Im November 2004 rückten amerikanische Elitesoldaten in die von Aufständischen besetzte irakische Stadt Falludscha vor. Was folgte, war eine der grausamsten und blutigsten Schlachten des Irakkrieges. Die jungen Marines zogen nicht nur mit schweren Geschützen und High-Tech-Waffen in den Kampf, sie brachten auch Konzertlautsprecher mit, aus denen der krachende Sound der Heavy-Metal-Band AC/DC das «Allahu akbar» der Dschihadisten niederdröhnte.
Mit dieser bizarren Szenerie führt der amerikanische Kriegsreporter und Korrespondent der «New York Times» Dexter Filkins sein Publikum mitten in die irrsinnige Welt des «Krieges gegen den Terror», den er selbst während Jahren in Afghanistan und im Irak hautnah miterlebte. In seinem preisgekrönten Buch «Der ewige Krieg» vereinigt er nun Eindrücke aus dieser Zeit, die in ihrer Offenheit beeindrucken. Filkins besuchte die Familie eines Selbstmordattentäters, kam in Kontakt mit dem Anführer einer aufständischen Bewegung und reiste mit der Entourage führender Politiker.
Ein Teufelskreis
Besonders eindrücklich sind seine Beobachtungen aus dem Inneren der amerikanischen Militärmaschinerie, welche er als ehemaliger «eingebetteter Journalist» genau kennt. Diese Art der Berichterstattung ist heftig umstritten, da die Medienschaffenden zwar das Geschehen aus nächster Nähe verfolgen können, im Gegenzug aber Zensurregelungen akzeptieren müssen, die ein geschöntes Bild des Krieges gewährleisten sollen.
In seinem Buch schildert Filkins die Realität aber so, wie er sie erlebte. Dabei wird deutlich, dass der Irrsinn des Krieges alle trifft: Amerikanische Teenager werden verstümmelt und verlieren ihre besten Kameraden, während irakische Jugendliche als Selbstmordattentäter eingesetzt oder bei willkürlichen Razzien misshandelt werden. Filkins hält auch nicht mit Kritik an der amerikanischen Besatzungspolitik zurück. Er zeigt, wie Frustration, kulturelle Unwissenheit und Feuerkraft dazu führen, dass in der irakischen Gesellschaft immer neue Ressentiments und ein fruchtbares Rekrutierungsfeld für Terroristen entstehen.
Zwischen den Fronten steht die irakische Zivilgesellschaft. Sie sieht sich nach Jahren der Unterdrückung ihrer Illusion von Freiheit beraubt und muss mit dem alltäglichen Terror von Bombenattentaten und Geiselnahmen leben. Normalität gibt es nur innerhalb der durch Stacheldraht und Check-Points gut abgesicherten Zonen. In Filkins' Buch sucht man vergeblich nach einem Weg, der aus diesem Chaos führen könnte. Er selbst weiss sich glücklich zu schätzen, dass er heil in die USA zurückkehren konnte. Doch die quälende Frage bleibt: Was passiert mit jenen, die bleiben mussten?
Dexter Filkins: Der ewige Krieg. Innenansichten aus dem «Kampf gegen den Terror». S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009. Ca. Fr. 40.90
Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» von Februar 2010
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion