Ben Ali, Mubarak und Gaddafi: Wie in den 1980er- und 1990er-Jahren kann weltweit kein Diktator gestürzt werden, ohne dass die obligate Schweizer Bankverbindung auffliegt. Ein entscheidender Unterschied zu damals lautet freilich: Die Schweiz hat inzwischen ein Geldwäschereigesetz, das die Entgegennahme, Verwaltung und Vermehrung von rechtswidrig erworbenen Vermögen «politisch exponierter Personen» verhindern soll. Die offizielle Schweiz hat sich weit aus dem Fenster gelehnt, als sie der Welt weismachen wollte, das Problem der Potentatengelder sei somit Geschichte. Letzten Sommer erst organisierte das EDA in Paris gemeinsam mit Weltbank und Uno eine Tagung mit dem Titel «Keine Zuflucht für unrechtmässig erworbenes Geld». Micheline Calmy-Rey pries dort noch vollmundig das Schweizer Dispositiv zur Abwehr von geraubten Geldern und das neue «Gesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte» (RuVG).
Ausgerechnet kurz vor Inkrafttreten dieses RuVG am 1. Februar musste die Schweiz kleinlaut eingestehen, dass Gelder aus dem Umfeld des tunesischen Ben-Ali-Clans blockiert wurden. Der informelle Name dieses Gesetzes, «Lex Duvalier», zeigt an, dass sich das Parlament damals einlullen liess und dem aggressiven Lobbying der Banken nachgab. So beschloss es eine Gesetzesänderung, die irrigerweise davon ausging, man hätte es bei den Potentatengeldern lediglich mit Altlasten zu tun. Die zentrale Neuerung des Gesetzes ist die Umkehr der Beweislast. Es ist also nicht mehr an Haiti, zu beweisen, dass die blockierten Duvalier-Gelder unrechtmässig erworben wurden, sondern Duvalier und seine Anwälte müssen deren saubere Herkunft belegen. Zugleich wurde die Geltung dieser positiven Neuerung jedoch stark eingeschränkt. Sie gilt nämlich nur dann, wenn ein Staat zwar in Bern ein Rechtshilfegesuch eingereicht hat, diesen Fall als «Failed State» aber nicht mehr korrekt zu Ende bringen kann. Soll heissen: Wir haben mit dem RuVG ein Gesetz erhalten, dass genau für Haiti passt, doch das war es dann auch schon.
Tunesien zum Beispiel hat zwar ein Rechtshilfegesuch eingereicht, ist aber nach der relativ geordneten Vertreibung der Führungsclique zum Glück kein gescheiterter Staat geworden. Das nordafrikanische Land muss deshalb den beschwerlichen Weg der konventionellen Rechtshilfe ohne Beweislastumkehr gehen. Entsprechend lang müssen die Menschen in Tunesien darauf warten, dass ihnen das geraubte Volksvermögen zurückgegeben wird.
Die neuen Fälle werfen aber noch grundsätzlichere Fragen auf. Um mit Sicherheit sagen zu können, warum die Abwehr der Potentatengelder versagt hat (Schlamperei, gezielte Gesetzesübertretung oder Gesetzeslücken), braucht es Transparenz.
Bei der möglichst baldigen Revision des Geldwäschereigesetzes gehört folglich die Umkehr der Beweislast festgeschrieben: Politisch exponierte Personen müssten dann schon bei Kontoeröffnung oder substanziellen Transaktionen darlegen, wie sie das Geld legal erworben haben.
Und eine Lektion des Kairoer Tahrir-Platzes lässt sich schon lernen: Selbst Potentaten, die von den demokratischen Grossmächten USA und EU gehätschelt werden, sind für Schweizer Banken keine sicheren Werte mehr. Zwar verhindert wohl die diplomatische Immunität, dass Gelder von Potentaten im Amt eingezogen werden können. Für Geldinstitute, die glaubwürdig belegen wollen, dass sie an Korruption und Kleptokratie nicht mitverdienen, gibt es aber nur einen Weg: Sie müssen sich von allen politischen Machthabenden auf ihrer Kundenliste trennen – auch von jenen, die scheinbar fest im Sattel sitzen.
Erschienen in «AMNESTY – Magazin der Menschenrechte» von September 2011
Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion