen, die die öffentliche Ordnung stören könnten» schuldig gesprochen. Grund war ein Beitrag auf Facebook, in dem sie erklärt hatte, dass Algerien die Militärregierung nicht anerkenne.

Mehrere Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Aktivist*innen – u. a. in Mali, Tansania, Togo, im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik – mussten ins Exil gehen. In Togo wurden Ferdinand Ayité und Isidore Kowonou von der Zeitung L’Alternative zu drei Jahren Haft und einer hohen Geldstrafe verurteilt, weil sie einen Artikel veröffentlicht hatten, in dem zwei Regierungsangehörige der Korruption beschuldigt wurden. Sie flohen ausser Landes, um die Strafe nicht verbüssen zu müssen. In der Zentralafrikanischen Republik floh ein Journalist, der über mutmassliche Korruption in der Nationalversammlung berichtet hatte, nach anonymen Drohungen aus dem Land. In Mali wurde die Menschenrechtsverteidigerin Aminata Dicko ins Exil gezwungen, nachdem sie in einer Anhörung vor dem Uno-Sicherheitsrat Menschenrechtsverletzungen durch die Streitkräfte angeprangert hatte und daraufhin von der Gendarmerie unter dem Vorwurf des Hochverrats und der Verleumdung zum Verhör vorgeladen worden war.

In Benin, Burkina Faso, Niger, Togo, im Tschad, aber auch in anderen Ländern Afrikas belegten die Behörden Medienunternehmen, Zeitungsredaktionen oder Nachrichten-Websites mit unterschiedlich langen Publikationsverboten. Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und politischer Unruhen unterbrachen oder sperrten die Behörden in Äthiopien, Guinea, Mauretanien und im Senegal den Zugang zum Internet. Die nigerianische Medienaufsichtsbehörde verhängte gegen 25 Sender Geldstrafen wegen deren Berichterstattung über die Parlamentswahlen 2023, weil diese nach Ansicht der Behörde gegen die Rundfunkordnung verstossen hatte. Andere Behörden gingen sogar noch weiter, so in Benin, wo die private Mediengruppe La Gazette du Golfe auf unbestimmte Zeit mit einem Betätigungsverbot belegt wurde. In Burkina Faso wurden zwei ausländische Korrespondentinnen des Landes verwiesen, und in Niger musste die Zeitung L’Évènement wegen mutmasslich ausstehender Steuerzahlungen ihr Erscheinen einstellen.

Recht auf Vereinigungsfreiheit

Strenge und ungerechtfertigte Einschränkungen des Rechts auf Vereinigungsfreiheit nahmen auf dem gesamten Kontinent zu. Oppositionsparteien wurden ins Visier genommen und hatten immer weniger Möglichkeiten, sich zu organisieren und frei zu agieren. In Burundi verboten die Behörden fast alle Aktivitäten der wichtigsten Oppositionspartei Congrès National pour la Liberté. Nach dem Staatsstreich in Niger im Juli 2023 verbot das Militär sämtliche parteipolitischen Aktivitäten für unbestimmte Zeit. In Uganda wurden der Partei National Unity Platform Parteiversammlungen und andere Aktivitäten untersagt. Ein positives Signal war, dass die tansanische Präsidentin ein seit 2016 bestehendes Verbot aufhob, das politischen Parteien die Organisation von Kundgebungen und anderen politischen Aktivitäten untersagt hatte.

Die Behörden vieler Länder des afrikanischen Kontinents instrumentalisierten weiterhin Gesetze, um die Menschenrechte, einschliesslich des Rechts auf Vereinigungsfreiheit, zu beschneiden. In Angola wurde der Entwurf eines NGO-Gesetzes vom Parlament verabschiedet. Die betroffenen Organisationen befürchteten, dass dieses Gesetz das Recht auf Vereinigungsfreiheit einschränken und der Exekutive übermässige Befugnisse zur Reglementierung ihrer Aktivitäten geben könnte.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sowie Folter und andere Misshandlungen

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen waren auch im Jahr 2023 an der Tagesordnung. Bei der Auflösung von Protesten und der Durchsetzung von Ausnahmezuständen griffen Sicherheitskräfte häufig auf Massenfestnahmen und -inhaftierungen zurück. Im August 2023 verhängte die äthiopische Regierung nach bewaffneten Zusammenstössen zwischen der Armee und amharischen Fano-Milizen einen sechsmonatigen landesweiten Ausnahmezustand. Dieser diente als Vorwand für die Inhaftierung Hunderter Menschen, denen der Zugang zu Rechtsbeiständen und Gerichten verwehrt wurde. Im Senegal wurden mehr als 1000 Menschen festgenommen und inhaftiert, meist wegen ihrer Teilnahme an Protesten oder wegen vermeintlicher Verbindungen zur Oppositionspartei PASTEF.

In anderen Ländern wie Botsuana, Burundi, Niger und Simbabwe wurden prominente Politiker*innen festgenommen oder willkürlich inhaftiert. In Botsuana wurden mehrere führende Mitglieder der Oppositionspartei Botswana Patriotic Front sowie zwei Journalisten festgenommen und ohne Anklageerhebung bis zu zwei Tage lang inhaftiert. Nach dem Staatsstreich in Niger wurden Präsident Bazoum und seine Familie im Präsidentenpalast festgesetzt. Mehrere ehemalige Regierungsangehörige und Parteifunktionäre wurden ohne Anklageerhebung inhaftiert. In Simbabwe wurde Jacob Ngarivhume, Vorsitzender der Oppositionspartei Transform Zimbabwe, im Dezember 2023 im Berufungsverfahren freigesprochen, nachdem er acht Monate zuvor zu 48 Monaten Haft – davon zwölf auf Bewährung – verurteilt worden war. Er war im Juli 2020 festgenommen worden, weil er Proteste gegen Korruption angeführt und organisiert hatte.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen wurden auch aus Äquatorialguinea, der DR Kongo, Mali und anderen Ländern gemeldet.

Folter und andere Misshandlungen in Gewahrsam gaben weiterhin Anlass zu grosser Sorge. Aus mehreren Ländern, darunter Äquatorialguinea, Lesotho, Mauretanien und Nigeria, wurden verdächtige Todesfälle in Polizeigewahrsam gemeldet. In Mauretanien starb der Menschenrechtsverteidiger Souvi Ould Jibril Ould Cheine nach einem Verhör auf einer Polizeiwache. Eine offizielle Autopsie ergab, dass sein Tod durch Erwürgen herbeigeführt worden war. Die Behörden hatten dagegen erklärt, er sei an einem Herzinfarkt gestorben. Die Staatsanwaltschaft ordnete die Festnahme des Kommissars und der beteiligten Polizisten an. In Nigeria starb Faiz Abdullahi im Bundesstaat Kaduna in Polizeigewahrsam, nachdem er während eines Verhörs gefoltert worden war. Im Bundesstaat Adamawa starb ein 17-jähriger Schüler im Krankenhaus, nachdem auch er von der Polizei während eines Verhörs gefoltert worden war.

Aussergerichtliche Hinrichtungen und Verschwindenlassen

Aussergerichtliche Hinrichtungen und andere rechtswidrige Tötungen sowie das Verschwindenlassen von Personen wurden von den Behörden einiger Länder auch 2023 als Mittel der Unterdrückung eingesetzt. In Burkina Faso wurden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens entführt, oder sie wurden festgenommen und fielen dann dem Verschwindenlassen zum Opfer. Einer der Betroffenen war der Präsident einer nationalen Organisation, die die Interessen der Viehhirten vertritt. Aus Burundi gingen weiterhin Berichte über Fälle des Verschwindenlassens ein, die überwiegend Oppositionspolitiker betrafen. Als mutmassliche Hauptverantwortliche für diese Vorfälle wurden der Geheimdienst und Mitglieder der Jugendorganisation der Regierungspartei CNDD-FDD, Imbonerakure, genannt. In Eritrea blieben Schicksal und Verbleib von elf Mitgliedern der als G-15 bekannten Gruppe auch 2023 unbekannt. Bei den G-15 handelt es sich um eine Gruppe von 15 hochrangigen Politiker*innen, die sich 2001 öffentlich gegen Präsident Afwerki gestellt hatten. Auch über das Schicksal und den Aufenthaltsort von 16 Journalist*innen, denen Verbindungen zu den G-15 vorgeworfen wurden, war nichts bekannt.

Die Regierungen müssen die gegen Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen und Oppositionellen gerichteten Repressalien und Einschüchterungen einstellen und alle, die willkürlich inhaftiert wurden, unverzüglich und bedingungslos freilassen. Sie müssen die Medienfreiheit respektieren, indem sie u. a. sicherstellen, dass die Medien unabhängig arbeiten können.

Wirtschaftliche und soziale Rechte

Recht auf Nahrung

Viele afrikanische Länder gehörten zu den Staaten, die weltweit am stärksten von den steigenden Lebensmittelpreisen betroffen waren. Die Zahl der Menschen, deren Ernährung nicht gesichert war, nahm 2023 erschreckende Ausmasse an. Nach Schätzungen des Welternährungsprogramms waren in Sierra Leone im Februar 78 Prozent der Bevölkerung von Ernährungsunsicherheit und 20 Prozent der Haushalte sogar von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten teilte im Dezember mit, dass im Südsudan 5,83 Mio. Menschen – 46 Prozent der Bevölkerung des Landes – in hohem Masse von Ernährungsunsicherheit betroffen waren. In Namibia nahm die akute Ernährungsunsicherheit stark zu und betraf 22 Prozent der Bevölkerung.

Der Klimawandel und extreme Wetterereignisse verschärften die Ernährungskrise. In Madagaskar stieg die Ernährungsunsicherheit, nachdem das Land im Januar und Februar 2023 von zwei Wirbelstürmen heimgesucht worden war, die Nutzpflanzen zerstört hatten, ebenso wie Infrastruktur, wodurch humanitäre Hilfslieferungen in die betroffenen Gebiete erschwert wurden. In Somalia war die Ernährungslage von schätzungsweise 5 Mio. Menschen extrem besorgniserregend. Die dort herrschende Dürre war verheerend für den Agrarsektor, der bis zu 90 Prozent der somalischen Exporte ausmacht.

Bewaffnete Konflikte verschärften die Lage noch zusätzlich. In Burkina Faso belagerten bewaffnete Gruppen mindestens 46 Städte und Dörfer, unterbrachen die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern, versperrten den Bewohner*innen den Zugang zu ihren Feldern und sabotierten die Wasserinfrastruktur. Internationale Hilfsorganisationen setzten die Nahrungsmittelhilfe für die äthiopische Region Tigray für sechs Monate aus, nachdem Beweise dafür aufgetaucht waren, dass Hilfsgüter mutmasslich von Regierungsstellen und der Armee abgezweigt worden waren. Dies betraf mehr als 4 Mio. Menschen, die ohnehin schon unter Ernährungsunsicherheit litten, und führte nach vorliegenden Informationen zum Tod Hunderter Menschen.

Die Regierungen ergriffen Massnahmen, um die Inflation zu bekämpfen und eine stabile Versorgung des heimischen Marktes mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten. So rief Sierra Leone ein Programm zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität und der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln ins Leben, und Côte d’Ivoire setzte die Ausfuhr von Reis und Zucker aus. Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft war jedoch unzureichend. Die für die Ernährungssicherheit im Tschad bereitgestellten internationalen Mittel beliefen sich im September auf 96,9 Mio. US-Dollar (knapp 90 Mio. Euro) und lagen damit um 128,1 Mio. US-Dollar (etwa 118 Mio. Euro) unter dem Bedarf. Im Südsudan hatte das Fehlen von Mitteln für das humanitäre Projekt der Vereinten Nationen zur Folge, dass die Nahrungsmittelsoforthilfe vorrangig den Menschen zugutekommen musste, deren Ernährungslage am schlechtesten war.

Recht auf Bildung

In von Konflikten betroffenen Ländern war die Wahrnehmung des Rechts auf Bildung nicht oder nur schwer möglich. Dies war vor allem in Burkina Faso, der DR Kongo, Kamerun und Niger der Fall. In Burkina Faso waren im Oktober 2023 mindestens 6549 Schulen aufgrund des bewaffneten Konflikts geschlossen. Nur 539 Schulen wurden im Jahr 2023 wieder eröffnet. Von den Schulschliessungen waren mehr als eine Million Kinder betroffen. In Kamerun wurden zwischen Januar und Juli 2023 mindestens 13 gewaltsame Angriffe auf Bildungseinrichtungen in den Regionen North-West und South-West gemeldet, bei denen u. a. Schüler*innen und Lehrkräfte entführt wurden. Mindestens 2245 Schulen waren geschlossen. In der DR Kongo erhielten in zwei der am stärksten umkämpften Provinzen im Osten des Landes rund 750'000 Minderjährige keine schulische Bildung mehr. Tausende Schulen wurden angegriffen, mussten wegen der unsicheren Lage schliessen oder wurden als Unterkünfte für Binnenvertriebene genutzt.

Positiv zu vermerken war, dass in Sambia im Januar 2023 das kostenlose Bildungsprogramm für Kinder im Grundschulalter anlief, in dessen Rahmen 4500 zusätzliche Lehrkräfte eingestellt wurden. In Tansania stiegen die Einschulungs- und Alphabetisierungsraten insgesamt an, und die Hindernisse für den Schulbesuch wurden abgebaut. Schwangere Minderjährige und minderjährige Mütter durften seit 2022 wieder Regelschulen besuchen. Die Verbleibquote dieser Schülerinnen war jedoch immer noch niedrig.

Recht auf Gesundheit

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung war in vielen afrikanischen Ländern nach wie vor schwierig. Der ghanaische Gesundheitsdienst gab im Februar 2023 bekannt, dass zwischen 2021 und 2022 in der Gemeinde Bawku 27 Schwangere starben, weil sie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hatten. In Südafrika war der Zugang zum Gesundheitswesen im März 2023 durch einen Streik für höhere Löhne eingeschränkt, was nach Angaben des Gesundheitsministers zu vier Todesfällen führte. Aus der Republik Kongo, dem Südsudan und anderen Ländern wurden Bakterienruhr, Cholera, Typhus und andere Epidemien gemeldet.

Rechtswidrige Zwangsräumungen

Nach wie vor führten Regierungen im Zusammenhang mit Bau- und Erschliessungsprojekten rechtswidrige Zwangsräumungen durch. Tausende Menschen, die in Benin im Zuge von Tourismusprojekten an der Küste zwischen den Städten Cotonou und Ouidah zwangsumgesiedelt worden waren, beklagten, dass sie nicht angemessen entschädigt worden seien. In der DR Kongo führte der Ausbau industrieller Kobalt- und Kupferminen in der Provinz Lualaba dazu, dass Menschen rechtswidrig aus ihren Häusern und von ihrem Ackerland vertrieben wurden. Auslöser war die weltweit steigende Nachfrage nach Mineralien für die Energiewende.

Im ugandischen Bezirk Hoima vertrieben Sicherheitskräfte fast 500 Familien gewaltsam von ihrem Land, um den Bau der Ostafrikanischen Rohölpipeline EACOP zu ermöglichen. In Tansania wurden mindestens 67 Angehörige der indigenen Gemeinschaft der Massai festgenommen, weil sie sich weigerten, ihr angestammtes Land im Ngorongoro-Naturschutzgebiet zu verlassen. Die Regierung will das Gebiet in ein Wildschutzgebiet umwandeln und vertreibt daher die Massai gewaltsam aus dem Areal. Die meisten Festnahmen gab es in der Ortschaft Endulen.

Die Regierungen müssen unverzüglich Massnahmen ergreifen, um sozioökonomischer Not entgegenzuwirken, und sicherstellen, dass sie im Einklang mit ihren Kernverpflichtungen Ressourcen bereitstellen, um die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Bevölkerung zu gewährleisten.

Rechte von Binnenvertriebenen, Flüchtlingen und Migrant*innen

Schätzungen zufolge gab es in der DR Kongo 2023 fast 7 Mio. Binnenvertriebene, so viele wie in keinem anderen afrikanischen Land. Darüber hinaus lebten in der DR Kongo 500'000 Menschen, die vor bewaffneten Konflikten und Verfolgung aus anderen afrikanischen Ländern geflohen waren. Zwischen Januar und August 2023 flohen rund 45'000 Menschen aus der DR Kongo in angrenzende Länder, z. B. nach Uganda, das mit mehr als 1,6 Mio. Geflüchteten die meisten Flüchtlinge in Afrika aufgenommen hat.

Im Sudan wurden seit Ausbruch des Konflikts im April 2023 mehr als 5,8 Mio. Menschen im eigenen Land vertrieben. Damit gab es dort 2023 mehr Binnenvertriebene als irgendwo sonst auf der Welt. Mehr als 4,5 Mio. dieser Menschen wurden zwischen April und Oktober vertrieben. Etwa 1,4 Mio. Menschen aus dem Sudan suchten in den Nachbarstaaten Zuflucht. Einige Länder verweigerten sudanesischen Asylsuchenden jedoch die Einreise. Die ägyptischen Behörden verlangten von allen sudanesischen Staatsangehörigen ein Einreisevisum, das vom ägyptischen Konsulat im Sudan ausgestellt werden musste, und führten für Jungen und Männer im Alter von 16 bis 50 Jahren als zusätzliche Einreisevoraussetzung eine Sicherheitsüberprüfung ein.

In Niger kamen zwischen Januar und April 2023 rund 9000 Flüchtlinge und Migrant*innen, die von den algerischen Behörden abgeschoben worden waren, im Grenzdorf Assamaka an. In Malawi nahm die Polizei Hunderte Geflüchtete in ihren Häusern und Geschäften in der Hauptstadt fest und verlegte sie in das Flüchtlingslager Dzaleka.

Die Regierungen müssen ihren Verpflichtungen nachkommen, Flüchtlinge, Asylsuchende und Migrant*innen zu schützen, indem sie u. a. das Recht auf ein Asylverfahren und den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung respektieren.

Diskriminierung

Frauen und Mädchen

In Sierra Leone starb ein zweijähriges Mädchen an den Folgen einer Genitalverstümmelung, was die schlimmen Auswirkungen dieser Praxis deutlich machte. Kinderehen sowie Früh- und Zwangsverheiratung waren in vielen Ländern Afrikas nach wie vor verbreitet. In Sambia waren fast 29 Prozent der Frauen, die 2023 zwischen 20 und 24 Jahre alt waren, vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet worden. In Niger warf der Fall der 16-jährigen Nazira, die sich das Leben nahm, um einer Zwangsverheiratung zu entgehen, ein Schlaglicht auf die Verzweiflung, die durch Frühverheiratung verursacht wird.

Im Bereich des Rechtsschutzes gab es mehrere positive Entwicklungen. In der DR Kongo wurde ein Gesetz erlassen, das geschlechtsspezifische Einschüchterung und Stigmatisierung unter Strafe stellt. In Sierra Leone schreibt ein neues Gesetz vor, dass 30 Prozent aller öffentlichen Ämter von Frauen besetzt werden müssen. In Südafrika wurde ein Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Gremiums, das die Umsetzung eines Strategieplans zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt überwachen soll, zur öffentlichen Kommentierung freigegeben.

LGBTI*

In einigen Ländern wurden homofeindliche Gesetze verabschiedet. In Uganda mehrten sich nach Inkrafttreten eines neuen Gesetzes, das die Todesstrafe für «schwere Homosexualität» vorsieht, Berichte über eine Zunahme von Gewalttaten gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI*). In Kenia brachte ein Abgeordneter einen Gesetzentwurf ein, der darauf abzielte, einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Personen noch stärker zu kriminalisieren. In Ghana verabschiedete das Parlament ein homofeindliches Gesetz. In Eswatini verweigerte die Regierung einer LGBTI-Organisation die Registrierung und setzte sich damit über ein Gerichtsurteil hinweg.

LGBTI* wurden regelmässig festgenommen und inhaftiert. Im Februar 2023 wurden in Burundi 24 Menschen während eines Workshops zur wirtschaftlichen Inklusion festgenommen. Gemeinsam mit zwei weiteren Personen wurden sie wegen «Homosexualität» und «Anstiftung zur Ausschweifung» angeklagt. Im August 2023 wurden sieben der Angeklagten für schuldig befunden und 19 freigesprochen. Neun der Freigesprochenen wurden jedoch nicht sofort aus der Haft entlassen, einer von ihnen starb im Gefängnis. In Nigeria sahen sich 69 Männer mit einem Strafverfahren konfrontiert, weil sie im Bundesstaat Delta eine Hochzeit für Homosexuelle geplant haben sollen. Im Bundesstaat Gombe wurden 59 Männer und 17 Frauen festgenommen, weil sie eine Geburtstagsfeier für Homosexuelle abgehalten haben sollen.

In Äthiopien, Botsuana, Kamerun, Kenia, Malawi und Tansania nahm die homofeindliche Rhetorik zu. In Botsuana und Malawi demonstrierten Hunderte Menschen gegen die Entkriminalisierung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen. Die Demonstrierenden wurden dabei von religiösen Gruppen und Regierungsangehörigen unterstützt. In Kamerun drohten die Behörden, Sender zu schliessen, falls sie «Programme zur Förderung homosexueller Praktiken» ausstrahlen sollten. In Äthiopien starteten Social-Media-Influencer*innen, religiöse Autoritäten und bekannte Künstler*innen im Internet und im öffentlichen Raum eine Kampagne gegen LGBTI*. In Tansania verbannte der Bildungsminister Bücher mit LGBTI-Inhalten aus den Schulen.

Zwei Gerichtsurteile waren demgegenüber positiv zu bewerten. Der Oberste Gerichtshof Namibias entschied, dass Ehepartner*innen namibischer Staatsbürger*innen ihren Einwanderungsstatus auf Grundlage von im Ausland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen legalisieren lassen können. Der Oberste Gerichtshof Kenias bestätigte das Recht von LGBTI* auf Vereinigungsfreiheit.

Menschen mit Albinismus

In Malawi nahmen Verbrechen gegen Menschen mit Albinismus zu. So gab es beispielsweise Berichte über versuchte Entführungen, tätliche Angriffe und Grabschändungen. In Angola wurde der „Nationale Aktionsplan für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte von Menschen mit Albinismus“ verabschiedet.

Die Regierungen müssen dringend alle Formen geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen bekämpfen. Dafür müssen sie u. a. die Ursachen angehen und ihre Bemühungen zur Beseitigung schädlicher Praktiken verstärken. Die Regierungen müssen ausserdem den Schutz der Rechte von LGBTI* stärken, indem sie u. a. entsprechende Gesetze erlassen, Berichte über Verstösse zielführend untersuchen und die mutmasslich Verantwortlichen vor Gericht stellen.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Mehrere afrikanische Länder waren von extremen Wetterereignissen betroffen, deren Intensität und Häufigkeit mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen könnten. Die Regierungen waren jedoch nur schlecht darauf vorbereitet, auf Wetterereignisse in der Region zu reagieren, auf länger vorhersehbare ebenso wie auf unvermittelt eintretende. Im Februar und März 2023 zog der Wirbelsturm Freddy das Leben von Millionen von Menschen in Malawi und Mosambik in Mitleidenschaft. Der Sturm forderte in Malawi 679 und in Mosambik 452 Todesopfer. In anderen Ländern, wie z. B. in der DR Kongo und in Ruanda, kamen zahlreiche Menschen bei Überschwemmungen ums Leben. Im September 2023 fand in Nairobi der erste afrikanische Klimagipfel statt. Ziel der Konferenz war es, im Vorfeld der UN-Klimakonferenz (COP28) eine einheitliche Position der afrikanischen Staaten zu erarbeiten.

Die Regierungen müssen unverzüglich Schritte zum Schutz vor den Risiken und Auswirkungen des Klimawandels einleiten und Massnahmen ergreifen, um besser auf extreme Wetterereignisse vorbereitet zu sein. Hierzu zählt auch, dass sie sich um internationale Unterstützung und Klimafinanzierung aus den Industrieländern bemühen, damit ausreichende Massnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel ergriffen und die Menschen, die am stärksten ausgegrenzt sind, für Verluste und Schäden entschädigt werden können.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Eine zynische Kampagne der äthiopischen Regierung zur Verhinderung von Initiativen für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht führte dazu, dass die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker vorzeitig das Mandat ihrer Untersuchungskommission zur Lage in der Region Tigray beendete, ohne ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Im März 2023 setzte sich die Regierung dafür ein, auch das Mandat der Internationalen UN-Kommission von Menschenrechtsexpert*innen zu Äthiopien vorzeitig zu beenden, was dazu führte, dass die Mitglieder des Uno-Menschenrechtsrats das Mandat der Kommission nicht verlängerten. Burundi und Tansania verhielten sich ähnlich. Im Juli 2023 verliess die burundische Regierungsdelegation eine Sitzung mit dem Uno-Menschenrechtsausschuss aus Protest gegen die Anwesenheit eines Menschenrechtsverteidigers, der aufgrund konstruierter Vorwürfe bezüglich seiner angeblichen Beteiligung am Putschversuch von 2015 in Abwesenheit verurteilt worden war. Tansania hinderte eine Delegation der UNESCO daran, das Naturschutzgebiet Ngorongoro zu besuchen, um dort Berichte über die gewaltsame Vertreibung indigener Massai zu untersuchen.

Mehrere Länder brachten Wahrheits- und Versöhnungsprozesse auf den Weg oder zogen sie in Erwägung. Diese hatten jedoch nicht vornehmlich zum Ziel, Gerechtigkeit für die Opfer völkerrechtlicher Verbrechen oder anderer schwerer Menschenrechtsverstösse zu erreichen. Die Regierung der DR Kongo verabschiedete den Entwurf einer nationalen Strategie für eine Übergangsjustiz, und die äthiopische Regierung leitete Konsultationen für die Annahme einer ähnlichen Strategie ein.

Im Südsudan billigte das Kabinett zwei Gesetzentwürfe zur Einrichtung einer Kommission für Wahrheit, Aussöhnung und Heilung sowie einer Behörde für Entschädigung und Wiedergutmachung; beide Gesetzentwürfe mussten dem Parlament noch zur Beratung vorgelegt werden. Die Einrichtung des Hybrid-Gerichtshofs für den Südsudan wurde jedoch weiterhin blockiert. In Gambia hingegen erklärten sich die Behörden bereit, ein Hybrid-Gericht einzurichten, um Personen, die während der Präsidentschaft von Yahya Jammeh schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben sollen, strafrechtlich zu verfolgen.

Auf dem afrikanischen Kontinent wurden mehrere Personen festgenommen, die im Verdacht standen, völkerrechtliche Verbrechen begangen zu haben. Das Sondergericht der Zentralafrikanischen Republik gab die Festnahme von vier Männern bekannt, denen Kriegsverbrechen und/oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt wurden. Es wurden Schritte unternommen, um zwei des Völkermords in Ruanda verdächtige Personen zur Rechenschaft zu ziehen: Fulgence Kayishema wurde auf der Grundlage eines neuen Haftbefehls festgenommen, der seine Auslieferung an den Internationalen Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe (IRMCT) in Tansania ermöglichen würde. Théoneste Niyongira wurde aus Malawi nach Ruanda abgeschoben.

Die Regierungen müssen ihre Bemühungen zur Bekämpfung der Straflosigkeit verstärken, indem sie völkerrechtliche Verbrechen zeitnah, gründlich, unabhängig, unparteiisch, wirksam und transparent untersuchen, die mutmasslich Verantwortlichen vor Gericht stellen und den Überlebenden Zugang zu wirksamen Rechtsbehelfen eröffnen.