60 Jahre nach der Verkündung durch die Uno
Die Beiträge des Sammelbands «Das uneingelöste Versprechen» wagen eine Zwischenbilanz zu Anspruch und Wirklichkeit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Das ist verdienstvoll, weil der Band historische und analytische wie auch beschreibende Texte zur Lage der Menschenrechte 60 Jahre nach der Verkündung durch die Uno-Vollversammlung vereint.
Menschrechtsbewegung
Im ersten Teil des Bandes werden positive Entwicklungen des Menschenrechtsschutzes in den letzten 60 Jahren vorgestellt. Dabei werden insbesondere die Fortschritte in der Normensetzung auf internationaler, europäischer und bundesdeutscher Ebene thematisiert. Der zweite Thementeil würdigt die Rolle der Menschenrechtsbewegung und ihre Bedeutung als Motor vieler Errungenschaften. Im dritten Abschnitt wird nach bestehenden Defiziten im Menschenrechtsschutz auf nationaler und internationaler Ebene gefragt, bevor menschenrechtspolitische Rückschritte seit dem 11. September 2001 behandelt werden. Der Band schliesst mit einem Ausblick auf die Zukunft der Menschenrechte.
Offene Fragen
Zu kurz kommt hingegen die Auseinandersetzung mit kontrovers diskutierten Themen: so etwa die Frage nach dem Verhältnis von Menschenrechten und Islam, die Debatte über die Gleichrangigkeit der bürgerlich-politischen Rechte einerseits und der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen andererseits sowie die Frage nach den «gerechten» Kriegen zum Schutz einer Bevölkerung und zur Verhinderung eines Genozids.
Besonders spannend zu lesen ist in diesem Zusammenhang der Beitrag von Reiner Huhle über die widersprüchliche Entwicklung der internationalen Strafgerichtsbarkeit. Er beginnt mit den Positionen der Verantwortlichen für die Nürnberger Prozesse gegen die nationalsozialistischen Führer. Anschliessend beschreibt er die Entwicklung bis hin zur Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofes bei der Bekämpfung der Straflosigkeit von Menschenrechtsverbrechen.
Jedes Kapitel eröffnet den Lesern einen besonderen Zugang zum Thema. Aber erst ganz am Ende des Buches, bei den «12 Thesen zur Zukunft der Menschenrechte» von Volkmar Deile, trifft man auf einen streitbaren Text, der Positionen vertritt und Anstösse für eine Debatte liefert. Damit könnte eine ebenso interessante wie notwendige Auseinandersetzung beginnen.
Erschienen in «amnesty - Magazin der Menschenrechte» vom November 2008
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion