Aufseher eskortieren einen Gefangenen © US DoD
Aufseher eskortieren einen Gefangenen © US DoD

MAGAZIN AMNESTY Brennpunkt Folter ohne Folgen?

Immer mehr Berichte bringen schreckliche Details über Folterungen in Guantánamo ans Licht. Damit ähnliche Entgleisungen nie mehr vorkommen, ist die juristische Aufarbeitung unumgänglich. Folter darf nicht straflos bleiben.

Anfang April gelangte ein vertraulicher Bericht des IKRK an die Öffentlichkeit, der erschütternde Fakten über die Folterungen in Guantánamo enthüllte.Kurz darauf, am 16. April 2009, veröffentlichte das US-Justizministerium vier weitgehend unzensierte Dokumente, die sein Amt für Rechtsbeistand 2002 und 2005 verfasst hatte.

Die von der Bush-Regierung als streng geheim eingestuften Schriftstücke belegen, wie die Behörden ihren rechtlichen und moralischen Kompass verloren hatten, als sie Folter und andere Misshandlungen als Massnahmen gegen den Terrorismus zuliessen.

Diese Memoranden wurden von AnwältInnen des Justizministeriums als «Rechtsschutz» für CIA-Angehörigen verfasst, die Gefangene in geheimer Haft befragten. Die nüchternen Details der 14 als legale Verhörmethoden sanktionierten Foltermethoden müssen in Zusammenhang mit den Vorwürfen gesetzt werden, die das IKRK im Februar 2007 dokumentiert hatte und die im eingangs erwähnten Bericht zu lesen sind.

Das vertrauliche Schreiben an die US-Regierung basiert auf Gesprächen mit 14 Gefangenen, die im Herbst 2006 nach bis zu viereinhalb Jahren Gefangenschaft in geheimer Einzelhaft von unbekannten Orten nach Guantánamo transferiert wurden.

Der Bericht gipfelt in der Feststellung: «Die von den Gefangenen vorgebrachten Anschuldigungen über Misshandlungen bezeugen, dass einzeln oder kombiniert angewandte Behandlungstechniken des CIA-Programms in vielen Fällen Folter darstellen.»

Das IKRK kam auch zum Schluss, dass das von den USA verfügte erzwungene Verschwindenlassen der Häftlinge ebenfalls ein Verbrechen gegen das Völkerrecht darstellt.

US-Präsident Barack Obama und Justizminister Eric Holder erklärten allerdings, dass niemand gerichtlich belangt werden würde, der sich «in gutem Glauben» und «vernünftig» auf die Richtlinien der Rechtsberatung verlassen hatte.

Folter ist immer falsch

Hier irrt Obama: Folter darf nie angewendet werden. Es gibt schlicht keine «vernünftigen Umstände» für Folterpraxis. Das internationale Recht ist eindeutig: Es existiert keine Rechtfertigung für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

Illegales muss verboten bleiben. Selbst in einer Notsituation, wenn das Wohlergehen einer Nation auf dem Spiel steht. Das Völkerrecht regelt auch klar, was der Staat bei der Verletzung dieses absoluten Verbots zu tun hat.

Er ist verpflichtet, eine unabhängige und unparteiische Untersuchung von Folter- oder Misshandlungsvorwürfen durchzuführen und die Verantwortlichen der Justiz zu übergeben. Die Opfer von Menschenrechtsverletzungen haben Anspruch auf Entschädigung.

Deshalb darf auch die Aussage Obamas, dass nun «Zeit für Besinnung, nicht für Vergeltung» sei und dass es «nichts bringe, in der Vergangenheit nach Schuld zu suchen», nicht unwidersprochen bleiben.

Es geht um Gerechtigkeit und Einhaltung der Menschenrechte. Straflosigkeit erzeugt Missbrauch.

Amnesty International fordert, dass jetzt die Wahrheit gesucht und Rechenschaft abgelegt werden muss. Es braucht eine unabhängige Untersuchungskommission, die sämtlichen Aspekten der Haft- und Verhörpraktiken der USA seit dem 11. September 2001 auf den Grund geht.

Erschienen in «AMNESTY - Magazin der Menschenrechte» vom Mai 2009 
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion